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Verordnungsentwurf
Österreich: Exportverbot und Meldepflichten gegen Lieferengpässe
Nun will auch Österreich mit einem Exportverbot von Arzneimitteln nachziehen, die durch Lieferengpässe betroffen sind. Daneben ist eine Meldepflicht geplant, und das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) soll dazu verpflichtet werden, die Liste der gemeldeten Arzneimittel zu veröffentlichen und diese à jour zu halten.
Erst gestern hat DAZ.online über den gescheiterten Versuch in Belgien berichtet, Exporte von Arzneimitteln zu verbieten, um die Auswirkungen von Lieferengpässen im Land abzufedern. Nun geht auch Österreich mit einem solchen Vorhaben „in den Ring“. Die Regierung hat hierzu einen Verordnungsentwurf auf den Weg gebracht. Er enthält die folgenden Maßnahmen:
- Einführung einer unverzüglichen Meldepflicht des Zulassungsinhabers bei Einschränkungen der Vertriebsfähigkeit eines verschreibungspflichtigen Präparates im Inland (voraussichtlich über zwei Wochen hinausgehende Nichtverfügbarkeit oder über voraussichtlich vier Wochen hinausgehende nicht ausreichende Verfügbarkeit).
- Bei der Meldepflicht soll lediglich auf verschreibungspflichtige Präparate abgestellt werden, da rezeptfreie nicht als versorgungskritisch erachtet werden und im Rahmen der Selbstmedikation ausreichend Versorgungsalternativen bestehen.
- Veröffentlichung aller gemeldeten Fertigarzneimittel auf der Homepage des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) und Aktualisierung der Liste beim Wegfall des Lieferengpasses.
- Verpflichtung des BASG zur Überprüfung und Veröffentlichung, wenn der Zulassungsinhaber seiner Meldeverpflichtung nicht (ausreichend) nachkommt oder wenn die Versorgung zur Deckung des Bedarfs der Patienten aus anderen Gründen nicht ausreicht.
- Einführung eines Exportverbots der vom BASG veröffentlichten Arzneimittel in eine andere Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraums.
Die Frist zur Stellungnahme zu dem Entwurf läuft bis zum 15. November 2019.
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Im Gegensatz zu den Belgiern will Österreich auch seine EU-Hausaufgaben machen und lässt die Verordnung durch ein europäisches Notifizierungsverfahren laufen. Damit erhalten die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, den Entwurf über eine dreimonatige „Stillhaltefrist“ zu prüfen und gegebenenfalls Stellung dazu zu nehmen. Die Österreicher gehen allerdings davon aus, dass der geplante Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit durch den zu gewährleistenden (überwiegenden) Gesundheitsschutz der Bevölkerung gerechtfertigt ist. Außerdem wird er als eine „verhältnismäßige und im öffentlichen Interesse stehende Maßnahme“ angesehen, um eine angemessene und kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten. Ob die EU-Kommission und die anderen Mitgliedstaaten das auch so sehen, darf mit Spannung abgewartet werden.
„Hunderte Medikamente“ nicht erhältlich
Am Freitag wurde in österreichischen Nachrichtenportalen wieder einmal ausführlich auf das Problem der Lieferengpässe im Alpenland eingegangen. Nach wie vor seien „Hunderte Medikamente“ nicht erhältlich, heißt es dort. Dabei handele es sich nicht nur um spezielle „High-Tech-Arznei“, sondern zum allergrößten Teil um „wirksame Uralt-Blutdruckmedikamente (zum Beispiel ein Betablocker), ebenfalls lang bewährte Cholesterinsenker, Cortisonsalben, Schmerzmittel et cetera. Die österreichischen vollsortierten Arzneimittel-Großhändler berichten, dass vor zwei Jahren noch 98 Prozent aller Apothekenbestellungen erfüllbar gewesen seien. Derzeit sollen es aufgrund von Liefereinschränkungen nur mehr 94 Prozent sein.
Kontingentierungen und Parallelexporte
Seit Monaten schieben sich die Marktbeteiligten gegenseitig den schwarzen Peter für die missliche Lage zu. Neben der zunehmenden Monopolisierung der Wirkstoffherstellung wird auch die sogenannte „Kontingentierung“ dafür verantwortlich gemacht. Hiernach erhalten die österreichischen Niederlassungen internationaler Pharmakonzerne nach der Markterwartung vorausberechnete und vorbestellte Mengen.
Die Pharmaindustrie kritisiert, dass für Österreich gedachte Arzneimittel durch Apotheker mit Großhandelskonzession und Pharmagroßhändler in Länder mit höheren Preisen exportiert würden. In Österreich besitzen neben den großen Fünf der Pharmagroßhändler (zum Beispiel Phoenix, Herba, Kwizda et cetera) etwa fünfzig Apotheker ebenfalls Großhandelskonzessionen. Einige Pharmaunternehmen hätten darauf reagiert, indem sie einzelne Produkte nur noch direkt und nicht mehr über den Pharmagroßhandel an die Apotheken auslieferten.
Großhandel und Apotheker weisen Vorwürfe zurück
Der Verband der österreichischen Arzneimittel-Vollgroßhändler PHAGO schießt dagegen: „Die PHAGO-Mitglieder haben einen klaren Grundsatz: Die Versorgung des österreichischen Marktes hat immer Vorrang gegenüber den Marktchancen in anderen Ländern,“ betont die Generalsekretärin des Verbandes Monika Vögele. Und auch die Apothekerschaft wehrt sich gegen solche Vorwürfe. Im Übrigen könnten die Apotheker mehr als 90 Prozent der Fälle durch ihr persönliches Engagement direkt in der Apotheke lösen, erklärt die Präsidentin der Österreichischen Apothekerkammer Ulrike Mursch-Edlmayr.
Exportverbot undurchführbar?
Bei der Apothekerkammer halte man ein Exportverbot im Übrigen für undurchführbar, ist in der Nachrichten-Plattform der Tageszeitung „Kurier“ nachzulesen. „Da geht es um Hunderte Arzneimittel. Die Liste ändert sich ständig", wird Kammer-Vizepräsident Christian Wurstbauer zitiert. Abgesehen davon seien Experten wegen der EU-Binnenmarktregeln skeptisch bezüglich der Umsetzbarkeit eines solchen Plans. Man mache sich gegenüber Ländern wie Deutschland eher lächerlich, wenn man gesetzliche Exportverbote für Medikamente per Gesetz vorsehe.
Maßnahmen auch in Deutschland diskutiert
Auch in Deutschland wird derzeit über neue gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Lieferengpässen diskutiert. Die Unionsfraktion hatte kürzlich einen Plan vorgelegt, der gleich mehrere Neuregelungen vorschlägt. Unter anderem soll es neue Meldepflichten und eine nationale Arzneimittelreserve geben. Hersteller sollen zudem Anreize dafür erhalten, wenn sie wieder in Europa produzieren. Und Krankenkassen sollen Rabattverträge nur noch regional und kassenübergreifend ausschreiben. Im DAZ.online-Geschichtentaxi hatte sich auch die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar, zu Maßnahmen gegen Lieferengpässe geäußert.
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