Mutterschutzgesetz

Schwangere Arbeitnehmerinnen in Zeiten von Corona

Stuttgart - 13.05.2020, 16:29 Uhr

Was gilt für schwangere Apothekenmitarbeiterinnen während der Coronakrise? ( r / Foto: imago images / Westend61)

Was gilt für schwangere Apothekenmitarbeiterinnen während der Coronakrise? ( r / Foto: imago images / Westend61)


Beschäftigungsverbot durch Arzt oder Arbeitgeber

Nach § 16 MuSchG knüpft ein Beschäftigungsverbot, das der Arzt ausspricht, nicht an die betrieblichen Umstände, sondern stets an den individuellen und aktuellen Gesundheitszustand des Arbeitnehmers an. Dazu zählen besondere, individuelle Risiken wie das Vorliegen einer Schwangerschaft oder Vorerkrankungen, die sich aufgrund der Gefährdungslage bei fortgesetzter Beschäftigung verschlechtern können, ohne dass eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

Im Fall der schwangeren Arbeitnehmerin muss es sich um eine spezi­fische, die Gesundheit von Frau oder Kind bedrohende Lage handeln (unter Einbeziehung der individuellen Risiken der Schwangeren). Dazu kann auch die psychische Belastung zählen. Sowohl die WHO (s. BAK-Empfehlung) als auch das Robert Koch-Institut (RKI) sehen in der Corona-Pandemie keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Schwangere (Stand: 5.5.2020).

Kann der Arbeitgeber vorübergehend nicht die erforderlichen Schutzmaßnahmen umsetzen, besteht bis zur Umsetzung ein vorläufiges Beschäf­tigungsverbot (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG). Falls Streit darüber besteht, ob die erforderlichen Schutzmaßnahmen umgesetzt sind, kann dies über die zuständige Aufsichtsbehörde (meistens Gesundheitsämter) geklärt werden. Liegen die Voraussetzungen für ein Beschäftigungsverbots vor, ist es nicht möglich, sich darüber hinwegzusetzen – weder einseitig noch einvernehmlich. Die einzige Ausnahme besteht in der Phase des Mutter­schutzes vor der Entbindung (§ 3 I MuSchG). Wird das Beschäftigungsverbot nicht eingehalten, handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Bei Vorsatz und einer konkreten Gesundheitsgefährdung der Frau bzw. des Kindes kann dies sogar als Straftat bewertet werden. Das vorläufige betriebliche Beschäftigungsverbot endet mit der Umsetzung der erforderlichen Schutzmaßnahme im Betrieb. Ansonsten endet ein Beschäftigungsverbot mit Eintritt in die Phase des Mutterschutzes.

Beschäftigungsverbot für Stillende nicht begründet

Ausgehend von den aktuellen Daten des RKI gibt es keine Hinweise auf Übertragung von Coronaviren über die Muttermilch an Neugeborene. Damit kann also ein Beschäftigungsverbot für Stillende nicht begründet werden. Beim Stillen in Betriebs­räumen sollte jedoch ein geeigneter, zugänglicher Raum ohne erhöhtes Infektionsrisiko der Mitarbeiterin zur Verfügung gestellt werden.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Beschäftigungsverbot

von Jessica am 15.05.2020 um 10:08 Uhr

Hallo, würde das auch für stillende Krankenschwestern zutreffen? Ich arbeite auf einer internistischen IMC und stille mein Kind, welches gerade ein Kleinkind geworden ist noch.
Die Gefährdungseinschätzung bei meinem Arbeitgeber war ein Witz. Mir wurde mehr oder weniger gesagt das alles nur für Schwangere relevant ist. Danke für Antworten.

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Kontakt mit Biostoffen nRG 2,3 oder 4?

von Andreas Grünebaum am 13.05.2020 um 19:00 Uhr

"Und dazu gehört der Kontakt mit Biostoffen der Risikogruppen 2, 3 oder 4 (§ 11 Abs. 2 und § 12 Abs. 2 MuSchG)."
Es ist geradezu absurd, diesen Paragraphen des MuSchG auf die Arbeit in einer Apotheke anzuwenden, es sei denn diese würde im Labor mit solchen Stoffen hantieren. Das Risiko für eine HV- oder auch Backoffice Kraft, sich in der Apotheke mit zum Beispiel Röteln (!) anzustecken, dürfte ebenso wie eine möglich Ansteckung mit SARS-CoV2 mit dem Risiko anderer Berufsgruppen mit Kundenkontakt vergleichbar sein. Auch das Lebensrisiko, sich beim Einkaufen, in Bus und Bahn, sowie auch durch den eigenen Ehepartner oder Lebensgefährten an einer potentiell gefährlichen Krankheit anzustecken besteht für Schwangere selbstverständlich auch. Die Frauenärzte der bei uns beschäftigten und betroffenen Frauen sahen und sehen bis heute keinen Grund für ein Beschäftigungsverbot. Ebenso die zuständige Aufsichtsbehörde hatte keine Einwände nach vorschriftsmäßiger Meldung der betroffenen Fälle. Davon abgesehen erfüllen wir - wie alle Apotheken - am Arbeitsplatz die vorgeschriebenen arbeitsplatzbezogenen Vorgaben im Zuge der Covid19 Pandemie und reagieren jederzeit flexibel auf geänderte Randbedingungen wie es z.B. bei einem endemischen "Outbreak" im nähren Umkreis der Apotheke oder auch der Infektion eines Teammitgliedes erforderlich sein könnte.

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AW: Kontakt mit Biostoffen nRG 2,3 oder 4

von Sandra Knopp am 22.05.2020 um 15:00 Uhr

https://rp.baden-wuerttemberg.de/Themen/Wirtschaft/Documents/Corona_Info_schwangere_Frauen.pdf

AW: @Sandrea Knopp

von Andreas Grünebaum am 22.05.2020 um 18:50 Uhr

Vielen Dank für den Link. Inzwischen hat auch unsere Aufsichtsbehörde ihre Einschätzung angepasst (Nicht Verabreichung möglicherweise notwendiger Arzneimittel bei Covid19 aufgrund der Schwangerschaft). Unser Fachanwalt warnte davor, dass ohne ärztliche Stellungnahme eine Kostenübernahme über das U2 Verfahren fraglich sein könnte. Wir haben dennoch an die beiden betroffenen Frauen vorsorglich ein betriebliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen. Dies hätten ihre Ärzte schon längst tun können, haben sie aber aus unerfindlichen Gründen nicht getan. Der Betriebsarzt hat ebenfalls abgewunken: Risikobewertung ist Sache des Unternehmers und wir richten uns nach den Angaben des Arbeitsschutzes. Mal schauen was die Krankenkassen sagen werden.
Was die beiden Frauen angeht, wünschen wir ihnen dass sie gesund bleiben und sich nicht Zuhause oder beim Einkauf anstecken lassen.

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