Uni-Kliniken wollen Impfstopp für jüngere Frauen

„Dringender Bedarf“ einer neuen Impfempfehlung für AstraZeneca-Impfstoff?

Stuttgart - 30.03.2021, 14:28 Uhr

„Vorsichtsmaßnahme“: Termine in Berliner Impfzentren mit dem Wirkstoff AstraZeneca werden der Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) zufolge erst einmal abgesagt. (Foto: IMAGO / Agencia EFE)

„Vorsichtsmaßnahme“: Termine in Berliner Impfzentren mit dem Wirkstoff AstraZeneca werden der Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) zufolge erst einmal abgesagt. (Foto: IMAGO / Agencia EFE)


Impfungen mit AstraZeneca für Menschen unter 60 Jahren sind in Berlin vorerst gestoppt worden. Währenddessen sprechen sich fünf von sechs Unikliniken in NRW gemeinsam dafür aus, Impfungen jüngerer Frauen mit dem Vakzin vorerst zu stoppen.

Das Land Berlin setzt die Corona-Impfungen mit dem Wirkstoff des Herstellers AstraZeneca für Menschen unter 60 Jahren vorsorglich aus. Das gab Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Dienstag bekannt und verwies auf neue Daten über Nebenwirkungen. Sie bezeichnete dies als „Vorsichtsmaßnahme“. Entsprechende Termine in Impfzentren werden Kalayci zufolge erst einmal abgesagt. Das Land wolle nun die Beratungen auf Bundesebene und Stellungnahmen der Fachleute wie des Paul-Ehrlich-Instituts abwarten.

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Auch die Kliniken Charité und Vivantes in der Hauptstadt stoppten bis auf Weiteres die Impfungen mit Verweis auf Fälle von Hirnvenenthrombosen in Deutschland. Die Aussetzung der Impfungen galt bei den Kliniken zunächst für Frauen unter 55 Jahren. Nach den Berliner Impfzentren stoppte aber auch die Charité bis auf Weiteres alle Impfungen bei unter 60-Jährigen mit dem Vakzin des Herstellers AstraZeneca. „Wir werden uns der Ankündigung von Frau Kalayci anschließen“, teilte Charité-Sprecherin Manuela Zingl am Dienstag mit. Das betrifft vor allem die eigene Belegschaft. Die Sprecherin der Charité, Manuela Zingl, sagte am Dienstag: „Dieser Schritt ist aus Sicht der Charité notwendig, da in der Zwischenzeit weitere Hirnvenenthrombosen bei Frauen in Deutschland bekannt geworden sind.“

Uni-Kliniken wollen Impfstopp mit AstraZeneca für jüngere Frauen

In Nordrhein-Westfalen sprachen sich auch die Leiter von fünf der sechs Uni-Kliniken für einen vorläufigen Stopp von Impfungen jüngerer Frauen mit AstraZeneca aus. Das Risiko von weiteren Todesfällen sei zu hoch, heißt es in einem gemeinsamen Brief an den Bundes- und Landesgesundheitsminister, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. 

In dem zweiseitigen Schreiben, das von den Ärztlichen Direktoren der fünf Kliniken unterzeichnet wurde, wird Bezug auf die bislang bekannten Verdachtsfälle von Thrombosen nach AstraZeneca-Impfungen genommen. Die Experten stellen dann die Todesfälle durch COVID-19 bei 20- bis 29-jährigen Frauen den potenziellen lebensbedrohlichen Impfkomplikationen in der gleichen Altersgruppe gegenüber.

„Zusammenfassend muss man feststellen, dass am Beispiel der Gruppe der 20- bis 29-jährigen Frauen nach jetzigem Erkenntnisstand ein äußerst ungünstiges Nutzen/Risiko-Profil für den Einsatz des AstraZeneca-Impfstoffes vorliegt“, so die Uniklinik-Chefs in ihrem Brief. „Im Lichte dieser Überlegungen erscheint uns der Einsatz des AstraZeneca-Impfstoffs bei jüngeren Frauen gegenwärtig nicht gerechtfertigt“, schreiben die Experten. Es bestehe daher „dringender Bedarf“, eine neue Impfempfehlung abzuleiten.

Bis zum Nachmittag wollen die Uni-Kliniken nach dpa-Informationen dem Landes-Gesundheitsministerium eine entsprechende Empfehlung vorlegen. Die Uni-Klinik Köln empfiehlt unterdessen ihren weiblichen Angestellten unter 55 Jahren im Impfberatungsgespräch, „zumeist keine Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff“, so ein Sprecher. Er bestätigte einen Bericht der „Bild“-Zeitung. „Wir enthalten niemanden den Impfstoff vor, der ihn auch nach entsprechender Aufklärung ausdrücklich wünscht“, ergänzte der Sprecher. „Insgesamt sind wir sowohl ethisch als auch juristisch verpflichtet, wie bei jeder anderen ärztlichen Maßnahme auch, nach bestem Wissen und Gewissen auf dem neuesten Stand der Erkenntnisse aufzuklären und eine individuelle Impfempfehlung auszusprechen.“

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Deutschland – und zahlreiche andere Staaten – hatten die Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff im März vorübergehend ausgesetzt, weil mehrere Fälle mit Thrombosen in den Hirnvenen in zeitlichem Zusammenhang zur Impfung gemeldet wurden. Mittlerweile wird der Impfstoff wieder verabreicht. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hatte die Sicherheit des Vakzins bekräftigt, auch die Ständige Impfkommission in Deutschland hatte sich für einen weiteren Einsatz des Mittels ausgesprochen. 

In Deutschland sind bislang 31 Fälle einer Sinusvenenthrombose nach Impfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca bekannt, wie das Paul-Ehrlich-Institut am Dienstag berichtete. Bis Montagmittag (29. März) waren dem Institut 31 Fälle gemeldet worden, in 19 Fällen wurde zusätzlich eine Thrombozytopenie gemeldet. In neun Fällen war der Ausgang tödlich, wie das für die Sicherheit von Impfstoffen zuständige Institut in Langen berichtete.

Mit Ausnahme von zwei Fällen betrafen laut PEI alle Meldungen Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren. Die beiden Männer waren 36 und 57 Jahre alt. Laut Impfquotenmonitoring des Robert Koch-Instituts wurden bis einschließlich Montag 2,7 Millionen Erstdosen und 767 Zweitdosen von AstraZeneca verimpft.


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