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445 fehlende Ergebnisse
Unikliniken halten Studienergebnisse zurück
Bereits seit 2018 ist bekannt, dass die Berichtspflicht für klinische Studien im EU-Register nur sehr lückenhaft erfüllt wird. Vor allem nicht-kommerzielle Sponsoren zeigten sich damals in einer Untersuchung im British Medical Journal nachlässig. Die Organisationen Buko Pharma-Kampagne und Transparimed haben nun speziell deutsche Universitätskliniken unter die Lupe genommen – diese schneiden im internationalen Vergleich besonders schlecht ab.
Seit 2004 müssen alle Arzneimittel-Studien nach EU-Recht in eine europäische Datenbank für klinische Studien (EudraCT) eingetragen werden. Einen begrenzten Zugang zu dieser Datenbank erhält auch die Öffentlichkeit über das Portal EU Clinical Trials Register (EUCTR). Nach einer Guideline aus dem Jahr 2012 müssen alle Sponsoren sicherstellen, dass die Ergebnisse ihrer Studien innerhalb eines Jahres nach Abschluss an die Datenbank übermittelt werden. Die Verpflichtung gilt allerdings erst seit dem 21. Juli 2014, nachdem die Datenbank IT-mäßig hierfür ausreichend präpariert worden war, wie DAZ.online berichtete.
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Schon 2018 hatte DAZ.online unter Berufung auf das BMJ (British Medical Journal) berichtet, dass nur für knapp die Hälfte der 7274 Studien im Register tatsächlich Ergebnisse vorlagen. Wobei kommerzielle Sponsoren (68 Prozent) wesentlich häufiger geliefert hatten als nichtkommerzielle (11 Prozent), wie Universitäten, Krankenhäuser, Regierungen und Wohltätigkeitsorganisationen. Um die Transparenz im EU Clinical Trials Register zu verbessern, haben die 2018 im BMJ berichtenden Forscher aus Oxford damals einen „EU-TrialsTracker“ entwickelt.
Nun berichtete die Deutsche Presse-Agentur vergangenen Montag, dass sich die Organisationen Buko Pharma-Kampagne und Transparimed angeschaut haben, inwieweit speziell deutsche Universitätskliniken die Resultate klinischer Studien in der EU-Datenbank EudraCT veröffentlichen. Das Ergebnis ist erneut ernüchternd: Von 477 klinischen Prüfungen, die veröffentlicht werden hätten müssen, seien lediglich bei 32 die Ergebnisse in der Datenbank EudraCT abrufbar. Zunächst hatten „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR darüber berichtet.
Experten warnten nun vor den Folgen für Patienten. Es könne „negative Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit“ haben, wenn klinische Prüfungen, die zu einem ungünstigen Ergebnis kommen, nicht veröffentlicht werden, schreibt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in einer Stellungnahme.
Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kritisierte, dass der Fachwelt und Patienten Erkenntnisse vorenthalten werden. Das habe „unmittelbar eine praktische Relevanz“, wird Windeler von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR zitiert. Insbesondere Zusammenfassungen der Ergebnisse von klinischen Prüfungen müssen rechtzeitig in EudraCT gespeichert sein, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben von EU-Kommission, den Leitern der Zulassungsbehörden in der EU (HMA) und der Europäischen Arzneimittel-Agentur vom Juni dieses Jahres.
Deutsche Universitäten weit hinter USA und Großbritannien
Laut NDR/WDR redeten sich auf Anfrage zahlreiche deutsche Universitäten damit heraus, die Veröffentlichung sei nicht verbindlich – tatsächlich könnte an dieser Auffassung eine uneinheitliche Kommunikation der Behörden schuld sein.
Außerdem verweisen viele Unis darauf, sie würden die Ergebnisse in der deutschen Datenbank pharmnet.bund hochladen. Doch diese nimmt international kaum ein Forscher zur Kenntnis, heißt es auf tagesschau.de.
Bei der Hochschulrektorenkonferenz stand am Montag auf Anfrage der dpa zunächst kein Ansprechpartner zur Verfügung. Der Verband der Universitätsklinika teilte auf Anfrage der dpa mit, er habe sich mit der Fragestellung bislang nicht beschäftigt.
Besonders ernüchternd ist das Ergebnis der Untersuchung im internationalen Vergleich: Mit einer durchschnittlichen Veröffentlichungsrate der Studienergebnisse von 6,7 Prozent fällt Deutschland gegenüber den Universitäten in Großbritannien (72,1 Prozent) und den USA (68,9 Prozent) weit zurück.
„Dieses Problem ist zu kostspielig, um es zu ignorieren. Die Regierung muss aufhören, öffentliche Gelder an Universitäten zu geben, die sich weigern, solche Forschungsverschwendung zu bekämpfen, und ein Gesetz verabschieden, das sicherstellt, dass jede einzelne klinische Studie registriert wird und ihre Ergebnisse schnell gemeldet werden“ wird der Gründer von Transparimed Till Bruckner in der Pressemitteilung zur Veröffentlichung der Untersuchung zitiert.
Eine positive Ausnahme: Das Universitätsklinikum Münster
Zumindest eine deutsche Universität fällt dann aber doch positiv auf: Münster. Allerdings wurden auch von dort nur 61 Prozent der fälligen Ergebnisse übermittelt. Auch Regensburg, Würzburg, Leipzig und Düsseldorf haben immerhin mindestens 20 Prozent ihrer Ergebnisse veröffentlicht.
Die Berliner Charité war schon 2018 im BMJ-Bericht negativ aufgefallen. In der aktuellen Veröffentlichung gehört sie aber zu den Universitäten, die immerhin überhaupt Ergebnisse veröffentlicht haben – magere 3 Prozent. Allerdings ist die Charité angesichts der großen Anzahl an Studien, die dort durchgeführt werden, auch die Universitätsklinik, die die meisten Ergebnisse schuldig bleibt. Heidelberg beispielsweise hat zwar der Untersuchung zufolge gar keine Ergebnisse veröffentlicht, dort stehen aber auch „nur“ 23 Studien aus – gegenüber 68 der Charité.
Gegenüber der Süddeutschen Zeitung verwiesen die Charité und die Kliniken der Universitäten in München und Freiburg bereits darauf, dass sie derzeit Strukturen etablieren, die sich der besseren Koordination klinischer Studien und ihrer Veröffentlichung widmen.
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