Vielversprechende Studie

Nur einmal pro Woche: Langzeitinsulin bei Typ-2-Diabetes

Düsseldorf - 03.11.2020, 09:15 Uhr

Das Langzeitinsulin „Icodec“ erreicht wissenschaftlichen Veröffentlichungen zufolge eine maximale Konzentration nach 16 Stunden und hat eine Halbwertszeit von rund acht Tagen. (c / Foto: james633 / stock.adobe.com)

Das Langzeitinsulin „Icodec“ erreicht wissenschaftlichen Veröffentlichungen zufolge eine maximale Konzentration nach 16 Stunden und hat eine Halbwertszeit von rund acht Tagen. (c / Foto: james633 / stock.adobe.com)


In einer Doppelblind- und Doppel-Dummy-Phase-II-Studie konnte Hersteller Novo Nordisk die vergleichbare Wirksamkeit des neuen Langzeit-Insulin-Analogons „Insulin Icodec“ zeigen – bei nur einmal wöchentlicher Injektion im Vergleich zu täglicher Injektion eines etablierten Insulins bei Typ-II-Diabetes-Patienten.

Wenn bei der Behandlung eines Typ-II-Diabetes oral verabreichte Arzneimittel und Ernährungsumstellung allein nicht mehr helfen, den Blutzuckerspiegel zu senken, ist die tägliche Injektion von Insulin das Mittel der Wahl. Viele der betroffenen Patienten zögern das aber hinaus und scheuen die tägliche Spritze – mit entsprechenden ernsten Konsequenzen und Klinikaufenthalten. Studien haben gezeigt, dass insbesondere „weniger Spritzen“ die Akzeptanz und den Erfolg der Behandlung deutlich verbessern könnte.

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Unter anderem brachte es Forscher im Auftrag des Pharmaunternehmens Novo Nordisk mit Hauptsitz in Dänemark auf die Idee, die Halbwertszeit des injizierten Insulins im Körper zu erhöhen. Statt einer täglichen Spritze kommt man so bei der Anwendung des neuen Ultra-Langzeit-Insulin-Analogons „Insulin Icodec“ mit einer Injektion pro Woche aus. Indem die Wissenschaftler drei Aminosäuren des Moleküls austauschten und zusätzlich einen Fettsäurerest mit 20 Kohlenstoffatomen anhängten, reduzierten sie zum einen den enzymatischen Abbau des Proteins und sorgten zum anderen für eine starke aber reversible Bindung des Analogons an Albumin. Dies führe „zu einer kontinuierlichen, langsamen und stetigen Freisetzung des aktiven Icodecs“ über den Zeitraum einer Woche, schreiben die Forscher

Icodec erreicht den Veröffentlichungen zufolge eine maximale Konzentration nach 16 Stunden und hat eine Halbwertszeit von 196 Stunden, also rund acht Tagen. Im Vergleich zum häufig verabreichten täglichen Insulin-Analogon Insulin Glargin U100 ist das Injektionsvolumen des wöchentlich verabreichten Icodec durch eine konzentrierte Formulierung identisch, heißt es vom Hersteller.

Vergleichbare Ergebnisse bei der Senkung der Langzeitblutzuckerwerte

Die Ergebnisse einer Studie zu Pharmakokinetik, -dynamik und Sicherheit von Icodec erschienen bereits im Juni 2020 im Fachmagzin „Diabetes“ der American Diabetes Association. Nun wurden die Ergebnisse einer Phase-II-Studie im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht. Die Wissenschaftler um Erstautor Julio Rosenstock, Direktor des „Dallas Diabetes Research Centers“ und Professor an der University of Texas, kamen dabei zu dem Schluss, Icodec biete bei wöchentlicher Anwendung einen vergleichbaren Effekt der Blutzuckersenkung und vergleichbare Sicherheit wie die tägliche Injektion von Insulin Glargin U100.

In der randomisierten Doppelblind-, Doppel-Dummy-Studie wurden insgesamt 
247 ausgewählte Typ-II-Diabetes-Patienten behandelt, die zuvor kein Insulin bekommen hatten (zumindest nicht regelmäßig) und bei denen auch mit dem Wirkstoff Metformin sowie zum Teil mit Dipetidylpetidase-4-Inhibitoren (zum Beispiel Sitagliptan, Vildagliptin, Saxagliptin) der Langzeit-Blutzuckerwert, gemessen über den HbA1c-Wert, nicht gesenkt werden konnte.

Die Patienten zwischen 18 und 75 Jahren hatten die Diagnose Diabetes Typ 2 mindestens 180 Tage vor der Auswahluntersuchung erhalten. Die Studie erstreckte sich über einen Zeitraum von 26 Wochen mit einer vorangehenden zweiwöchigen Screening-Phase und einer fünfwöchigen Nachbeobachtung. Alle Patienten wiesen einen HbA1c-Wert zu Beginn zwischen 7 und 9,5 Prozent auf – der Normwert liegt laut Deutscher Diabetes Gesellschaft bei unter 5,7 Prozent.

Ähnliches Sicherheitsprofil bei niedrigerer Dosierung?

125 Teilnehmer erhielten einmal wöchentlich eine Icodec-Injektion und täglich ein Placebo, 122 wöchentlich ein Placebo und täglich eine Glargin-Injektion. Fast alle Teilnehmer beendeten auch die gesamte Behandlung in Woche 26. Initial wurden 
70 Internationale Einheiten (IE) Icodec einmal pro Woche beziehungsweise 10 IE Glargin täglich verabreicht. Im Folgenden wurde die Dosis wöchentlich jeweils so eingestellt, dass die Probanden bei einem nüchternen Blutzuckerwert vor dem Frühstück von 70 bis 108 mg pro Deziliter beziehungsweise 3,9 bis 6,0 mmol pro Liter eingestellt waren.

Als primären Endpunkt der Studie erhoben die Autoren die Veränderung des Langzeit-Blutzuckerwerts bis Woche 26: Mit dem etablierten täglich injizierten Glargin kamen die Patienten im Schnitt von einem Wert von 7,96 Prozent 
(+/- 0,65 Prozent) auf im Schnitt 6,87 Prozent. In der Icodec-Gruppe sank der Wert von zu Beginn im Schnitt 8,09 Prozent (+/- 0,7 Prozent) auf im Schnitt 6,69 Prozent.

In der Studie wurden auch alle Fälle von Hypoglykämie, schwere andere Zwischenfälle oder auch Reaktionen an der Injektionsstelle erhoben. Insgesamt kamen die Forscher zu dem Schluss, dass unerwünschte Wirkungen in der Icodec-Gruppe ähnlich selten auftraten wie in der Glargin-Gruppe und Icodec damit ein ähnliches Sicherheitsprofil habe.

Lediglich leichtere Level-1-Hypoglykämien, bei denen der Blutzuckerwert in den Bereich zwischen ≥54 und <70 mg pro Deziliter (≥3,0 und <3,9 mmol pro Liter) sank, wurden in der Icodec-Gruppe etwas häufiger beobachtet. So lag die Inzidenz dieser Level-1-Alarme in der Icodec-Gruppe bei 53,6 Prozent, in der Glargin Gruppe bei 37,7 Prozent. Die Forscher schlussfolgern daraus, dass dies dem Versuchsaufbau geschuldet sei, der die beiden Wirkstoffe auf ein Vergleichslevel normierte. Wahrscheinlich, so die Forscher, müsste der angestrebte nüchterne Blutzuckerwert etwas höher und die Icodec-Dosis etwas niedriger sein, um Hypoglykämie-Ereignisse zu verhindern. 

Es bedürfe nun noch größerer Studienansätze mit einem noch breiter gestreuten Patientenprofil, um das Wirkprofil auf die Senkung des Blutzuckerspiegels von Icodec genauer zu bestimmen, heißt es.

Wechsel von der täglichen Injektion zur wöchentlichen ohne größerer Probleme möglich?

Obwohl das Design der Studie nicht dafür ausgelegt gewesen sei, Vorteile des neuen Langzeit-Insulin-Analogons gegenüber dem etablierten zu zeigen – so die Forscher –, habe man dennoch zeigen können, dass die mit Icodec behandelten Patienten über einen längeren Zeitraum einen Blutzuckerspiegel aufwiesen, der sich im „gesunden“ Korridor zwischen 70 und 140 mg pro Deziliter befand, als die mit Glargin behandelten. Für diese Untersuchung wurden in den letzten zwei Wochen der Studie die Werte blind und aus der Ferne per Flash-Glucose-Monitoring erhoben.

„Wir wissen, dass sich viele Menschen mit Typ-2-Diabetes eine einfache Lösung wünschen, das heißt weniger Injektionen und mehr Komfort als bei der derzeitigen Verabreichung von Basalinsulin ein- oder zweimal pro Tag. Diese Phase-II-Studie zeigt den potenziellen Nutzen, den Insulin Icodec Menschen mit Typ-2-Diabetes bieten könnte, die eine Insulintherapie benötigen. Es erleichtert den Übergang zu einer neuen Behandlungsoption ohne die tägliche Belastung und Komplexität der aktuellen Therapien und schafft es möglicherweise, dass die Patienten sich über einen längeren Zeitraum als bisher in einer guten Blutzuckereinstellung mit geringem Hypoglykämierisiko befinden“, sagt Dr. Harpreet Bajaj, Autor einer weiteren, kleineren 16-Tage Phase-II-Studie zu dem Wirkstoff, deren Ergebnisse gemeinsam mit denen der größeren bei der Jahrestagung der „European Association for the Study of Diabetes“ (EASD) vorgestellt wurde. Diese Studie habe gezeigt, dass ein Wechsel von der täglichen Injektion zur wöchentlichen ohne größerer Probleme möglich sei, heißt es in der Mitteilung von Novo Nordisk.

Laut dieser Mitteilung des Herstellers von Ende September soll auch noch in diesem Jahr eine Phase-III-Studie beginnen, für deren Design die Ergebnisse der Phase-II-Studien herangezogen werden.



Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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von Happe am 26.11.2020 um 20:10 Uhr

Ich würde gerne mehr info haben

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