Staatsanwaltschaft Düsseldorf

AvP-Insolvenz: Mindestens eine Person in U-Haft

Stuttgart - 26.05.2021, 16:45 Uhr

Laut Gutachten von Insolvenzverwalter Hoos war es in der AvP-Unternehmensgruppe seit „geraumer Zeit“ zu finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen. (Foto: Foto: picture alliance/dpa)

Laut Gutachten von Insolvenzverwalter Hoos war es in der AvP-Unternehmensgruppe seit „geraumer Zeit“ zu finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen. (Foto: Foto: picture alliance/dpa)


Die Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP beschäftigt bekanntlich die Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Die dortige Schwerpunktabteilung für Wirtschaftsstrafsachen ermittelt seit Anfang des Jahres gegen fünf ehemalige Führungskräfte. Es geht unter anderem um den Verdacht auf Insolvenzverschleppung, Bilanzfälschung, Urkundenfälschung, Betrug, Bankrott sowie Untreue. Nach Informationen von DAZ.online sollen sich zwei Personen in Untersuchungshaft befinden, darunter Mathias Wettstein, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der AvP Service AG. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte gegenüber DAZ.online – vorbehaltlich aktueller Entwicklungen–, dass sich seit vorletzter Woche eine Person in Untersuchungshaft befindet.

Dass die wirtschaftlichen Schwierig­keiten, in die das Apothekenrechenzentrum AvP geriet und die zur Insolvenzfeststellung im September 2020 führten, offenbar aus vorsätzlichen bis kriminellen Handlungen resultieren, darauf weisen einerseits die Erkenntnisse von Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos hin, über die die DAZ bereits ausführlich berichtete. Andererseits ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf seit September 2020 – zunächst gegen zwei Beschuldigte wegen Bankrotts, seit Anfang 2021 hat sich der Kreis auf insgesamt fünf Personen ausgeweitet. Wie die Behörde damals mitteilte, gehören oder gehörten alle Beschuldigten zur Führungsebene der Unternehmensgruppe beziehungsweise sind oder waren Mitarbeiter. Konkret geht es um den Verdacht der Insolvenzverschleppung, der Bilanzfälschung, der Urkundenfälschung, des Betruges beziehungsweise der Beihilfe zum Betrug, des Bankrotts sowie der Untreue. Die Ermittlungen gehen zurück auf eine Strafanzeige der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die im September 2020 bei der Staatsanwaltschaft einging.

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In Branchenkreisen wird aktuell über zwei Personen gesprochen, die sich in Untersuchungshaft befinden sollen, darunter Mathias Wettstein, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der AvP Service AG. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Düsseldorf bestätigt nun auf Anfrage von DAZ.online, dass sich seit vorletzter Woche eine Person aus dem Kreise der Beschuldigten in Untersuchungshaft befindet. Bereits in jenen Septembertagen nach Bekanntwerden der Pleite wurde gemutmaßt, AvP-Gesellschafter Mathias Wettstein sitze in Untersuchungshaft. Wettstein ist bereits wegen Steuerhinterziehung vorbestraft.

Laut Gutachten von Insolvenzverwalter Hoos war es in der AvP-Unternehmensgruppe seit „geraumer Zeit“ zu finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen. Nach außen getreten waren diese im Jahr 2018, als es zu strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen einen Geschäftsführer der AvP Deutschland GmbH kam. Diesen vorausgegangen waren auffällige Überweisungen von Konten der AvP Deutschland GmbH auf ein bei der Stadtsparkasse Düsseldorf geführtes Konto der Dialog im Gesundheitswesen GmbH. Der Geschäftsführer leitete zeitweise auch diese Schwestergesellschaft innerhalb der AvP-Gruppe. Das Konto fand wiederum in keinen Büchern Erwähnung und die Gelder wurden für keines der Unternehmen in der AvP-Gruppe betriebsbezogen verwendet.

Konto für private Zwecke als „schwarze Kasse“

Wie aus dem Hoos-Gutachten weiterhin hervorgeht, nutzte der Geschäftsführer das Konto vielmehr für private Zwecke – also gewissermaßen als „schwarze Kasse“. Dies ergaben eigene Ermittlungen der Stadtsparkasse Düsseldorf, woraufhin man am 19. August 2018 Geldwäscheanzeige erstattete. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen wurden erst mehr als ein halbes Jahr später öffentlich, als am 11. April 2019 Geschäftsräume der AvP Deutschland GmbH und der Dialog im Gesundheitswesen GmbH durchsucht wurden. Die Ermittler brachten zutage, dass zwischen 2009 und 2018 rund 1,8 Millionen Euro von den Abrechnungskonten in die „schwarze Kasse“ abgezweigt wurden. Der Geschäftsführer soll sich ab 2010 bis zur Auflösung des Kontos im Jahr 2018 an rund 1,6 Millionen Euro bedient haben. Nachträglich abgeschlossene Darlehensverträge dienten der Vertuschung.

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Doch einige Dimensionen größer sind die Verluste aus der fragwürdigen Bilanzierungspaxis bei AvP: Ein Wirtschaftsprüfungsgutachten bestätigte den Verdacht, dass die Jahresabschlüsse 2018 und 2019 nichtig und neu zu erstellen waren. Kernkritik: Sowohl die Forderungen gegen Krankenkassen als auch die Guthaben der Abrechnungskonten sowie die Verbindlichkeiten aus einem Konsortialkredit, der für die Abschlagszahlungen genutzt wurde, wurden nicht bilanziert. Hinzu kam eine nicht ordnungsgemäße Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung im Hinblick auf die Abrechnungskonten. Infolgedessen konnten die Einzahlungen der Krankenkassen nicht mit den Rezeptforderungen abgeglichen werden. Hinzu kommt, dass bei AvP über Jahre hinweg Forderungen aus sogenannten Rabattverfallen (Verfall des Kassenabschlags bzw. des Apothekenrabatts) gebucht wurden, ohne dass diese von den Krankenkassen tatsächlich gezahlt wurden.

Apotheken und anderen Gläubiger haben Forderungen in Höhe von 626 Millionen Euro 

Aus diesem Missmanagement hat sich eine deutlich größere Finanzlücke gebildet: In seinem Gutachten für das zuständige Gericht zum Stichtag 22. Oktober 2020 hatte Hoos die damals noch offenen Forderungen der Apotheken gegenüber Krankenkassen auf etwa 200 Millionen Euro beziffert. Insgesamt meldeten die betroffenen Apotheken und anderen Gläubiger Forderungen in Höhe von 626 Millionen Euro zur Insolvenztabelle an.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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