Adexa-Rechtsanwältin Minou Hansen

„Arbeit außerhalb der Öffnungszeit zählt ab der 1. Minute als Arbeitszeit“

Stuttgart - 12.05.2022, 07:00 Uhr

Die Zeit, in der ein Angestellter seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung stellt, ist Arbeitszeit. (s / Foto: Ralf Geithe / AdobeStock)

Die Zeit, in der ein Angestellter seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung stellt, ist Arbeitszeit. (s / Foto: Ralf Geithe / AdobeStock)


Apothekenangestellte sind es gewohnt, morgens schon etwas vor Öffnung der Apotheke zu kommen und auch nach Ladenschluss noch ein wenig zu bleiben, schließlich muss vor dem Start alles „dienstbereit“ gemacht werden und auch abends gibt es immer noch etwas zu tun, zum Beispiel die Kasse zählen. Allerdings kommt es gar nicht selten vor, dass diese Arbeitszeit außerhalb der Öffnungszeiten nicht erfasst und somit auch nicht bezahlt wird. Dabei ist die Rechtslage eindeutig.

Arbeitszeit = Öffnungszeit. Und was morgens vor der Öffnung der Apotheke oder nach Ladenschluss noch gearbeitet wird, wird, obwohl es regelmäßig außerhalb der Öffnungszeiten etwas zu tun gibt, nicht erfasst und somit auch nicht vergütet – in gar nicht wenigen Apotheken wird das so gehandhabt. Das hat unsere nicht repräsentative Umfrage ergeben, an der sich fast 2.000 DAZ-Leser:innen beteiligt haben. Demnach wird nur bei knapp 17 Prozent der Befragten in den jeweiligen Apotheken die gesamte Arbeitszeit außerhalb der Öffnungszeit erfasst, zum Beispiel wenn abends noch die Kasse oder morgens alles startklar gemacht wird. Immerhin 38 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass ab einer bestimmten Grenze die Extra-Zeit aufgeschrieben wird. Etwas über 45 Prozent antworteten jedoch, dass bei ihnen in den Apotheken der Grundsatz gilt: Arbeitszeit ist gleich Öffnungszeit. Und ein Großteil der Betroffenen (fast 32 Prozent aller Befragten) findet das nicht fair. Lediglich 13 Prozent der Umfrage-Teilnehmer:innen sind mit dieser Regelung zufrieden, weil bei ihnen das Gesamtpaket stimmt.

Dabei ist die Rechtslage eindeutig, wie Rechtsanwältin Minou Hansen, die bei der Apothekengewerkschaft Adexa für die Rechtsberatung zuständig ist, auf Nachfrage der DAZ erklärt: „Nach der juristischen Kommentierung ist Arbeitszeit die Zeit, die ein:e Arbeitnehmer:in dem/der Arbeitgeber:in als seine/ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss. Wenn also die Mitarbeitenden (das hören wir sehr oft) schon vor Öffnung der Apotheke anwesend sein müssen, um die Apotheke ‚dienstbereit‘ zu machen, oder auch nach offizieller Schließung noch Kunden zu Ende bedienen oder die Kasse machen, ist das alles (ab der ersten Minute) Arbeitszeit.“

Frühere Regelung

Hansen hat eine mögliche Erklärung, warum es in Apotheken oft noch so gehandhabt wird, dass nur die Öffnungszeit als die Arbeitszeit gilt: „Es gab früher einmal eine Regelung im Tarifvertrag, wonach Arbeitszeit, die sich aus dem Kundenverkehr vor Geschäftsschluss ergab, bis zur Dauer von 10 Minuten täglich nicht als Mehrarbeit zählte“, erklärt sie. Aber zum einen sei dies gestrichen, zum anderen sollte das auch nur bedeuten, dass für diese 10 Minuten keine Mehrarbeitszuschläge zu zahlen waren, so Hansen. Wenn man als Arbeitgeber:in möchte, dass eine gewisse Mehrarbeit mit dem Gehalt vergütet ist, sollte man das auch so im Arbeitsvertrag vereinbaren, empfiehlt die Juristin.

Betroffenen Arbeitnehmer:innen rät Hansen zunächst das Gespräch mit der Chefin oder dem Chef zu suchen und dann, je nach Ergebnis, notfalls die Apotheke zu wechseln.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Mal ne Rechnung

von Arbeiter am 16.05.2022 um 16:17 Uhr

Sagen wir Mal 4 Tage 10 Minuten vor und nach der Arbeit.
4 *0.3Std= 1,2 Stunden in der Woche
4 *1,2std= 4,8 Stunden im Monat
10*4,8std = 48 Stunden im Jahr
Das.macht dann 6 volle Arbeitstage..
Die Rechnung ist minimal.
Praktisch 25% eines Monatslohns

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Das ist kein Versehen, dass Arbeitszeit nicht gezahlt wird

von Marco Fitz am 12.05.2022 um 13:04 Uhr

Manchmal ist die ADEXA schon etwas naiv.
Das mit dem Reden hätte nur dann Sinn, wenn es sich um ein Versehen des Arbeitgebers handeln würde. Aber dieses Prellen um einen Teil des Arbeitslohns ist ja Absicht; das hat ja Methode.
Wenn einen als Arbeitnehmer diese jährlich zwei Wochen unbezahlte Arbeit stören, bleibt eigentlich nur der Weg des Wechsels. Da draußen gibt es zahlreiche Arbeitgeber, die die geleistete Arbeit ehrlich vergüten.

Wir beispielsweise vergüten in all unseren Filialen die Arbeitnehmer grundsätzlich nach der gleisteten Arbeitszeit.(elektronisches Zeiterfassungssystem) und freuen uns jederzeit über engagierte Bewerber.

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