Urteilsgründe des Bundesgerichtshofs

PKV-Kunden müssen ihre Versicherer nicht über Rx-Boni informieren

Berlin - 13.03.2020, 10:15 Uhr

Der Bundesgerichtshof hat über Rx-Boni von EU-Versendern an Privatversicherte geurteilt. (m / Foto: hfd)

Der Bundesgerichtshof hat über Rx-Boni von EU-Versendern an Privatversicherte geurteilt. (m / Foto: hfd)


Am 20. Februar hat der Bundesgerichtshof sein Urteil zum „Sofort-Bonus“ der einstigen Europa Apotheek – heute Shop Apotheke – gesprochen: Er entschied, dass der niederländische Versender Privatpatienten bei der Rezepteinlösung Rabatte bis zu 30 Euro gewähren darf und diese auch nicht quittieren muss. Nun liegen die Urteilsgründe vor.

Meist muss man etwas länger auf die Urteilsgründe des Bundesgerichtshofs warten – diesmal ging es schnell: Erst Ende Februar hatten die Karlsruher Richter ihr Urteil „Sofort-Bonus II“ verkündet – jetzt liegen die schriftlichen Gründe vor. In dem Verfahren ging es um die Frage, ob die mittlerweile in der Shop Apotheke aufgegangene Europa Apotheek gegenüber Privatpatienten mit einem „Sofort-Bonus“ von bis zu 30 Euro pro Rezept werben darf, der dem Kunden auf dessen Kundenkonto gutgeschrieben und bei einer späteren Bestellung mit dem Kaufpreis nicht rezeptpflichtiger Produkte verrechnet wird. Auch heute findet sich ein solches Angebot als „Rezept-Bonus“ noch bei der Shop Apotheke – für das erste eingereichte Rezept gibt es sogar nochmals 10 Euro oben drauf.

Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) hielt diesen Bonus für Privatversicherte für unzulässig – und zwar bewusst nicht wegen eines Verstoßes gegen das Arzneimittelpreisrecht. Schließlich hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Oktober 2016 entschieden, dass die deutschen Regelungen zur Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht im grenzüberschreitenden Arzneimittelversand nach Deutschland anwendbar sind.

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Die Kammer hielt die Werbung aber aus anderen Gründen für wettbewerbswidrig: Entweder vermerke die Versandapotheke den Bonus nicht auf ihren Quittungen – dann verletze sie ihre Pflicht zur unternehmerischen Sorgfalt, weil sie ihre Kunden dazu verleite, den Bonus nicht gegenüber ihrem privaten Krankenversicherer anzugeben. Die Folge: Dieser erstatte den vollen Rechnungsbetrag, obwohl er nur den um den Bonus geminderten Betrag zahlen müsste. Oder sie weise den Bonus zwar auf den Quittungen aus – dann wäre die Werbung aus Sicht der AKNR irreführend. Denn in diesem Fall würde der Versicherer den Bonus von der Erstattung abziehen und der Apothekenkunde hätte keinen Vorteil von der Einlösung eines Rezepts bei der Europa Apotheek, obwohl die Werbung das suggeriere.

Jedoch hielt schon das Oberlandesgericht Stuttgart diese Bonusvariante im Dezember 2018 für zulässig. Und der Bundesgerichtshof hat die Revision der Apothekerkammer gegen dieses Urteil zurückgewiesen, sodass es rechtskräftig geworden ist. In seinen Urteilsgründen führt der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs aus, dass die Vorinstanz zwar zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass ein möglicherweise begangener Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung nicht zu prüfen gewesen sei. Am Ende kommt diese vom Bundesgerichtshof nachgeholte Prüfung aber auf dasselbe heraus: Der AKNR steht weder ein Anspruch wegen eines Verstoßes gegen die Arzneimittelpreisbindung, noch wegen Verletzung der unternehmerischen Sorgfalt, noch auch wegen Irreführung der Verbraucher zu.

Unterschied zum unmittelbaren Preisnachlass

Was den etwaigen Verstoß gegen die Preisbindung betrifft, verweist der Senat auf das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung, wonach die Erstreckung der Arzneimittelpreisverordnung auf EU-Versender (§ 78 Abs. 1 Satz 4 AMG) nicht mit dem Europarecht vereinbar ist. Nicht zum ersten Mal betont er aber auch, dass es angesichts der Tatsache, dass die Beurteilung des EuGH auf ungenügenden Feststellungen des vorlegenden Gerichts beruhe, nicht ausgeschlossen sei, diese Feststellungen in einem anderen Verfahren nachzuholen. Es müsste darin erneut um die Frage der Vereinbarkeit des deutschen Arzneimittelpreisrechts mit dem EU-Primärrecht gehen. Und genau deshalb scheide zumindest im vorliegenden Fall ein solches neuerliches Vorabentscheidungsersuchen aus, erklärt der Bundesgerichtshof. Schließlich habe sich die klagende Kammer bewusst nicht auf einen Verstoß gegen die Preisvorschriften gestützt und entsprechend auch keine Tatsachen hierzu vorgetragen.

Allgemeine Versicherungsbedingungen nicht verletzt

Rechtsfehlerfrei waren laut Bundesgerichtshof jedoch die weiteren Ausführungen des Oberlandesgerichts: Wenn der Bonus nicht auf der Quittung für die private Krankenversicherung vermerkt ist, verstoße die entsprechende Werbung nicht gegen die unternehmerische Sorgfaltspflicht. Ein solcher Verstoß könne zwar grundsätzlich bejaht werden, wenn der Kunde durch die Annahme des Bonus von ihm zu wahrende „Drittinteressen“ – hier der Versicherung – beeinträchtigen würde. Doch der Senat führt ausführlich aus, dass den Privatversicherten keine Pflicht oder Obliegenheit trifft, gegenüber seinem Versicherer anzuzeigen, dass er für die Einlösung eines Rezepts einen Gutschein erhalten hat, den er bei einem späteren Erwerb eines rezeptfreien Produkts  einlösen kann. Das ergebe sich weder aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, noch aus vertraglichen Nebenpflichten oder sonstigen Rechtsgründen. Anders als bei einem wirklichen „Sofortrabatt“, also einem unmittelbaren Preisnachlass, sei es vorliegend so, dass der Kunde zunächst den vollen Preis für das Arzneimittel bezahle – und zwar exakt den, der auf dem Rezept steht, das er dann bei seiner Versicherung zur Erstattung einreicht. Der Vorteil realisiere sich erst später – wenn überhaupt –, wenn ein weiterer Kauf bei der Versandapotheke erfolge. Es muss also ein weiteres Rechtsgeschäft folgen.

Ebenso verneint der Bundesgerichtshof einen Anspruch wegen irreführender Werbung für den Fall, dass der Versender auf der dem Versicherer vorzulegenden Quittung den Betrag der Gutschrift für den Kauf eines nicht  verschreibungspflichtigen Arzneimittels offenlegt. Das Gericht sieht hier keine  Anhaltspunkte für ein unlauteres Verhalten des Versenders.

Die spannende Frage: Zieht Spahn Konsequenzen?

Damit muss auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn klar sein: Sein Plan, die Rx-Preisbindung künftig über das Sozialrecht nur für den GKV-Bereich festzuschreiben, kann keine umfassende Gleichpreisigkeit schaffen. Der PKV-Bereich bleibt ausgespart. Mögen auch unmittelbare Preisnachlässe, die dazu führen, dass privatversicherte Kunden eines Arzneimittelversenders nicht den vollen Preis für ein verschreibungspflichtiges Medikament zahlen, diesen aber in Gänze von ihrer Versicherung erstattet bekommen, unzulässig bleiben (was der Bundesgerichtshof noch zu entscheiden hat) – der vorliegende Fall zeigt, dass es Wege für die EU-Versender gibt, die Kunden anderweitig zu ködern. 

Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2020, Az.: I ZR 5/19



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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4 Kommentare

PKV Erstattung

von Bernd Küsgens am 13.03.2020 um 19:51 Uhr

Es hilft nur noch, einen PKV-Versicherten bzw. Beihilfeberechtigten bei der Staatsanwaltschaft wegen Betrugs anzuzeigen, am besten einen Richter.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Urteil

von Conny am 13.03.2020 um 11:00 Uhr

Immerhin dürfen wir bis Ende August den Lückenbüsser sein.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

!

von Anita Peter am 13.03.2020 um 10:17 Uhr

Damit ist das VOASG tot. RXVV jetzt!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: !

von Peter am 13.03.2020 um 11:10 Uhr

Naaa, ich schätze eher dass die PKV, wenn sie nicht ganz doof ist, einfach pauschalisieren wird. AMNOG bei uns war ja auch ein Gesetz auf Basis einer Pauschalunterstellung was die Rabatte anging. Sprich PKVler bestellt bei Frau Antje, PKV rechnet ab aber sieht anhand der IK: KÄSELAND, also kürzen wir den Erstattungsbetrag um die (unterstellten) Boni. So würde ich das zumindest machen. Andere Alternative wäre, dass man die Erstattung aufgrund des Urteils nur noch direkt mit dem Versender vornimmt. Das klingt jetzt zunächst bedrohlich, aber hätten die GKVler nicht den Anreiz mit dem Hollandversand Geld zu VERDIENEN, sprich man würde nur die Kasse weiter berreichern indem sich DIESE durch eine Bestellung dort dann die Boni in die Tasche steckt, wäre wohl der GKV Anteil nach Holland auch deutlich geringer. Es sei denn der Patient würde seiner notleidenenden Kasse helfen wollen, aber ob es solche Menschen gibt......:D

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