Aufregung an Hamburger Schulen

Giftige Substanzen in Corona-Schnelltests – was steckt dahinter?

Stuttgart - 22.04.2021, 17:55 Uhr

Große Aufregung um diesen Schnelltest: Die Pufferlösung enthält ein Detergens, das als Gefahrstoff eingestuft ist. Doch wie relevant ist das bei der Anwendung? (Foto: IMAGO / Eckhard Stengel)

Große Aufregung um diesen Schnelltest: Die Pufferlösung enthält ein Detergens, das als Gefahrstoff eingestuft ist. Doch wie relevant ist das bei der Anwendung? (Foto: IMAGO / Eckhard Stengel)


Enthalten Schnelltests auf COVID-19 giftige Substanzen? Medienberichten zufolge werden die betroffenen Tests an Hamburger Schulen deswegen nicht mehr eingesetzt. Doch was sind das eigentlich für Stoffe? Und welche Funktion haben sie? DAZ.online hat sich die Sache angesehen.

„Giftige Flüssigkeit – Hamburg setzt umstrittene Schnelltests zukünftig nicht mehr an Schulen ein“ – das ist seit dem gestrigen Mittwoch bei „Welt.de“ zu lesen. Andere Medien titeln Vergleichbares. Konkret geht es um die SARS-CoV-2 Rapid Antigen Tests von SD Biosensor, also den „Roche Test“. Die Pufferlösung enthält laut „Welt“ Substanzen aus der Gruppe der Octyl-/Nonylphenylethoxylate. Stimmt das? Und was machen diese Substanzen?

Wenn man Genaueres über etwaige kritische Bestandteile der Pufferlösung erfahren möchte, lohnt sich der Blick ins Sicherheitsdatenblatt, das der Hersteller Händlern und professionellen Anwendern zur Verfügung stellen muss. Es richtet sich zwar nicht an private Endverbraucher, aber die Pufferlösung ist für beide Tests die gleiche – die beiden Varianten unterscheiden sich im Teststäbchen, dem sogenannten „Swab“. Dieses ist beim Laientest kürzer, hat einen anderen Wattebausch und ist für die Selbsttestung zugelassen.

Was ist drin im Roche-Puffer?

Im Fall der Roche-Tests enthält der Puffer folgende Substanzen, die ein Sicherheitsdatenblatt erfordern (ob eines erforderlich ist, hängt von der Substanz sowie von der eingesetzten Konzentration ab):

  • alpha-(4-(1 ,1 ,3,3-Tetramethylbutyl)phenyI)-omega-hydroxypoly(oxy-1 ,2-ethanediyl)
  • Natriumazid
  • Mischung aus 5-chloro-2-methyl-2H-isothiazol-3-one und 2-methyl-2H-isothiazol-3-one (3:1)

Die beiden letzteren sind Konservierungsmittel. Sie sollen verhindern, dass die Pufferlösung durch Keime vor der Nutzung kontaminiert sein könnte, und sorgen damit für die Zuverlässigkeit des Tests, erklärt eine Unternehmenssprecherin gegenüber DAZ.online. Stein des Anstoßes ist die erstgenannte Substanz – alpha-(4-(1 ,1 ,3,3-Tetramethylbutyl)phenyI)-omega- hydroxypoly(oxy-1 ,2-ethanediyl), auch bekannt unter dem INN Octoxinol 9 oder dem Handelsnamen Triton X100. Strukturell handelt es sich um ein p-tert-Octylphenol-Derivat mit einer Polyethylenglycol-Seitenkette aus neun bis zehn Ethylenoxid-Einheiten. Für die meisten vermutlich deutlich interessanter: Was bewirkt es und warum ist es im Puffer enthalten? 

Wozu wird die „giftige“ Substanz benötigt?

Octoxinol 9 ist ein nichtionisches Tensid aus der Gruppe der Octylphenolethoxylate. In der Lösung, wo es laut Roche lediglich in einer Konzentration zwischen 1,0 und 2,5 Prozent enthalten ist, ist es dazu da, das Virus zu inaktivieren und die viralen Proteine in Lösung zu bringen. Die Inaktivierung und Solubilisation behüllter Viren ist ein übliches Einsatzgebiet für Octoxinol. Es ermöglicht dies nämlich ohne Denaturierung der viralen Proteine, die möglicherweise für den Nachweis benötigt werden. 

Laut Sicherheitsdatenblatt kann die Puffersubstanz schwere Augenreizungen und allergische Hautreaktionen verursachen, deswegen sind ein Augen- und Gesichtsschutz sowie Handschuhe erforderlich. Im Beipackzettel finden sich die Hinweise auf Augenreizungen und allergische Reaktionen ebenfalls.

Sind Schnelltests also gefährlich?

Aber wie relevant ist das beim Anwenden eines Schnelltests? Insbesondere bei der Verwendung von Selbsttests wird ja in der Regel eher keine Schutzkleidung getragen. Dazu erklärt die Unternehmenssprecherin: „Die Sicherheitshinweise im Beipackzettel beziehen sich auf die in der Pufferlösung befindlichen Konservierungsstoffe und Tenside und müssen aufgrund der Vorgaben der REACH Richtlinie (EU-Chemikalienverordnung) aufgeführten werden, unabhängig von deren Konzentration. Die Hinweise zum Umgang mit Laborreagenzien und insbesondere die Verwendung von Schutzausrüstung betreffen primär die professionelle Anwendung mit den ausgewiesenen Substanzen, wenn beispielsweise Fachpersonal mit einer gewissen Häufigkeit (z.B. mehrmals täglich) mit dieser Substanz in hoher Konzentration arbeitet. Die Konzentration dieser Stoffe in der Pufferlösung ist hingegen sehr gering.“

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Außerdem werde die Pufferlösung in vorkonfektionierten und verschlossenen Röhrchen geliefert, so die Sprecherin weiter. Bei Verwendung des Tests gemäß Gebrauchsanleitung haben die Anwender zu keinem Zeitpunkt Kontakt zu der Pufferlösung. Durch die sehr niedrige Konzentration der Tenside in der Pufferlösung bestehe aber selbst bei unsachgemäßem Gebrauch, wie beispielsweise dem versehentlichen Kontakt des Puffers mit der Haut, keine besondere Gesundheitsgefahr.

Schulbehörde sieht keine Gefahr

Dennoch geht man bei Roche auf Nummer sicher und empfiehlt, um die ordnungsgemäße Probenentnahme und -analyse zu garantieren, dass die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nur unter Aufsicht eines Erwachsenen stattfindet, beziehungsweise von einem Erwachsenen durchgeführt wird. 

Auch die Hamburger Schulbehörde sieht keine Gefahr. „Die Schnelltests sind geprüft und gesundheitlich unbedenklich“, betonte der Sprecher der Hamburger Schulbehörde, Peter Albrecht, gegenüber der Deutschen Presseagentur. Neben der Freigabe durch das Bundesamt hätten die an Schulen eingesetzten Tests eine vom Paul-Ehrlich-Institut zusätzlich durchgeführte Evaluierung bestanden. „Sie gelten damit als medizinisch unbedenklich“, erklärte Albrecht. Der Schnelltest der Marke Roche werde weiterhin in Hamburg verwandt. Die direkte Belieferung aller Schulen der Hansestadt habe aber inzwischen der Hersteller Lyher übernommen, der nach eigener Aussage ein anderes Detergens verwendet.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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10 Kommentare

Arbeitssicherheit

von Marcus P. am 11.05.2021 um 21:43 Uhr

Wenn ich bei uns in der Arbeit Gefahrstoffe verwenden möchte, dann wird eine Arbeitsanweisung erstellt, Schutzkleidung beschafft und das (erwachsene) Personal geschult. Und zwar auf Basis der Sicherheitshinweise des Herstellers. Und hier wird das alles relativiert obwohl teilweise 6-10jährige Kinder damit hantieren.
Warum bitte ist das so?
Das konnte mit noch NIEMAND erklären.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Selbsttest in der Schule

von Vatchkova am 24.04.2021 um 10:47 Uhr

Für mich ist das Ganze verkehrt, ein 6-jähriges Kind kann nicht mal die Packungsbeilage lesen, wovon sprechen wir überhaupt?
In jeder Schule muß mindestens einen Arzt, Apotheker oder eine Krankenschwester angestellt sein. Wer haftet dafür? Die Eltern, sie müssen Einwilligung unterschreiben, weil es Pflicht ist und die Verantwortung dafür tragen. Verrückt!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Selbsttest in der Schule

von M. Heller am 02.05.2021 um 10:19 Uhr

Zur Haftung: Keine Sorge, die erzwungene, elterliche Zustimmung ist kein Freifahrtschein. Rektoren und Lehrer sind trotzdem haftbar zu machen, wenn hier auch nur irgendetwas geschehen sollte. Aber Sie haben natürlich recht: verkehrt ist das auf jeden Fall, besonders angesichts der abenteuerlichen Fehleranfälligkeit dieser Tests.

Natriumazid

von ...nur meine Meinung... am 23.04.2021 um 12:06 Uhr

Schade, dass in dem Artikel ‚Natriumazid‘ unbeachtet bleibt (nur ein Konservierungsmittel…)
Natriumazid ist hochgiftig und gemäß Sicherheitsdatenblatt in dem (Roche-)Extraktionspuffer in einer Konzentration von 0,1-0,25 % w/w enthalten.
Mit einer LD50 (Ratte, oral) von 27 mg/kg wäre der Inhalt eines Probenröhrchens (3 ml) eine letale Dosis für eine kleine Laborratte.
Zusammen mit den - im Artikel erwähnten - endokrinen Disruptoren gibt man so etwas neuerdings in Schulen kleinen Kindern ab 6 Jahren in die Hand.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Natriumazid

von V Roosmalen am 23.04.2021 um 22:15 Uhr

Na een test een zwaar geïrriteerd oog daarna gehele strot, prednison geslikt, bij reumatoloog verteld, dat ikzelf mijn prednison had genomen hoge dosering vond hij(vreemd) genoeg niet erg, maar dat ik zei dat het door de pcr test kwam. Meer daar wilde hij NIKS. van horen.

Unabhängig von der Konzentration?

von Pia am 23.04.2021 um 0:42 Uhr

Wenn gesagt wird:
„Die Sicherheitshinweise im Beipackzettel beziehen sich auf die in der Pufferlösung befindlichen Konservierungsstoffe und Tenside und müssen aufgrund der Vorgaben der REACH Richtlinie (EU-Chemikalienverordnung) aufgeführten werden, unabhängig von deren Konzentration. ......" stimmt das nicht. In Sicherheitsdatenblättern git es genau bei gefährlichen Substanzen eine Anzeigepflicht ab einer Konzentrationsgrenze von 0,1% im betreffenden Material. Und dann gelten eben die Schutzmaßnahmen, die angegeben werden, genau für diese Gemische, eben auch mit geringer Konzentration (Quelle: VERORDNUNG (EU) 2020/878 DER KOMMISSION vom 18. Juni 2020 zur Änderung des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH)).
Die Unternehmenssprecherin von ROCHE verharmlost damit die Verwendung der Pufferlösung durch eine Fehlinformation hinsichtlich der Konzentration. In der betrieblichen Praxis müssen hierfür alle Anwender geschult werden und eine persönliche Schutzausrüstung ist vorgeschrieben.
Gerade in Kinderhänden ist mir dabei nicht wohl. Ich finde die Pflicht der Anwendung durch Kinder grob fahrlässig und dessen Freigabe durch das Paul-Ehrlich-Institut sehr bedenklich.
Letzter Punk: die starke Wassergefährdung wird komplett übergangen, aber ist es so sicher, dass diese Substanzen im Restmüll tatsächlich nicht ins Wasser gelangen (geplatzte Müllbeutel, Auslaufen im Müllauto)? Bei vielen Millionen Test kommt da schon einige Flüssigkeit zusammen.
Es scheint, dass aktuell die Lösung eines Problems fahrlässig mit dem nächsten Problem versucht wird. Roche hat daher auch eine extra Sonderfreigabe erhalten - siehe Internetseite von Roche "4-reach-kundenbrief...".
Trauen wir der Abstands- und Maskenpflicht in den Schulen und Firmen nicht???

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Danke

von Zapf am 22.04.2021 um 21:22 Uhr

Danke für den Tipp! Und zum Glück sind unsere tollen Lehrer so pflichtbewusst und geben den Schülern zusätzlich zur eignen Atemschutzmaske noch jedem Kind Einmalhandschuhe und jedem eine Schutzbrille bevor es ans Testen geht...läuft...man kann nie früh genug damit anfangen, den Kids den richtigen Umgang mit Chemikalien beizubringen...läuft doch alles super!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Haben Sie die Packungsbeilage von Schnelltests von Roche oder andere gelesen?

von Karolina am 24.04.2021 um 17:39 Uhr

Hallo an alle lieben Menschen, die für Gesundheit- und Naturschutzinteressieren,

aus der Packungsbeilage von Roche und andere geht es hervor, dass es - wie schon in den anderen Kommentaren erwähnt wurde -, hier um einen in den Tests vorhandenen biologisch gefährlichen Abfall handelt. Lest selbst nach.
In Roche sogar geht es um besorgniserregenden Stoff, was niemals ins Gewässer gelangen darf. (!!!)
Steht da wortwörtlich.
Wochenlang versuchte ich ausfindig zu machen, wo nun dieser gefährlicher Stoff steckt... Letzen Mittwoch berichtete Welt, dass es in Pufferlösung steckt. Dies wurde bei unseren Tests in zugedrehten Fläschen geliefert wurde. (Schnelltest von Siemens). Dann aber geben wir die Flüssigkeit in die Teströhrchen was Tropfvorichtung hat, um auf die Testkassette es rausdrücken zu können. Dicht kann man dieses Behälter nun nicht mehr nennen. Ich wusste bis vor kurzem nicht, dass es so giftig ist.
Schulkinder werden mit Roche getestet.
Ich frage mich, warum die Entsorgung der Schnelltests nur mit Abfallschlüssel 180104 versehen?... So „darf“ es einfach ins Restmüll. Werden immer biologisch gefährliche Stoffe verbrannt?
Oder hat die vereinfachte Entsorgung der Schnelltests vielleicht etwas mit derzeitige „Logik“ zu tun: Alle Klassenkinder negativ getestet, gehen in die Klasse zurück und setzen sich an ihr Einzeltisch, 2 m von einander entfernt und... setzen Masken an. Gesichtslosen Lernen kann beginnen! Das läuft doch super! Oder?!...
Was ist nur mit uns passiert?...

schön

von Zapf am 22.04.2021 um 19:46 Uhr

schön, wie Sie das hier verharmlosen...Sie hätten wenigstens mal darauf hinweisen können, dass die Angaben zur Spezifität und Sensitivität auf Untersuchungen mit Erwachsenen mit Verdacht auf SARS-CoV-2 beruhen und nicht auf "wir testen alles, was uns zwischen die Finger kommt..."

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AW: Nicht so schön...

von Andreas P. Schenkel am 22.04.2021 um 21:04 Uhr

...wie Sie hier mit Schlagworten um die Ecke kommen. Haben Sie irgendetwas Konkretes beizutragen, was die Aussagen des obigen Artikels "entharmlosen" könnte?

Oder stören Sie sich am Begriff "Tenside"? Sie kommen, das traue ich mich wetten, mehrmals täglich mit dieser Substanzklasse in Berührung: beim Waschen mit fester Seife oder mit Flüssigseife. Der häufige Gebrauch kann hierbei auch geringfügige Hautschäden verursachen. Klar, es gibt Unterschiede in den hautschädigenden Eigenschaften verschiedener Tenside. Einfach nicht die Pufferlösung auf die Haut oder hinter die Binde gießen!

P.S. Und um Sensititvität und Spezifität ging es im Artikel diesmal überhaupt nicht, das wurde an dieser Stelle schon vor vielen Wochen besprochen.

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