Vertreterversammlung in Baden-Württemberg

„Zu Cannabis sollte sich jeder eine Meinung bilden“

Stuttgart - 11.11.2021, 07:00 Uhr

Baden-Württembergs Kammerpräsident Martin Braun findet, dass sich Apotheken mit dem Thema Cannabis beschäftigen sollten. (x / Foto: Schelbert)

Baden-Württembergs Kammerpräsident Martin Braun findet, dass sich Apotheken mit dem Thema Cannabis beschäftigen sollten. (x / Foto: Schelbert)


Das Thema Cannabis wird auf die Apotheken zukommen – davon ist Martin Braun, Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, überzeugt. Das machte er bei der Delegiertenversammlung am gestrigen Mittwoch in Stuttgart deutlich. Er rief daher seine Kolleg:innen auf, sich eine Meinung dazu zu bilden. Letztlich müsse jeder für sich entscheiden, ob er eine Abgabe zu Genusszwecken in der Apotheke verantworten kann.

Am Mittwoch (10. November) trafen sich die Delegierten der Landesapothekerkammer in Baden-Württemberg in Stuttgart. Bei der Begrüßung von Kammerpräsident Martin Braun stand unter anderem das Thema Cannabis zu Genusszwecken aus der Apotheke im Fokus – schließlich ist die Liberalisierung und Besteuerung von Cannabis Thema der derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen.

Insbesondere die FDP verspricht sich davon eine neue Einnahmequelle und bringt die Apotheken als mögliche Abgabestellen ins Spiel. Braun sieht, ebenso wie die ABDA, bei der Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken die Apotheken in einem heilberuflichen Zielkonflikt. In seinen Augen muss es daher eine klare Abgrenzung zwischen Cannabis zur medizinischen Anwendung und dem zu Genusszwecken geben. Jeder müsse dann für sich über den Umgang damit entscheiden können. Und es brauche einen klaren staatlichen Auftrag.

Dass die Legalisierung ein neues Einnahmemodell für den Staat sein könnte, glaubt Braun allerdings nicht: „Niemand kauft Cannabis für 15 Euro in der Apotheke, wenn er es für 80 Cent auf dem Schulhof bekommen kann. Ich glaube nicht, dass das Land damit Geld verdient.“ Eine Freigabe aus monetären Gründen findet er schwierig. Nichtsdestotrotz ist Braun überzeugt, dass das Thema auf die Apotheken zukommen wird. Er ruft daher alle Kolleg:innen auf, sich eine Meinung dazu zu bilden.

Dass die Apotheken die Abgabe, falls gewünscht, organisieren könnten, steht für den Präsidenten der LAK BaWü außerfrage: „Wenn wir aufgerufen werden, das zu organisieren, können wir das. Da habe ich null Zweifel“, so Braun. Allerdings muss in seinen Augen die Honorierung staatlich geregelt werden. Es müsse also Festpreise und außerdem ein Beratungshonorar geben – sonst habe man für den Fall, dass man abrät, keinen Umsatz. Eine Preiskonkurrenz mit „Happy Hours“ oder ähnlichem möchte er nicht sehen.

Impfungen in  der Apotheke

Ein weiterer Schwerpunkt von Brauns Rede war das Thema Impfen. Aktueller Aufhänger ist der Erfolg der Coronaimpfung, die viele Todesfälle verhindern konnte. Impfen sei der Schlüssel, die Gesundheit der Bevölkerung aufrechtzuerhalten, so Braun. Weltweit werde in Apotheken geimpft. Bei den Modellvorhaben stehe der Gesundheitsschutz der Bevölkerung im Vordergrund. Baden-Württemberg gehöre bei der Grippeimpfquote bundesweit zu den Schlusslichtern. „Das müssen wir ändern“, so der Kammerpräsident.

Er wies zudem darauf hin, dass bei den Modellvorhaben zur Influenzaimpfung die Politik auf die Apotheken zugekommen sei. Das seien zunächst nicht viele Impfungen, aber man sammle wertvolle Erfahrungen. Braun präsentierte Zahlen aus Nordrhein, aus denen hervorgeht, dass sich gut ein Drittel der Impflinge in den Apotheken zum ersten Mal überhaupt gegen Influenza impfen ließ. Viele wären zudem bereit gewesen, sich auch gegen andere Erkrankungen in der Apotheke impfen zu lassen. Die Forderung, auch andere Impfungen durchzuführen, habe er allerdings damit nicht ausgesprochen, betonte der Kammerpräsident. Aber wenn die Politik auf die Apothekerschaft zu käme, müsse man darüber sprechen.

Im Hinblick auf den Widerstand aus der Ärzteschaft erklärte Braun, dass das vor allem die Vorbehalte der Funktionäre seien. Seiner persönlichen Erfahrung nach sehen die Ärzte vor Ort die Sache ganz anders. Impfen nütze der Gesellschaft und deswegen brauche es auch in ihren Augen möglichst viele Impfstellen. „Jede Apotheke wird irgendwann einmal impfen können“, davon ist Braun überzeugt. Aber mehr wird man in seinen Augen erreichen, wenn sich mehrere zusammenschließen, man die Ärzte mit ins Boot holt und dezentral an vielen Stellen geimpft wird.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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14 Kommentare

Cannabis als Medizin ja, ansonsten bitte woanders

von Ulrich am 12.11.2021 um 22:53 Uhr

Ich werde als Apotheker kein Cannabis zu Genusszwecken verkaufen, genausowenig wie ich Zigaretten oder Alkohol verkaufe. Jeder Apotheker, der sich hierfür entscheidet, tut das aus monetären Gründen, hier Beratung anbieten zu wollen ist schlichtweg Nonsens und ein Scheinargument für den Verkauf. Das will doch kein Konsument an dieser Stelle hören. Derjenige, der das möchte, wird wohl eher zur Suchtberatung gehen. Die kann er dann von mir aus auch in der Apotheke erhalten.
Cannabis zur medizinischen Anwendung gebe ich gerne ab, hier sollte das Verfahren unbedingt vereinfacht werden.
Ob die Legalisierung sinnvoll ist oder nicht ist eine Frage, zu der man verschiedener Meinung sein kann. Aber niemand kann mich verpflichten, ein Genussmittel in der Apotheke zu verkaufen.

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Meinung Bilden

von Liz am 11.11.2021 um 15:33 Uhr

Auch wenn die Abgabe in Apotheken nur eine Übergangslösung bis zur Abgabe in lizensierten Fachgeschäften darstellen darf; Ich hoffe dass Herr Braun seinen Kolleginnen und Kollegen (der tatsächliche Plural von "Kollege") entsprechende Ressourcen zur verfügung gestellt hat, damit die Meinungsbildung nicht ausschließlich auf den letzten 50 Jahren verlogener Prohibitionspolitik basiert. Falls nicht, wäre die Website "cannabisfakten.de" eine erste gute Anlaufstelle.

Dass die Abgabe von Cannabis einen heilberuflichen Zielkonflikt darstellen soll ist spätestens dann ein scheinheiliges Argument, wenn man sich vor Augen führt, dass auch homöopathische Mittel, denen im Gegensatz zu Cannabis KEINE medizinische Wirkung nachgewiesen werden kann, in Apotheken verkauft werden.

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AW: Äpfel und Birnen?

von Stefan Haydn am 11.11.2021 um 21:09 Uhr

Sie wollen ernsthaft Homöopathie und Cannabisgenuß gleichsetzen?

Ich kenne keinen Menschen der von Homöopathie mit Psychosen gesegnet wurde.

AW: Meinung Bilden

von Liz am 11.11.2021 um 21:39 Uhr

Nein Herr Haydn, genau das will ich nicht. Das Eine hat, ich wiederhole mich, eine medizinisch nachweisbare Heilwirkung, das Andere nicht.
Darüber hinaus gibt es bis heute keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass Cannabis eine eigenständige Psychose auslösen kann. Für solche und weitere Missverständnissen im Zusammenhang mit Cannabis besuchen Sie bitte cannabisfakten.de/psychose.

Wolkenkuckucksheim

von Stefan Haydn am 11.11.2021 um 10:45 Uhr

In welcher Realität lebt der gute Mann eigentlich?
Haben die Apotheken nicht Probleme wie Personalmangel und Unterfinanzierung?

Soll ich dann einen Bedienplatz in Zukunft nur für Canabis-Kunden reservieren?
Darf da dann auch die Abgabe durch fachfremdes Personal erfolgen, da billiger und vielleicht auch verfügbar?

In manchen Apotheken scheint es langweilig zuzugehen!

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AW: Wolkenkuckucksheim

von Dr. Martin Braun am 11.11.2021 um 13:02 Uhr

Lieber Herr Haydn, in erster Linie geht es mir darum, dass sich die Kolleginnen und Kollegen eine Meinung zu der Initiative von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP bzgl. "Freigabe von Cannabis machen". Dass wir derzeit ganz andere Probleme haben, ist uns allen wohl bewusst! Allerdings ist es auch erforderlich, dass wir als Berufsstand gegenüber der Politik gesprächsbereit sind und die Tür nicht einfach so zuschlagen.

AW: Wolkenkuckucksheim

von Stefan Haydn am 11.11.2021 um 15:11 Uhr

Hallo Herr Dr. Braun, schön dass Sie antworten, dann kann auch mal diskutiert werden.

Wenn man Kommentare zum Thema liest, wird ganz offensichtlich, dass die "Nutzer" gar kein Interesse an der Abgabe über Apotheken haben. Die wollen nämlich nur in eine Richtung beraten werden: Welches "flasht" oder "bringt runter" und wie stark.
Also Nutzer empfiehlt Nutzer.
Da werden die wenigsten Apotheker und Angestellten Lust darauf haben. Genau dies muss aber der Politik klipp und klar vermittelt werden. Vor allem auch, dass unter den aktuellen Bedingungen keine weiteren Aufgaben von den Apotheken gestemmt werden können.

Genau hier muss der Politik gezeigt werden, dass ein weiter so nicht mehr geht.
Dank der unmöglichen politischen Entscheidungen gerade auch in der Pandemie und dem ständigen aufoktruieren neuer Aufgabenbereiche mit anschließender Vergütungskürzung läuft uns das Personal doch auch reihenweise davon.

Wer soll sich denn da wertgeschätzt fühlen? Ist doch beim Personal in den Hausarztpraxen und den Krankenhäusern nicht anders.
Aber Hauptsache der eigene Geldbeutel wird dick gefüttert, notfalls noch über "Maskengeld".

Impfungen in der Apotheke wären für die Bevölkerung von größerem Nutzen, aber wer soll denn da noch Personal für über haben?

"Für den Fall, dass man abrät.....

von Christof Werner am 11.11.2021 um 9:34 Uhr

Manchmal frage ich mich wirklich, mit was für Kollegen und Kolleginnen ich hier meinen Beruf teile. Da wird also für die Abgabe von Cannabis in der Apotheke ein Beratungshonorar gefordert mit der Begründung, man könne ja auch abraten und hätte dann keinen Verkauf getätigt. Lieber Herr Braun, wem bitteschön wollten Sie denn zum Konsum von Cannabis zuraten? Dem jungen gesunden Kiffer ohne Grunderkrankung, für den es nicht so schlimm ist, wenn das Dope ihn aus der Spur wirft? Ich komme aus dem Kopfschütteln nicht raus. Zumal doch wirklich bitte niemand ernsthaft annehmen dürfte, dass irgendwer der Cannabis konsumiert, sich dazu in der Apotheke beraten lassen möchte. Der Gedanke ist völlig absurd. Mal ganz davon abgesehen ist Cannabis aus der Apotheke in der Tat viel zu teuer und wird nicht ansatzweise den illegalen Markt austrocknen. Doppelt so viel bezahlen wie beim Dealer um die Ecke und sich dann noch einen schlauen Spruch von der ahnungslosen Apothekerin/PTA anhören müssen. Darauf werden die Konsumenten mit Sicherheit keine Lust haben....

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: "Für den Fall, dass man abrät

von Dr. Martin Braun am 11.11.2021 um 12:55 Uhr

Lieber Herr Werner, in der Tat habe ich keinesfalls zugeraten, dass in Apotheken Cannabis zu Genusszwecken verkauft wird. Ganz im Gegenteil, persönlich halte ich das für äußerst problematisch. Genau aus dem Grund, nämlich dass im Regelfall abgeraten werden muss und es eben nicht zu einer Abgabe kommen dürfte, darf die Apotheke allerdings nicht leer ausgehen! Diese zeitintensive Leistung muss doch honoriert werden, falls der Gesetzgeber entscheidet, dass Apotheken Cannabis abgeben sollen. Ich denke, dass wir das beide sehr realistisch sehen und wir im Kern der gleichen Auffassung sind.

Wo lebt der?

von Slin am 11.11.2021 um 7:47 Uhr

Wo bekommt man denn bitte für 80 Cent Cannabis? Der meint wohl eher 0,8 für 10 Euro. Was dann ungefähr 12 Euro/g entspricht. Das bekommen die Apotheken jawohl auch hin.

» Auf diesen Kommentar antworten | 4 Antworten

AW: Wo lebt der

von Dr. Martin Braun am 11.11.2021 um 12:42 Uhr

Der tatsächliche Preis auf dem Schwarzmarkt ist doch gar nicht ausschlaggebend. Es ging mir darum klarzustellen, dass Cannabis aus der Apotheke niemals preislich "konkurrenzfähig" sein kann im Vergleich zum Schwarzmarkt, vor allem wenn man verlangt, dass Apotheken auch noch über Gesundheitsgefahren aufklären sollen. In der Tat jedoch wurde mir zugetragen, dass Joints schon für unter einem Euro auf Schulhöfen angeboten worden sind... Aber stimmt, eine nachprüfbare Quellenangabe habe ich nicht.

AW: AW: AW: Wo lebt der

von Slin am 11.11.2021 um 13:07 Uhr

In der Diskussion wird leider zu oft einfach behauptet, dass ein legaler Markt keine Chance gegen den Schwarzmarkt hätte. Klar, wenn man von so unrealistischen Preisen ausgeht. Selbst wenn der Joint ein Euro Kostet (was sicherlich nur sehr selten vorkommt). Wenn aber Beispielsweise in diesem Joint nur 0,05 Gramm drin sind, dann kostet das Gramm trotzdem 20 Euro. Auch dann ist das aus der Apotheke noch 5 Euro günstiger, wenn man Ihrem Beispiel folgt. Sie vergleichen hier Äpfel mit Birnen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Straßenpreis pro Gramm vielleicht zwischen 5 und 15 Euro pro Gramm liegt. Je nach Qualität und Menge. Also ähnlich wie z.B. in Holland wo man unterschiedliche Qualitäten ebenfalls in Preisspannen zwischen 3 und 18 Euro pro Gramm bekommt. Also ist der legale Markt hier klar Konkurrenzfähig. Außerdem werden vor allem Gelegenheitsnutzer lieber spontan ins Fachgeschäft gehen als eine Runde durch den Park zu drehen um dann unbekannte Qualität zu kaufen. Am Beispiel Kanada sieht man ja, dass der Schwarzmarkt immer weiter verdrängt wird. Auch wenn es ein paar Jahre dauert. Aber alles Geld was dem Schwarzmarkt fehlt, kann sinnvoller genutzt werden.

AW: Die halbe Warheit

von Stefan Haydn am 11.11.2021 um 21:06 Uhr

@Slin

Kanada wird ja gerne von den Legalisierungsbefürwortern bemüht. Kalifornien und die Niederlande, in denen der Schwarzmarkt erblüht, trotz Legalisierung, werden aber bewußt unterschlagen.

Ganz so einfach mit dem Austrocknen des Schwarzmarktes ist es eben gerade nicht. Es verhält sich da eher wie mit dem Blick in die Glaskugel. Zukunft ungewiß.

AW: Wo lebt der

von Liz am 11.11.2021 um 22:03 Uhr

Herr Haydn, hören Sie bitte auf hier ihre Missinformationen zu verbreiten. In den Niederlanden ist Cannabis eben nicht legalisiert worden, was genau der Grund für den dort blühenden Schwarzmarkt ist.
In Kalifornien ist unter anderem die Preispolitik ein Grund. Wenn das legale Cannabis das bis zu zehnfache des Straßenpreises veranschlagt, bleibt der Schwarzmarkt selbstverständlich die attraktivere Alternative.

Tun Sie sich und unserer Gesellschaft bitte einen Gefallen und recherchieren Sie, bevor Sie ihre Meinung kundtun.

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