Berufsgerichtliches Verfahren gegen Apotheker

5000 Euro Geldbuße für Ein-Euro-Gutscheine

Berlin - 21.06.2019, 07:00 Uhr

Ein Euro kann locken – und in Form eines Gutscheins ist er für Apotheken tabu. ( r / Foto: by-studio /stock.adobe.com)

Ein Euro kann locken – und in Form eines Gutscheins ist er für Apotheken tabu. ( r / Foto: by-studio /stock.adobe.com)


Die Berliner Apothekerkammer geht schon seit Jahren gegen Rx-Boni-Sünder vor. Nun stand kurz nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu Apotheken-Gutscheinen eine Entscheidung vor dem Berufsgericht für Heilberufe in Berlin an: Ein Apotheker hatte Ein-Euro-Gutscheine an Kundenkarteninhaber gewährt – auch wenn sie Rezepte einlösten. Das ist unzulässig, entschied das Gericht und verhängte eine Geldbuße von 5000 Euro.

Im April 2013 hatte das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Berlin über mehrere Boni- und Gutschein-Modelle von Berliner Apothekern zu entscheiden. Es kam in den von der Apothekerkammer geführten berufsrechtlichen Verfahren zu dem Schluss, dass Apotheker keine 1-Euro-Wertgutscheine für die Einlösung von Rezepten gewähren dürfen. Es liege ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 Nr. 2 der einschlägigen Berufsordnung vor. Verboten ist demnach das „Abgehen von Vorschriften über Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel, insbesondere das Gewähren von Rabatten oder sonstigen Preisnachlässen auf diese Arzneimittel und die Werbung hiermit“.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg sorgte später in einigen Verfahren für Freisprüche – allerdings nicht, weil es meinte, es liege kein Verstoß gegen besagte Norm vor. Es verneinte lediglich den Vorsatz, der für berufsrechtliche Vergehen notwendig ist. Seinerzeit sei die Rechtslage nicht so klar gewesen als dass die Apotheker hätten wissen müssen, dass sie verboten handelten.

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Im August 2013 stellte der Gesetzgeber allerdings durch eine Änderung in § 7 Heilmittelwerbegesetz klar, dass alle Zuwendungen oder Werbegaben für Arzneimittel unzulässig sind, „soweit sie entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährt werden“. Eine Spürbarkeitsgrenze, wie sie zuvor in wettbewerbsrechtlichen Verfahren häufig angenommen, wollte er damit ausdrücklich ausschalten.

Gutscheine für Patienten mit Kundenkarte

Einer der bereits im April 2013 verurteilten Apotheker ließ es sich allerdings nicht nehmen, auch nach der gesetzlichen Klarstellung sowie nach einer Information der Apothekerkammer in ihrem Rundschreiben, weiterhin Rx-Boni zu gewähren. Die neue Werbung war allerdings bereits eine Variation der früheren Werbung – gerade um auf die zwischenzeitlichen Ereignisse zu reagieren. Nun bekamen nur noch Inhaber von Kundenkarten Ein-Euro-Gutscheine. Jedoch auch dann, wenn sie ein Rezept einlösten. Daraufhin wurde die Apothekerkammer erneut aktiv.

Am vergangenen Mittwoch – also wenige Tage nachdem der Bundesgerichtshof sein Urteil zu Apotheken-Zuwendungen gesprochen hat – stand nun die Verhandlung vor dem Berliner Berufsgericht an. Wie die Apothekerkammer Berlin nun mitteilt, hat das Berufsgericht in dieser auf die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg Bezug genommen und auch im vorliegenden Fall die Verwirklichung des Tatbestandes als gegeben angesehen. Angesichts der ersten Verurteilung des Apothekers im April 2013 und der von der Kammer in der Folge kommunizierten Verschärfung von § 7 Abs. 1 HWG hatte das Gericht auch am Vorsatz des Apothekers keinen Zweifel. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen allerdings noch nicht vor.

Kammerpräsidentin Kemmritz: Wir wollen mit Leistung überzeugen, nicht mit Boni!

Die Apothekerkammer bleibt bei Verstößen gegen die Preisbindung alert und wird sich auch weiterhin nicht scheuen, im Fall der Fälle berufsrechtliche Sanktionen zu ergreifen: „Wenn wir etwas Substanzielles in der Hand haben, gehen wir gegen die Apotheker auch vor, die die deutsche Preisbindung mit Rabatten und Boni umgehen. Das sind wir allen Kolleginnen und Kollegen schuldig, die ihre Kunden tagtäglich durch die beste pharmazeutische Betreuung und Beratung an sich binden und ohne Boni und Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel vom Wert ihrer heilberuflichen Leistung überzeugen“, sagt Kammerpräsidentin Kerstin Kemmritz gegenüber DAZ-online. Sie findet: Wenn es den Apotheken wirklich um den Erhalt der Gleichpreisigkeit geht, dann müssen sie auch im Bereich der Zuwendungen konsequent bleiben, egal, ob es sich wie im vorliegenden Fall um Rabattgutscheine handelt oder andere geldwerte Vorteile, die nach der Rezepteinlösung überreicht werden und wie ein Bonus wirken. Welche Boni konkret einen Verstoß gegen die Gleichpreisigkeit darstellen, wird die Berliner Kammer nach Vorliegen der genauen Urteilsgründe in den jüngsten Verfahren auswerten.

Nicht jede Zuwendung ist verboten

In ihrer Mitteilung mahnt die Kammer weiterhin, dass neben berufsrechtlichen Sanktionen auch wettbewerbsrechtliche Folgen drohen können, wenn sich Apotheken über das klare Rx-Boni-Verbot hinwegsetzen. So könnten die Wettbewerbszentrale und andere Wettbewerbsverbände sowie Wettbewerber Verstöße gegen § 7 HWG aufgreifen und die Apotheke auf Unterlassung in Anspruch nehmen. „So kann z. B. ein eskalierter ‚Nachbarschaftsstreit‘ in einem Wettbewerbsverfahren münden“. Die Kammer nennt zudem, was weiter erlaubt ist: Das ist gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG handelsübliches Zubehör zur Ware und handelsübliche Nebenleistungen (z. B. Botendienst, Kühlpacks zu kühlpflichtigen Arzneimitteln). Zudem dürften beim Verkauf von OTC und freiverkäuflichen Arzneimitteln sowie von Medizinprodukten Zuwendungen und Werbegaben in den Grenzen des § 7 HWG gewährt werden.

Zuwendungsverbot bald im Sozialgesetzbuch?

Mittlerweile hat es das Zuwendungsverbot bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel auch in den Kabinettsentwurf für das Apotheken-Stärkungsgesetz geschafft – und könnte damit künftig im Sozialgesetzbuch V zu finden sein. In der Entwurfsfassung vom 13. Juni 2019 heißt es in einem geplanten Zusatz für § 129 Abs. 2 SGB V : „Apotheken, für die der Rahmenvertrag Rechtswirkungen entfaltet, haben bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte als Sachleistung den einheitlichen Apothekenabgabepreis zu gewährleisten und dürfen Versicherten keine Zuwendungen gewähren.“




Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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