SPD-Vorstoß

Bremen plant 10-Minuten-Stadt: Apotheken sollen für jeden zu Fuß erreichbar sein

Marseille - 15.10.2021, 17:50 Uhr

In Bremen und Bremerhaven will die SPD es jedem möglich machen, innerhalb von 10 Gehminuten eine Apotheke zu erreichen. (Foto: IMAGO / Norbert Neetz)

In Bremen und Bremerhaven will die SPD es jedem möglich machen, innerhalb von 10 Gehminuten eine Apotheke zu erreichen. (Foto: IMAGO / Norbert Neetz)


In Bremen und Bremerhaven sollen Apotheken bald mit finanziellen Anreizen dazu motiviert werden, sich in bestimmten Stadtteilen anzusiedeln. Die Bürgerschaftsfraktion der SPD plant die „10-Minuten-Stadt“: ein Modellprojekt zur besseren Nahversorgung.

In Bremen und Bremerhaven sollen künftig innerhalb von zehn Fußminuten nicht nur Ärzte, Pflegeeinrichtungen, Schulen, Kultur-, Spiel- und Freizeitangebote erreichbar sein, sondern auch Supermärkte, Poststellen und Apotheken. Dazu plant die SPD-Fraktion in der Bremer Bürgerschaft (dem Landesparlament in Bremen) finanzielle Anreize.

Vorgestellt hatte die Fraktion diese Pläne vor wenigen Tagen auf ihrer Klausurtagung. Das städteplanerische Programm lehnt sich an das Konzept der 15-Minuten-Stadt an, das bereits in Paris, Oslo und Madrid schrittweise umgesetzt wird. In all diesen Städten sollen wichtige Anlaufstellen des täglichen Lebens in Zukunft innerhalb 15 Minuten ohne Auto erreichbar sein.

„Zeitgemäß und notwendig“

Die 10-Minuten-Stadt sei „zeitgemäß und notwendig“, heißt es in der Projektbeschreibung der Bremer SPD-Fraktion, und weiter: „Ziel der Stadtentwicklung muss es sein, allen Menschen – unabhängig von Alter, Einkommen, Herkunft oder Gesundheitszustand – vor Ort, in ihren Quartieren, Zugang zu den wichtigen Einrichtungen des täglichen Lebens zu ermöglichen.“

Im Vorfeld hatte die Fraktion eine Erhebung vorgenommen und Karten von Bremer und Bremerhaven erstellt, auf denen unter anderem die Apotheken eingezeichnet sind. Markiert sind auch deren  Einzugsgebiete nach der Zehn-Minuten-Regel, also der Bereich, von dem aus Anwohner die Apotheke innerhalb von zehn Minuten zu Fuß erreichen können. Was sich auf der Karte zeigt, ist erwartbar: Im Stadtzentrum gibt es eine Ballung von Apotheken, in randständigeren Quartieren hingegen zeigt sich ein Flickenteppich. Die meisten, die dort wohnen, haben einen deutlich weiteren Weg zur nächsten Offizin.

Gang zur Apotheke sichert auch soziale Teilhabe

Dies könnte sich künftig ändern. Insgesamt 13 Anträge dazu, wie der Bremer Senat die 10-Minuten-Stadt umsetzen soll, hat die SPD-Fraktion bereits verfasst. In einem davon wird genauer geschildert, wie die bessere Nahversorgung und die Ansiedlung auch von Apotheken gezielt gefördert werden soll: „Der Gang zum Supermarkt, zur Apotheke oder zur Post ist fester Bestandteil unseres alltäglichen Lebens und sichert auch insbesondere älteren Menschen neben der Daseinsvorsorge wichtige soziale Teilhabe im Quartier“, heißt es. Deshalb werde das Ziel festgelegt, dass innerhalb von 10 Minuten alle Bewohner von Bremen und Bremerhaven „Güter des täglichen Bedarfs einkaufen sowie eine Apotheke oder eine Postannahmestelle erreichen können.“

Politik ist in der Verantwortung

Im Antrag wird der Bremer Senat aufgefordert, zu prüfen, wo eine solche Versorgung der Quartiere mit Gütern des täglichen Lebens gesichert ist. Und überall dort zu handeln, wo das noch nicht der Fall sei. „Ist vor Ort kein entsprechendes Angebot eines Lebensmittelhandels, einer Apotheke oder einer Post vorhanden, so ist die Politik in der Verantwortung und sollte einen Prozess initiieren, um Anbieter für eine gute Nahversorgung mit Gütern des täglichen Lebens im Quartier zu gewinnen“, so der Antrag im Wortlaut. Um das zu erreichen, sollten „unterschiedliche Unterstützungsmaßnahmen“ für Gebiete mit mangelnder Nahversorgung geprüft werden, darunter „ein Landesförderprogramm, das Anbieter:innen finanzielle Anreize zur Ansiedlung zusichert sowie steuerliche Begünstigungen für Anbieter:innen“.

Aber wie genau könnten finanziellen Anreize aussehen, die Apotheken zur Ansiedelung bewegen sollen? Konkret sei noch nichts beschlossen, sagt Andreas Reißig, Pressesprecher der Bremer SPD-Fraktion auf Nachfrage der DAZ. Man befinde sich noch in der Startphase des Projekts. Denkbar seien aber Prämien bei der Niederlassung in einem bestimmten Quartier oder die Vermietung von günstigen Gewerberäumen sowie die genannten steuerlichen Vorteile.

AK Bremen: noch keine abschließende Meinung

Die Bremer Apothekerkammer teilte gegenüber der DAZ mit, sie sei „bislang noch nicht“ in das Projekt eingebunden. Man habe sich zu den Überlegungen der SPD noch keine abschließende Meinung bilden können. Grundsätzlich unterstütze man aber „Initiativen, welche die Vor-Ort-Apotheken stärken und als wesentlichen Bestandteil der Gesundheitsversorgung anerkennen“.

Fachkräftemangel als Stolperstein?

Der Niederlassung von Apotheken in Bremen und Bremerhaven steht laut Landesapothekerkammer ein starker Fachkräftemangel im Apothekenbereich entgegen und, dass Bremen keine eigene pharmazeutische Fakultät hat. Dem Fachkräftemangel ließe sich aber dadurch entgegenwirken, dass Bremen „als attraktiv gestalteter Lebensraum Apotheker und Apothekerinnen aus anderen Bundesländern anzieht“.

Ein möglicher Anreiz, mit dem das Land Bremen die Niederlassung von Apotheken in einem bestimmten Quartier fördern könnte, wären aus Sicht der Apothekerkammer zum Beispiel ausreichend Parkplätze. Eine weitere wichtige Rolle spiele die flächendeckende ärztliche Versorgungsstruktur, die weiter verdichtet werden müsse. Auch dazu gibt es bereits einen Antrag der Bremer SPD: So soll zusätzlich die wohnortnahe Versorgung durch Haus- und Kinderärzte in Bremen und Bremerhaven durch Fördermaßnahmen verbessert werden.

Bürgerdialog geplant

In einem nächsten Schritt werde die SPD nun die Anträge zur 10-Minuten-Stadt mit den Koalitionspartnern (die Grünen und die Linke) beraten, so Pressesprecher Reißig. Am 20. Oktober startet außerdem per Facebook ein Bürgerdialog, bei dem alle Bremer und Bremerinnen ihre Wünsche einbringen können. Kann sich Reißig vorstellen, dass ähnliche Projekte auch auf Bundesebene umgesetzt werden könnten? Zumindest glaubt er, dass andere Regionen nachziehen werden: „Dass die 10-Minuten-Stadt ein Thema für immer mehr Städte in Deutschland und Europa werden wird, ist aus unserer Sicht zwangsläufig der Fall.“



Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

nicht Euer Ernst, oder?

von Karl Friedrich Müller am 16.10.2021 um 10:04 Uhr

Da macht vorneweg die SPD die Apotheken kaputt, zerstört die Strukturen, Einkommen und Umsatz, verkauft uns auf Spargelfahrten an Versender, ebenso Spahn und dann werden "finanzielle Anreize" gesetzt, damit wieder ein paar öffnen, alle paar Meter und natürlich in der Großstadt, nicht auf dem Land?
Das ist der Staat, die Politiker, keine Ahnung, kein Plan, nicht vorausschauend.
Fassungslos. Da bleibt nur ein bitteres Lachen.

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