PRAC empfiehlt Widerruf der Zulassung

Appetitzügler Amfepramon soll vom Markt

Stuttgart - 16.06.2022, 09:15 Uhr

Die EMA rät, die Zulassung amfepramonhaltiger Arzneimittel zu widerrufen. (Foto: Vadym / AdobeStock)

Die EMA rät, die Zulassung amfepramonhaltiger Arzneimittel zu widerrufen. (Foto: Vadym / AdobeStock)


Der Risikoausschuss der EMA rät, die Zulassung amfepramonhaltiger Arzneimittel zurückzunehmen. Der Grund: keine ausreichende Wirksamkeit und Sicherheitsbedenken.

Amfepramon setzen Ärzte nur selten ein. Als indirektes Alpha-Sympathomimetikum im zentralen Nervensystem erhöht es die Konzentration von Noradrenalin im synaptischen Spalt und führt dadurch zu einer Unterdrückung des Hungergefühls. Zugelassen ist das Anorektikum zur „unterstützenden Behandlung von Patienten mit Übergewicht und einem Körper-Masse-Index von mindestens 30 kg/m², die auf geeignete gewichtsreduzierende Maßnahmen alleine nicht angesprochen haben“. Bereits in der Fachinformation informieren die Zulassungsinhaber, dass „lediglich eine kurzanhaltende Wirksamkeit im Hinblick auf eine Gewichtsreduktion nachgewiesen“ sei und signifikante Daten über Veränderungen der Morbidität und Mortalität noch nicht zur Verfügung stünden.

Nun kommt der PRAC diesen „noch“ fehlenden Daten zuvor: Der Pharmakovigilanzausschuss der Europäischen Arzneimittelagentur EMA empfiehlt, die Zulassung amfepramonhaltiger Arzneimittel zur Gewichtsreduktion zu widerrufen. Bereits zuvor hatte der PRAC Maßnahmen zur Einschränkung des Arzneimittels aus Sicherheitsgründen empfohlen, diese seien jedoch nicht ausreichend wirksam gewesen. Dem PRAC zufolge nehmen Patient:innen Amfepramon länger als die vorgesehenen drei Monate ein, „wodurch sich das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen wie pulmonale arterielle Hypertonie (hoher Blutdruck in den Lungenarterien) und Abhängigkeit erhöhen kann“, begründet der PRAC. Zudem stellt die EMA fest, dass auch Patient:innen mit Herz- oder psychischen Erkrankungen in der Anamnese Amfepramon zur Gewichtsreduktion nutzten, doch könne der Wirkstoff diese Probleme verstärken. Und: Auch Hinweise, dass Schwangere das Arzneimittel einnahmen, liegen dem PRAC vor, was Risiken für das ungeborene Kind berge.

Weitere Maßnahmen zur Risikominimierung von Nebenwirkungen konnte der PRAC nicht erkennen, weswegen er nun empfiehlt, die Arzneimittel ganz vom Markt zu nehmen und die Zulassung zu widerrufen. Seiner Ansicht nach überwiegt der Nutzen von Amfepramon nicht länger dessen Risiken.

Die Empfehlungen des PRAC werden nun an die Koordinierungsgruppe für gegenseitige Anerkennung und dezentralisierte Verfahren – Humanmedizin (CMDh) weitergeleitet, die dazu eine Position abgeben wird. Die CMDh ist ein Gremium, das die EU-Mitgliedstaaten einschließlich Island, Liechtenstein und Norwegen vertritt. Sie ist dafür verantwortlich, harmonisierte Sicherheitsstandards für alle Arzneimittel zu gewährleisten, die im Rahmen nationaler Verfahren in der EU zugelassen sind.

Empfehlungen für die Gesundheitsberufe

  • Die EMA empfiehlt, die Zulassungen amfepramonhaltiger Arzneimittel zur Behandlung von Adipositas in der EU zu widerrufen.
  • Eine Überprüfung der verfügbaren Daten hat ergeben, dass amfepramonhaltige Arzneimittel weiterhin außerhalb der in der Produktinformation aufgeführten Maßnahmen zur Risikominimierung angewendet werden.
  • Eine unsachgemäße Anwendung kann das Risiko schwerwiegender unerwünschter Wirkungen, einschließlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen, pulmonaler arterieller Hypertonie, Abhängigkeit und psychiatrischer Störungen, sowie gesundheitsschädlicher Wirkungen bei Anwendung während der Schwangerschaft erhöhen.
  • Die Wirksamkeit einer Kurzzeitbehandlung ist begrenzt, da die Patienten in der Regel nach Beendigung der Behandlung wieder zunehmen.
  • Die Angehörigen der Gesundheitsberufe sollten die Patienten und Patientinnen über andere Behandlungsmöglichkeiten beraten. 

(Quelle: BfArM)


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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