Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

24.05.2020, 08:00 Uhr

So langsam sieht man klarer beim E-Rezept. Und wir müssen uns überlegen, was wir wollen. (Foto: Andi Dalferth)

So langsam sieht man klarer beim E-Rezept. Und wir müssen uns überlegen, was wir wollen. (Foto: Andi Dalferth)


Sollen die Kunden, bevor sie ihr E-Rezept bei uns einlösen, unser Warenlager abfragen können, ob wir auch alles da haben? Die Gematik, die Oberorganisation fürs E-Rezept, kann sich das vorstellen. Aber geht das? Und wollen wir das? Was wir wollen: Ein sicheres Makelverbot mit E-Rezepten, sicher wie Poller gegen Durchfahrtsverbote, sagt ABDA-Vize Arnold. Ja, jetzt wird’s ernst mit dem E-Rezept. Und die ABDA will mehr Geld, für den „Inflationsausgleich“ und auch für eine E-Rezept-Werbekampagne. Reicht das? Was wir auf keinen Fall wollen: Dass die Krankenkassen die TI-Anbindung der EU-Versender finanzieren. Da sind wir uns mit dem Kassenverband einig. 

18. Mai 2020

So langsam wird’s ernst mit dem E-Rezept. Die Gematik – also die Organisation, deren Aufgabe es ist, die Spezifikationen fürs E-Rezept und für die Nutzung des gesamten TI-Systems zu definieren – hat wie angekündigt die ersten Versionen dieser Spezifikationen vorgelegt, damit diese die betroffenen Akteure (Ärzte, Apotheker und Versandhändler) schon mal kommentieren und Verbesserungsvorschläge einreichen können. Mein liebes Tagebuch, und so langsam sieht man klarer, wie sich die Gematik die Verordnung beim Arzt, die Belieferung durch die Apotheke und die Bearbeitung und den Umgang mit der Verordnung durch den Patienten vorstellt. Und bei aller Klarheit – da ist noch vieles im Trüben und noch nicht zu Ende gedacht. Zunächst, mein liebes Tagebuch, um mitreden zu können, sollten wir uns ein paar abstrakte Fachbegriffe aneignen: Mit „Frontend“ wird die App bezeichnet, die der Patient auf seinem „technischen Endgerät“ (sprich Smartphone) benötigt, um seine vom Arzt übermittelten E-Rezepte zu verwalten. Auf der Frontend-App kann der Patient sein E-Rezept lesen, also im Klartext einsehen, und er kann es in ein „Token“ umwandeln: Das ist ein Code, den der Versicherte dann beim Einlösen des E-Rezepts an seine gewünschte Apotheke weiterleitet. Der Patient kann das Rezept aber auch löschen und nicht einlösen. Abgelegt ist das E-Rezept auf einem „E-Rezept-Fachdienst“ – das ist ein zentraler Server, an den der Arzt die E-Verordnungen übermittelt und von dem die Apotheke die E-Verordnung mit Hilfe des vom Versicherten erzeugten Tokens herunterladen kann. Aber das ist noch nicht alles: Neben dem Fachdienst-Server soll es zwei weitere, unabhängig davon agierende Server geben, nämlich den “Identity Provider“ und den „Verzeichnisdienst“. Der Identity Provider ist ein Dienst, der die Identität der teilnehmenden Akteure authentifiziert und für den Zugriff auf die einzelnen Bausteine autorisiert. Und der Verzeichnisdienst ist eine Art Datenbank aller an der Telematikinfrastrukur (TI) teilnehmenden Ärzte und Apotheker – so wissen die Versicherten, wer offiziell an diesem System teilnimmt, um beispielsweise eine Apotheke zur Rezeptübermittlung auszuwählen. Schwitz, mein liebes Tagebuch, hört sich recht kompliziert an, wird sich in der Praxis aber sicher einfach darstellen lassen. Was mittlerweile auch klar ist: Die Frontend-App, also die One-and-only-App fürs E-Rezept, mit der der Versicherte sein E-Rezept empfängt und verwaltet, kommt nicht vom Deutschen Apothekerverband oder irgendwelchen anderen Anbietern, sondern von der Gematik – diskriminierungsfrei, werbefrei und unabhängig. So, und wenn dem Versicherten diese Gematik-Frontend-App nicht ausreicht, der kann dann sein E-Rezept von dieser App aus an seine Lieblings-App weiterleiten. Das heißt, der Versicherte kann seinen E-Rezept-Code (Token) weiterleiten („teilen“) mit einem „Vertreter“ seiner Wahl. Das heißt, er kann seinen Token per Mail oder Messenger-Dienst (WhatsApp? Facebook? Datenschutz!) an eine andere Person weiterleiten, die ihm sein Rezept besorgt, wenn er selbst nicht in die Apotheke gehen kann. Oder der Versicherte leitet sein E-Rezept so an einen Versandhändler weiter. Mein liebes Tagebuch, so oder ähnlich hatten wir uns das schon gedacht. Aber die Spezifikationen der Gematik beinhalten noch weitere Ideen, u. a.  ein besonderes Schmankerl: Über die Frontend-App könnte für den Versicherten beispielsweise eine „Verfügbarkeitsabfrage der Verordnung in einem Warenwirtschaftssystem“ möglich sein – ups, mein liebes Tagebuch, soll das bedeuten, dass der Versicherte in unser Warenwirtschaftssystem glotzen darf, ob wir sein Arzneimittel auch am Lager haben? Klar, so könnte sich das die Gematik wohl vorstellen, immerhin sind im Online-Handel Verfügbarkeitshinweise gang und gäbe, Angaben wie z. B. „nur noch drei an Lager“ sind da bei Amazon und anderen üblich. Nur, bei Arzneimitteln ist das nicht so einfach wie bei der Bestellung einer Hose oder von einem Paar Schuhe. Außerdem erschweren die Rabattverträge die eindeutige Zuordnung einer Verordnung zu einem ganz bestimmten Produkt. Und letztlich kann die Apotheke ein Arzneimittel in vielen Fällen rasch vom Großhandel besorgen, so dass das Präparat in der Apotheke vorhanden ist, wenn es der Versicherte in der Apotheke abholt, wenn er es per Botendienst zugestellt bekommt oder wenn es die Apotheke per Versand liefert. Die App müsste also das Warenwirtschaftssystem der Apotheken und die Rabattverträge kennen, außerdem das Warenlager der beteiligten Großhändler und dies dann alles zu einer aussagefähigen Anzeige matchen. Mein liebes Tagebuch, fraglich, ob diese Idee verwirklicht wird. Und: Wollen wir das?



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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13 Kommentare

Noch was

von Karl Friedrich Müller am 24.05.2020 um 15:37 Uhr

Was eigentlich soll am E-Rezept einfach sein?
Wenn ich lese, was da alles gemacht werden soll. Schon die Vorbereitungen sind monströs und dann noch das Einlösen....
Digitalisierung ist ein undurchsichtiges Monster und keineswegs einfach. Teuer ist es auch noch
Wahnsinn.
Ein Rezept auf Papier.
Das Ist der einfache Scheiss.
Meine Güte. Ich fasse es nicht.

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AW: Auch noch was

von Bernd Jas am 24.05.2020 um 18:22 Uhr

Herr Müller,
Sie haben mal wieder völlig recht.
Ich find es auch einfach Sch... an seinem eigenen Niedergang mit zu basteln.
Aber so ist das halt wenn man Denken lässt und es selbst lässt.

Danke übrigens für Ihre Unterstützung letzte Woche.
Es ist Wurst wer die Nachricht verbreitet (seriös oder unseriös), sie bleibt gleich. Siehe BILD.

Ihr Quer- und Knötterkopp.

AW: Noch was ... völlig nebensächliches ... der persönliche Kontakt ... und das Gespräch ... und ...

von Christian Timme am 24.05.2020 um 22:18 Uhr

Dieses kleine e- wird unsere Welt nicht aus den Angeln heben ... weil es nur in eine Richtung funktioniert. Wer schon mal eine Einbahnstraße bis zum spürbaren Mauerkontakt ... mit diesem erhebenden Gefühl des "sicht- und fühlbaren Erfolges" genossen hat, der wird nach dieser Corona-Isolationshaft gerne eine Apotheke mit "richtigen sprechenden Menschen" aufsuchen und es genießen ... und nutzen um von einem "guten Bekannten aus der Apotheke" mit seinen Arzneimitteln versorgt zu werden. Diesen Prozess positiv zu gestalten ist die Antwort der Apotheke vor Ort auf den Massen-Versand von irgendwo her ... ist das so schwer zu begreifen?.

DAZ 21

von Karl Friedrich Müller am 24.05.2020 um 15:28 Uhr

Dr. Edalat, die gläserne Apotheke:
Über Pro AvO
„.. heißt konkret, dass zukünftig Preisvergleiche (OTC und Freiwahl) sowie Verfügbarkeitssbfragen aller Apothekenprodukte ... für Kunden möglich sein müssen.
Ein SERVICE .....“
WER will das? Ich soll auch noch meine Preisgestaltung preis geben?
Vollkommen Gaga? Das ist der Weg in den Ruin. Es reicht schon, mit dem Versand konkurrieren zu müssen, nun soll praktisch für jeden Artikel ein Preisdruck aufgebaut werden!!!
Wir brauchen den noch verbliebenen Gewinn!
Sind alle verrückt geworden? Wir haben nichts, aber auch gar nichts mehr zu verschenken.
Die App wäre der Untergang von noch einmal ein paar tausend kleinerer Apotheken und der flächendeckenden Versorgung.

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@Frau Peter

von Conny am 24.05.2020 um 15:00 Uhr

Wie Süß !

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Im Digitalisierungsrausch ...

von Reinhard Herzog am 24.05.2020 um 11:12 Uhr

Wenn erst einmal die erste menschengemachte, wirklich bösartige "digitale Corona-Pandemie" über die Länder und IT-Strukturen der Welt hinweggezogen sein wird, dann werden wir uns nur erstaunt an den vergleichsweise sanften Tuschepinsel der Natur namens SARS-CoV-2 erinnern, trotz all seiner Gefahren ...

Bei aller Begeisterung und Anerkennung für die IT: Was wir hier tun, diese immer weiter gehende, in erster Linie kapitalmarktgetriebene Abhängigmachung lebenswichtiger Belange von derart vulnerablen und hochkomplexen Strukturen, ist an Idiotie und Leichtsinn kaum zu übertreffen.

Da wird man am Tag X noch viel dümmer und unvorbereiteter aus der Wäsche schauen als jüngst bei Corona, mit weitaus ernsteren Konsequenzen.

Dass andere Länder ja so viel weiter sind und gute Erfahrungen gemacht haben, hilft an dieser Stelle nicht weiter. Denn alle haben den digitalen Pandemie-Lackmustest noch nicht bestanden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Im Digitalisierungsrausch ... der im Digitalisierungscrash endet ...

von Christian Timme am 24.05.2020 um 13:27 Uhr

Ich stimme Ihnen voll zu ... wenn das eigene Unvermögen erst einmal über Programmstrukturen Einzug in unsere digitalen Führungs- und Leitstrukturen gefunden hat ... gilt unwiderruflich "input ist output" ... und damit das digital beförderte Ende ...

Blick ins Warenlager von Apotheke und Großhandel

von Andreas Grünebaum am 24.05.2020 um 11:00 Uhr

"Die App müsste also das Warenwirtschaftssystem der Apotheken und die Rabattverträge kennen, außerdem das Warenlager der beteiligten Großhändler und dies dann alles zu einer aussagefähigen Anzeige matchen."
Funktioniert in unseren Apotheken über den Webshop unter Nutzung der Mauve Schnittstelle: Verfügbarkeit in der Apotheke, Verfügbarkeit mit Zeitpunkt der Lieferung über den Großhandel (zwei Großhändler aktiv). Was noch fehlt ist die Abfrage der Rabattpartner. Das wird anspruchsvoll, aber warum sollte es nicht möglich sein, wenn auch die Warenwirtschaftssysteme dies bei vertretbarem Aufwand leisten können? Das dabei die komplette Bandbreite der Austauschmöglichkeiten ohne Interaktion mit dem Apotheker vor Ort genutzt werden könnte, wage ich jedoch zu bezweifeln.

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Der Patient glotzt?

von Ulrich Ströh am 24.05.2020 um 9:16 Uhr

Lieber Herr Ditzel,
der Patient -glotzt - in unser Warenlager...?

Schöne Formulierung in Ihrem heutigen Tagebuch.

Einfach mal aus dem Blickwinkel des Patienten sehen.
Der Patient will zukünftig nur bequem und schnell an seine verordneten Medikamente kommen.
Der Kunde entscheidet zukünftig kurzfristig, wer liefert.

Schauen Sie mal nach Skandinavien :
Da klappt die Versorgung über die E- Verordnung seit längerem.
Mit Präsenzapotheken.

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AW: Der Patient glotzt

von Karl Friedrich Müller am 24.05.2020 um 9:31 Uhr

Der Kunde weiß trotzdem nicht, ob wir liefern können oder könnten. Er kann das gar nicht beurteilen. Weil er die vielen Lieferauflagen nicht kennt und auch nicht abwägen kann. Dazu kommt, dass auch ein nicht vorrätiger Artikel in kurzer Zeit beschafft werden kann, wenn es keine Engpass gibt. Der Blick ins Warenlager hat überhaupt keine Aussagekraft.
Also kann man es auch lassen.
Es muss dann halt nach der Übermittlung eine Antwort der Apotheke kommen, ob und wann das AM verfügbar ist. Und es muss die Möglichkeit geschaffen sein, dass der Kinde das Rezept dann in einer anderen Apotheke einlösen kann.
(Nicht wie bisher. Ups, schon bedruckt und den Kunden damit erpressen..)

AW: Der Patient glotzt

von Conny am 24.05.2020 um 9:56 Uhr

Bei uns braucht der Patient nicht auf die Zukunft zu warten. Er bekommt heute schon im Mai 2020 seine Medikamente schnell und bequem.

AW: Der Patient glotzt

von Anita Peter am 24.05.2020 um 14:03 Uhr

"Der Kunde entscheidet zukünftig kurzfristig, wer liefert."

Auch schon mit der Heilberuflichkeit abgeschlosssen? Eigentlich sollte die "Lieferung" der kleinste Teil des Vorgangs der Abgabe von AMs sein.

Spahns EU-Gematik ... eindeutige Positionierung gegen die Vor-Ort-Apotheke und Priorisierung des Versandes ...

von Christian Timme am 24.05.2020 um 8:54 Uhr

Das Ausführung der Frontend-App für den Anwender und Patienten könnte nicht negativer für die Apotheke ausfallen ... über die freie Token-Weiterleitung und den Abruf der Verfügbarkeitshinweise hat der 51%-Bundesminister für Auslandsgesundheit endlich die Hosen fallen lassen. Zu eindeutig ist der implementierte "Klick mich zum Vorteilsversender" Button für unseren bereits "ferngesteuerten Kassenpatienten" ... von den offensichtlichen weiteren "politischen Steuerungsfunktionen" und "Zuwendungsmechanismen" ins eigene Revier ... ganz zu schweigen ...

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