DocMorris erneut vor dem EuGH

BGH hält nichts von Gewinnspiel-Anreizen bei der Apothekenwahl

Berlin - 05.05.2020, 11:30 Uhr

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg muss sich abermals mit DocMorris' Werbeaktivitäten in Deutschland befassen. ( r / Foto: G. Fessy)

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg muss sich abermals mit DocMorris' Werbeaktivitäten in Deutschland befassen. ( r / Foto: G. Fessy)


Unvernünftiger Verzicht auf die öffentliche Apotheke 

Jetzt liegen die Entscheidungsgründe dieses Beschlusses vor. Darin zeigt der BGH deutlich auf, dass er im vorliegenden Fall § 7 HWG anwenden möchte. Er kann das Urteil des Berufungsgerichts gänzlich nachvollziehen. Für die Karlsruher Richter ist klar: Wir haben es hier mit einer Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu tun, die „ohne weiteres produktbezogen“ ist – dies ist Voraussetzung, um das das Heilmittelwerbegesetz überhaupt anwenden zu können, bloße Imagewerbung ist dagegen nicht von dessen Vorschriften erfasst. Dem stünden auch die Regelungen der EU-Richtlinie 2001/83/EG, nicht entgegen. Durch diese Richtlinie, den sogenannten Humanarzneimittelkodex, wurde die Arzneimittelwerbung in der EU vollständig harmonisiert.

Gefahr unsachlicher Beeinflussung?

Der BGH stimmt dem Oberlandesgericht auch in der Einschätzung zu, dass es sich bei der eingeräumten Gewinnspielmöglichkeit um eine Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG handelt. Erfasst von diesem Begriff sei jede aus Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte Vergünstigung. Eine Ausnahme vom Zugabevebot, von denen § 7 HWG einige aufführt, sei ebenfalls nicht gegeben. Allerdings: Eine Werbegabe im Sinne der Norm liege nur dann vor, wenn ihr Anbieten, Ankündigen oder Gewähren zumindest die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten begründet. Und das ist nun der kritische Punkt. Das Oberlandesgericht nahm diese abstrakte Gefahr an: Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Patient, der ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel benötigt, sich entscheidet, sein Rezept bei DocMorris einzulösen. Und zwar ohne zu erwägen, dass es seinen persönlichen Bedürfnissen mehr entsprechen würde, das Arzneimittel bei einer stationären Apotheke zu erwerben. Es könne nämlich für den Kunden bedeutsam sein, auch bei Einlösung eines Rezepts unaufgefordert beraten zu werden, etwa im Hinblick auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Die vom Kunden zu treffende Entscheidung für eine stationäre Apotheke oder eine Versandapotheke sei daher für seine Gesundheit relevant, so das Berufungsgericht. Und eben diese Entscheidung sieht es durch das Gewinnspiel unsachlich beeinflusst.

BGH: Es spricht viel dafür!

Aber ist dies auch durch die Zwecke des Gemeinschaftskodex gedeckt? Diese spezielle Frage ist bislang nicht in Luxemburg beantwortet worden. „Nach Ansicht des Senats spricht vieles dafür, dass eine Werbung mit vom Zufall abhängigen Gewinnchancen beim Absatz verschreibungspflichtiger Arzneimittel als unsachliche Beeinflussung der angesprochenen potentiellen Kunden der Beklagten anzusehen und aus diesem Grund die in Rede stehende Werbung zu untersagen ist“, heißt es in der Vorlage des BGH an den EuGH.

Entschieden hat der EuGH bereits, dass eine Öffentlichkeitswerbung in Form von Auslosungen für ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel kaum hinnehmbar ist. Und zwar unter anderem mit Verweis auf einen Erwägungsgrund (45) des Richtlinie 2001/83/EG: Demnach ist eine übertriebene und unvernünftige Werbung, die sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken könnte, verboten. Bei solchen Verlosungen werde nämlich der unzweckmäßigen und übermäßigen Verwendung dieses (ausgelobten oder verschenkten) Arzneimittels Vorschub geleistet (Urteil des EuGH vom 8. November 2007 – Gintec).

Hier liegt der Fall jedoch anders: Es geht um kein konkretes Arzneimittel – und ein solches ist auch nicht ausgelobt. Dennoch findet der BGH: Der Patient wird durch die Gewinnaussichten verleitet, auf eine objektiv in seinem Interesse liegende Beratung in der stationären Apotheke zu verzichten – und das könne unvernünftig sein. Und so heißt es abschließend in seinem Beschluss: „Die Entscheidung des Patienten für den Bezug eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels bei einer in- oder ausländischen Versandapotheke statt bei einer stationären Apotheke, die eine objektiv benötigte Beratung leisten kann,  sollte nach Ansicht des Senats auf sachlichen Gründen beruhen und nicht durch aleatorische Reize beeinflusst werden“.

Wie der EuGH die Sache sieht, muss sich nun zeigen.

Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2020, Az.: I ZR 214/18



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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