DAZ-Adventsrätsel – Tag 5

Der Dichter und die Gicht

05.12.2020, 00:57 Uhr

Uratkristalle sind unter dem Mikroskop schön anzusehen, können aber sehr schmerzhaft sein, wenn sie in der Synovialflüssigkeit ausfallen und einen verheerenden inflammatorischen Teufelskreis verursachen. (Foto: luchschenF / stock.adobe.com)

Uratkristalle sind unter dem Mikroskop schön anzusehen, können aber sehr schmerzhaft sein, wenn sie in der Synovialflüssigkeit ausfallen und einen verheerenden inflammatorischen Teufelskreis verursachen. (Foto: luchschenF / stock.adobe.com)


Ein Dichter und die Gicht stehen im Mittelpunkt unserer heutigen Rätselfrage. Wir bewegen uns in den 1920er Jahren – und doch erscheinen viele Gedanken aktuell. Im Menschen leben immer noch zwei Seelen in ständigem Streit, und wir sind aufgefordert, unsere wölfische und menschliche Seite zu akzeptieren und den Galgenhumor des Lebens zu erfassen.

Weniger als an der Zerrissenheit seiner Seele leidet der Eigenbrötler, der seinem Umfeld halb als Mensch und halb als Wolf gegenübersteht, an einer Stoffwechselerkrankung. Wie der Verfasser eines berühmten und fast autobiografischen Werkes leidet auch sein Protagonist an der Gicht, die ihm schmerzlich seine Vergänglichkeit vor Augen führt. Auffällig ist der mühsame und unentschlossene Gang, tagelang leidet er unter den Gichtanfällen. Auch der Genuss von Alkohol und Tabak und Opium lindert nicht seine Erkrankung. Jener zurückgezogene Intellektuelle hat sich von seinem Umfeld völlig entfremdet und hasst das Konventionelle. An seinem 50. Geburtstag steht er kurz vor dem Suizid – doch es soll anders kommen: Durch Zufall wirft er sich wieder ins Leben und erkennt, dass Humor die Lösung ist, um die Zerrissenheit und den Weltschmerz zu überwinden.

In einem Gedicht findet derselbe Autor des Buches für die Symptome lyrische Worte und setzt seine – heute durchaus gut therapierbare – Erkrankung mit dem sich langsam nähernden Tod gleich:

„An andern Tagen geht das Schreiben nicht.

Dann lausch ich dem, der tief in meinen Knochen

Sich dehnt und immer weiter kommt gekrochen

Es ist der Tod, doch nennen wir ihn Gicht.“

 

Wer ist der Autor des Buches und des besagten Gedichtes? 

 

Wir suchten Hermann Hesse. 

Er litt ebenso wie Harry Haller, Protagonist im „Steppenwolf“ (1927), an der Gicht. In den Glossen „Kurgast. Aufzeichnungen von einer Badener Kur“, die Hesse zwei Jahre vor dem Steppenwolf schrieb, geht er auf die Diagnose ein und beschreibt die Behandlungsmethoden („Bäder, Trinkkur, Diathermie, Quarzlampe, Heilgymnastik“) im badischen Kurort, in dem traditionell täglich üppig gespeist wird. Allopurinol, das heute am häufigsten verwendete Arzneimittel gegen die chronische Gicht, wird 15 Jahre nach dem Tod von Hesse auf die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel aufgenommen.


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