Mutterschutzgesetz

Schwangere Arbeitnehmerinnen in Zeiten von Corona

Stuttgart - 13.05.2020, 16:29 Uhr

Was gilt für schwangere Apothekenmitarbeiterinnen während der Coronakrise? ( r / Foto: imago images / Westend61)

Was gilt für schwangere Apothekenmitarbeiterinnen während der Coronakrise? ( r / Foto: imago images / Westend61)


Das Mutterschutzgesetz regelt, dass Arbeitgeber schwangere und stillende Mitarbeiterinnen keine Tätigkeiten ausüben lassen und keinen Arbeitsbedingungen aussetzen dürfen, die für die Frau oder für das Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellen. Was bedeutet das im Rahmen der aktuellen Corona-Pandemie?

Seit Februar ist das Coronavirus nach § 3 Abs. 1 Biostoffverordnung (BioStoffV) durch den Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) vorläufig in die Risikogruppe 3 eingestuft. Der ABAS berät das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in allen Fragen des Arbeitsschutzes zu biologischen Arbeitsstoffen.

Durch diese Einstufung liegt die Verantwortung nun beim Apothekenleiter, eine Entscheidung über ein Beschäftigungsverbot für Schwangere, Stillende und Jugendliche in seinem Betrieb zu treffen. Dies geschieht auf Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung (s. DAZ 2020, Nr. 16, S. 26). Denn das Mutterschutzgesetz regelt, dass Arbeitgeber schwangere und stillende Mitarbeiterinnen keine Tätigkeiten ausüben lassen und keinen Arbeitsbedingungen aussetzen dürfen, die für die Frau oder für das Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellen. Und dazu gehört der Kontakt mit Biostoffen der Risikogruppen 2, 3 oder 4 (§ 11 Abs. 2 und § 12 Abs. 2 MuSchG).

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Arbeitsrechtliche Fragen rund um Beschäftigungsverbote und Schutzmaßnahmen

Nicht nur in der Krise relevant

Die Regelungen im MuSchG sowie die Beurteilung der Gefahren und der Gefährdung von Mitarbeitern am Arbeitsplatz sowie die Einleitung möglicher Konsequenzen haben natürlich auch unabhängig der aktuellen Corona-Pandemie ihre Relevanz – gerade beim Umgang mit gefährlichen Stoffen, wie in den Labors und Rezepturen von Apotheken. Infolge der Pandemie und der vorläufigen Einordnung des Coronavirus als Biostoff in Risikogruppe 3 hat das Gefahrenpotenzial jedoch eine andere Dimension erhalten und weitet sich auch auf andere Bereiche der Apo­theke aus, weil die Infektionsgefahr schon beim Kontakt mit Kunden und Kollegen besteht. Doch sind damit Schwangere und Stillende per se von einer Beschäftigung in den Apotheken ausgeschlossen?

Schwangere ins Backoffice?

Ein Blick in die aktuellen Empfehlungen der Bundesapothekerkammer (BAK) zu den Tätigkeiten in der Apotheke während einer Pandemie (Stand 8.4.2020) zeigt zunächst die Ausgangssituation auf: Nach Auffassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) scheint eine Infektion mit Coronaviren oder eine daraus resultierende COVID-19-Erkrankung bei Schwangeren kein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf hervorzurufen als bei der übrigen Bevölkerung. Auf Grundlage von Daten aus China gebe es bislang keine Hinweise darauf, dass COVID-19 auf das Kind im Mutterleib übertragbar ist. Dagegen sei eine Übertragung auf das Neugeborene über den engen Kontakt und eine Tröpfcheninfektion möglich. In der Muttermilch wurden bislang keine Coronaviren nachgewiesen. Eine abschließende Beantwortung sei aber auf Grundlage der aktuellen Datenlage nicht möglich, so die BAK. Die Entscheidung über Beschäftigungsverbote und Schutzmaßnahmen für Schwangere oder Stillende liege somit beim Arbeitgeber nach Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung und sollte unter Berücksichtigung des (Betriebs-)Arztes getroffen werden.

Arbeitsmedizinische Einschätzung zur Beschäftigung schwangerer Frauen des Landesinstituts für Arbeitsgestaltung NRW

  • Wie hoch ist die Anzahl von COVID-19-Infizierten in der konkreten Region?
  • Kann ein Mindestabstand von 1,5 m zu anderen Personen sicher eingehalten werden?
  • Besteht ein Kontakt zu ständig wechselnden Personen/Patienten/ Publikum in hoher Zahl?
  • Ist ein Gesichtskontakt im Rahmen z. B. eines persönlichen Gesprächs (z. B. „face to face“-Patientengespräch) unvermeidbar und dauert länger als 15 Minuten?
  • Wie sind die Raum- und Lüftungsverhältnisse am Arbeitsplatz?
  • Besteht Umgang mit an den Atem­wegen erkrankten oder krankheitsverdächtigen Personen? Werden Tätigkeiten durchgeführt, die mit einer erhöhten Aerosolbildung einhergehen?

Das Dokument können Sie auf DAZ.online abrufen, wenn Sie in das Suchfeld den Webcode F6SM5 eingeben.

Die Bayerische Landesapotheker­kammer (BLAK) zitiert auf ihrer Homepage ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Familie und Arbeit. Darin wird für Schwangere und Stillende die Gewährleistung eines erhöhten Schutzniveaus (am Arbeitsplatz) empfohlen, das sich in einer Minimierung von Per­sonenkontakten und Vermeidung von Infektionen durch Patienten äußert. Die Weiterbeschäftigung einer Schwangeren wäre demnach nur im hinteren Bereich der Apotheke möglich – im besten Fall nur noch im Rahmen einer Home-Office-Tätigkeit.

Zu beachten ist, dass sich das Schreiben und die Empfehlungen des Staatsministeriums auf den Zeitraum der Ausgangsbeschränkungen beziehen.

Beschäftigungsverbot durch Arzt oder Arbeitgeber

Nach § 16 MuSchG knüpft ein Beschäftigungsverbot, das der Arzt ausspricht, nicht an die betrieblichen Umstände, sondern stets an den individuellen und aktuellen Gesundheitszustand des Arbeitnehmers an. Dazu zählen besondere, individuelle Risiken wie das Vorliegen einer Schwangerschaft oder Vorerkrankungen, die sich aufgrund der Gefährdungslage bei fortgesetzter Beschäftigung verschlechtern können, ohne dass eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

Im Fall der schwangeren Arbeitnehmerin muss es sich um eine spezi­fische, die Gesundheit von Frau oder Kind bedrohende Lage handeln (unter Einbeziehung der individuellen Risiken der Schwangeren). Dazu kann auch die psychische Belastung zählen. Sowohl die WHO (s. BAK-Empfehlung) als auch das Robert Koch-Institut (RKI) sehen in der Corona-Pandemie keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Schwangere (Stand: 5.5.2020).

Kann der Arbeitgeber vorübergehend nicht die erforderlichen Schutzmaßnahmen umsetzen, besteht bis zur Umsetzung ein vorläufiges Beschäf­tigungsverbot (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG). Falls Streit darüber besteht, ob die erforderlichen Schutzmaßnahmen umgesetzt sind, kann dies über die zuständige Aufsichtsbehörde (meistens Gesundheitsämter) geklärt werden. Liegen die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbots vor, ist es nicht möglich, sich darüber hinwegzusetzen – weder einseitig noch einvernehmlich. Die einzige Ausnahme besteht in der Phase des Mutter­schutzes vor der Entbindung (§ 3 I MuSchG). Wird das Beschäftigungsverbot nicht eingehalten, handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Bei Vorsatz und einer konkreten Gesundheitsgefährdung der Frau bzw. des Kindes kann dies sogar als Straftat bewertet werden. Das vorläufige betriebliche Beschäftigungsverbot endet mit der Umsetzung der erforderlichen Schutzmaßnahme im Betrieb. Ansonsten endet ein Beschäftigungsverbot mit Eintritt in die Phase des Mutterschutzes.

Beschäftigungsverbot für Stillende nicht begründet

Ausgehend von den aktuellen Daten des RKI gibt es keine Hinweise auf Übertragung von Coronaviren über die Muttermilch an Neugeborene. Damit kann also ein Beschäftigungsverbot für Stillende nicht begründet werden. Beim Stillen in Betriebs­räumen sollte jedoch ein geeigneter, zugänglicher Raum ohne erhöhtes Infektionsrisiko der Mitarbeiterin zur Verfügung gestellt werden.

Vergütung während des Beschäftigungsverbotes

In der Phase von Beschäftigungsverboten beziehen schwangere Arbeit­nehmerinnen den sogenannten Mutterschutzlohn. Dieser ist nicht zu verwechseln mit dem Mutterschaftsgeld und dem Zuschuss zum Mutterschaftsgeld während der Schutzfristen nach § 3 MuSchG. Die Höhe des Mutterschutzlohnes orientiert sich am durchschnittlichen Arbeitsentgelt der letzten drei Kalendermonate vor Eintritt der Schwangerschaft (§ 18 MuSchG). Das gilt auch für geringfügig Beschäftigte. Den Mutterschutzlohn hat der Arbeitgeber zu bezahlen. Ihm steht jedoch ein Erstattungsanspruch zu. Das Erstattungsverfahren durch die Krankenkassen ist im Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) geregelt und gilt für alle Arbeitgeber, unabhängig von der Unternehmensgröße. Die Höhe der Erstattung (§ 1 Abs. 2 AAG) richtet sich nach dem gezahlten Arbeitsentgelt (Mutterschutzlohn), den Arbeit­geberanteilen der Sozialversicherungsbeiträge sowie dem Zuschuss des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld.

Hat sich die Arbeitnehmerin in den letzten drei Kalendermonaten vor Eintritt der Schwangerschaft in Kurzarbeit befunden, sind entsprechende Kürzungen des Mutterschutzlohnes nicht vorgesehen. Das heißt, die Arbeitnehmerin erhält einen Mutterschutzlohn, der sich an der Höhe des vollen Arbeitsentgelts in den drei Monaten vor Eintritt der Schwangerschaft orientiert (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 MuSchG).

Das „Pandemie Spezial“ in der DAZ

Schon in der DAZ 10/2020 war ein „DAZ-Spezial COVID-19“ als gesonderte Rubrik zum Thema Coronavirus erschienen. Seit der DAZ 12/2020 können Sie in einem „Pandemie Spezial“ das Geschehen rund um das neuartige Coronavirus verfolgen. Dort finden Sie viele Hintergrundberichte. 

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Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Beschäftigungsverbot

von Jessica am 15.05.2020 um 10:08 Uhr

Hallo, würde das auch für stillende Krankenschwestern zutreffen? Ich arbeite auf einer internistischen IMC und stille mein Kind, welches gerade ein Kleinkind geworden ist noch.
Die Gefährdungseinschätzung bei meinem Arbeitgeber war ein Witz. Mir wurde mehr oder weniger gesagt das alles nur für Schwangere relevant ist. Danke für Antworten.

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Kontakt mit Biostoffen nRG 2,3 oder 4?

von Andreas Grünebaum am 13.05.2020 um 19:00 Uhr

"Und dazu gehört der Kontakt mit Biostoffen der Risikogruppen 2, 3 oder 4 (§ 11 Abs. 2 und § 12 Abs. 2 MuSchG)."
Es ist geradezu absurd, diesen Paragraphen des MuSchG auf die Arbeit in einer Apotheke anzuwenden, es sei denn diese würde im Labor mit solchen Stoffen hantieren. Das Risiko für eine HV- oder auch Backoffice Kraft, sich in der Apotheke mit zum Beispiel Röteln (!) anzustecken, dürfte ebenso wie eine möglich Ansteckung mit SARS-CoV2 mit dem Risiko anderer Berufsgruppen mit Kundenkontakt vergleichbar sein. Auch das Lebensrisiko, sich beim Einkaufen, in Bus und Bahn, sowie auch durch den eigenen Ehepartner oder Lebensgefährten an einer potentiell gefährlichen Krankheit anzustecken besteht für Schwangere selbstverständlich auch. Die Frauenärzte der bei uns beschäftigten und betroffenen Frauen sahen und sehen bis heute keinen Grund für ein Beschäftigungsverbot. Ebenso die zuständige Aufsichtsbehörde hatte keine Einwände nach vorschriftsmäßiger Meldung der betroffenen Fälle. Davon abgesehen erfüllen wir - wie alle Apotheken - am Arbeitsplatz die vorgeschriebenen arbeitsplatzbezogenen Vorgaben im Zuge der Covid19 Pandemie und reagieren jederzeit flexibel auf geänderte Randbedingungen wie es z.B. bei einem endemischen "Outbreak" im nähren Umkreis der Apotheke oder auch der Infektion eines Teammitgliedes erforderlich sein könnte.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Kontakt mit Biostoffen nRG 2,3 oder 4

von Sandra Knopp am 22.05.2020 um 15:00 Uhr

https://rp.baden-wuerttemberg.de/Themen/Wirtschaft/Documents/Corona_Info_schwangere_Frauen.pdf

AW: @Sandrea Knopp

von Andreas Grünebaum am 22.05.2020 um 18:50 Uhr

Vielen Dank für den Link. Inzwischen hat auch unsere Aufsichtsbehörde ihre Einschätzung angepasst (Nicht Verabreichung möglicherweise notwendiger Arzneimittel bei Covid19 aufgrund der Schwangerschaft). Unser Fachanwalt warnte davor, dass ohne ärztliche Stellungnahme eine Kostenübernahme über das U2 Verfahren fraglich sein könnte. Wir haben dennoch an die beiden betroffenen Frauen vorsorglich ein betriebliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen. Dies hätten ihre Ärzte schon längst tun können, haben sie aber aus unerfindlichen Gründen nicht getan. Der Betriebsarzt hat ebenfalls abgewunken: Risikobewertung ist Sache des Unternehmers und wir richten uns nach den Angaben des Arbeitsschutzes. Mal schauen was die Krankenkassen sagen werden.
Was die beiden Frauen angeht, wünschen wir ihnen dass sie gesund bleiben und sich nicht Zuhause oder beim Einkauf anstecken lassen.

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