Digitalisierung im Gesundheitswesen

McKinsey sieht 42 Milliarden Euro Einsparpotenzial durch E-Rezept und Co.

Traunstein - 24.05.2022, 16:45 Uhr

McKinsey  hat eine Studie zu Sparpotenzialen im Gesundheitswesen verfasst. (b/Foto: Wirestock / AdobeStock)

McKinsey  hat eine Studie zu Sparpotenzialen im Gesundheitswesen verfasst. (b/Foto: Wirestock / AdobeStock)


Die Unternehmensberatung McKinsey hat in einer aktuellen Studie ermittelt, dass die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen jährlich zu Einsparungen von 42 Milliarden Euro, entsprechend 12 Prozent der gesamten jährlichen Gesundheits- und Versorgungskosten, führen könnte. Das größte Potenzial sollen dabei die elektronische Patientenakte, Telekonsultationen sowie die Fernüberwachung von chronisch Erkrankten bieten. Doch Vorsicht: Mitgearbeitet hat an der Studie der Bundesverband Managed Care, zu dessen Mitgliedern auch Profiteure einer weitreichenden Digitalisierung zählen.

„Richtig eingesetzt, kann die Digitalisierung im Gesundheitsbereich massiven Nutzen stiften. Wir reden von einer 42-Milliarden-Euro-Chance, von der alle im Gesundheitswesen profitieren könnten“, äußerte McKinsey-Partner und Co-Autor Stefan Biesdorf bei der Vorstellung der Studie „Digitalisierung im Gesundheitswesen: die 42-Miliarden-Euro-Chance für Deutschland“ am heutigen Dienstag. Für die Studie hat McKinsey das Nutzenpotenzial von 26 digitalen Gesundheitstechnologien analysiert und in folgenden sechs Kategorien milliardenschwere Einsparmöglichkeiten ermittelt:

Online-Interaktionen, z. B. durch Telekonsultation oder Fernüberwachung und Management chronisch Erkrankter: 12,0 Milliarden Euro

Umstellung auf papierlose Datenverarbeitung, z. B. durch die elektronische Patientenakte und das E-Rezept: 9,9 Milliarden Euro

Arbeitsabläufe/Automatisierung, z. B. durch die mobile Vernetzung von Pflegepersonal oder die auf Barcodes basierte Verabreichung von Medikamenten: 6,7 Milliarden Euro

Entscheidungsunterstützung durch Datentransparenz, z. B. durch den Einsatz von Software, um Doppeluntersuchungen von Patienten zu vermeiden: 6,4 Milliarden Euro

Patientenselbstbehandlung, z. B. durch Gesundheits-Apps oder digitale Diagnosetools: 4,6 Milliarden Euro

Patienten-Self-Service, etwa Onlineportale zur Terminvereinbarung: 2,5 Mrd. Euro

Dabei werden in der Studie drei Bereiche des Gesundheitswesens unterschieden, in denen digitale Lösungen zum Einsatz kommen und ihren Nutzen entfalten können:

Zur digitalen Gesundheit zählen alle Lösungen, die Patienten direkt in das Gesundheitsmanagement einbeziehen (z. B. Telekonsultation, Fernüberwachung chronisch Erkrankter).

Unter E-Health werden alle Lösungen verstanden, die sich hauptsächlich an Fachkräfte im Gesundheitswesen richten und auf schlankere Prozesse bei Leistungserbringern abzielen (z. B. E-Überweisungen, klinische Entscheidungsunterstützung).

Bei den Enabler-Technologien handelt es sich um Lösungen und Systeme, die alle Beteiligten und Prozesse im gesamten Ökosystem des Gesundheitswesens unterstützen (z. B. ePA, virtuelle Assistenten).

Studie sieht 4,6 Milliarden Euro Einsparung durch Patientenselbstbehandlung

Der Löwenanteil der Einsparungen wird dabei laut den Berechnungen von McKinsey im Bereich digitale Gesundheit erzielt. Allein 5,7 Milliarden Euro sollen durch Telekonsultation und weitere 4,3 Milliarden Euro durch die Fernbetreuung chronisch kranker Patienten eingespart werden können. 

2,5 Milliarden Euro soll die Online-Terminvereinbarung und weitere 2,0 Milliarden Euro die E-Triage bringen, bei der online oder telefonisch vorab geklärt wird, ob ein Besuch in der Notaufnahme, eine Beratung zur Erstversorgung oder eine Nachsorge erforderlich ist. 4,6 Milliarden Euro Einsparpotenzial sieht McKinsey bei der Patientenselbstbehandlung. Dazu gehören unter anderem. Onlinekurse im Bereich psychische Gesundheit, Erinnerung an die Therapie-Compliance bei Diabetes oder Onlineprogramme bei Atemwegserkrankungen. Allein mit medizinischen Chatbots sollen 1,1 Milliarden Euro eingespart werden.

Bei den E-Health-Lösungen sehen die McKinsey-Forscher 13,1 Milliarden Euro Einsparpotenzial, unter anderem durch Workflow-Unterstützung, Automatisierung, Ergebnistransparenz und Entscheidungsunterstützung. „Die Kosten der Leistungserbringer sinken, da sie mithilfe solcher Lösungen effizienter arbeiten können; die Anbieter müssen weniger Zeit für Verwaltungsaufgaben aufwenden“, heißt es in der Studie.

9,9 Milliarden Euro können laut McKinsey durch die Enabler-Technologien eingespart werden. 7,0 Milliarden Euro entfallen dabei auf die ePA und 1,0 Milliarden Euro auf das E-Rezept. „Ähnlich wie E-Health-Lösungen senken solche Technologien die Kosten von Leistungserbringern und Anbietern, da diese effizienter arbeiten können“, so die Studie.

Vorbilder: „Erfolgreiche Akteure wie DocMorris und Doctolib“ 

Wie diese Daten errechnet wurden, darüber steht in der Studie nichts Konkretes. Es wird vage verwiesen auf Forschungsdokumente, Interviews mit Verantwortlichen und Erfahrungen aus früheren Projekten. Dagegen gibt es genaue Vorschläge dazu, was angepackt werden sollte – und diese haben es in sich. So steht unter „2. Beschleunigung der Nutzung“: „In Patient Journeys denken. Patienten wünschen eine durchgehende Betreuung im gesamten Gesundheitssystem. Sie suchen daher vermehrt nach integrierten Angeboten statt Einzellösungen.“ Bemerkenswert ist, welche Vorbilder hierbei genannt werden: „Erfolgreiche Akteure wie DocMorris und Doctolib integrieren verschiedene Serviceangebote entlang der Patientenreise – von der Telekonsultation über die Terminbuchung bis hin zum Medikamentenmanagement.“ 

Zum Hintergrund: Sowohl Zur Rose Pharma GmbH, eine Tochter der DocMorris-Muttergesellschaft Zur Rose, als auch Doctolib sind Mitglieder im Bundesverband Managed Care e.V. – und der hat bei der Studie mitgearbeitet. Da wundert es wenig, dass es bei den Vorschlägen für die Zukunft weiter heißt: „Um eine durchgehende Patient Journey abbilden zu können, müssen zusätzlich Ökosysteme aus Online- und Offlineanbietern geschaffen werden. 

Hier kommt der ePA und auch dem zentralen Identitäts- und Konsentmanagement eine besondere Rolle zu: Die durch die ePA zur Verfügung gestellte Infrastruktur gewährleistet, dass Onlineanbieter und traditionelle Gesundheitsdienstleister Daten austauschen können.“ Um sich auszumalen, wer von einem solchen Austausch von Daten vor dem Hintergrund der Einführung des E-Rezepts profitieren und was das für die Vor-Ort-Apotheken bedeuten würde, dazu gehört wenig Phantasie. Genauso wie zur Beantwortung der Frage, wem die McKinsey-Studie am Ende nutzen soll: wirklich allen im Gesundheitswesen oder am Ende nur einzelnen Gesundheitskonzernen?



Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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