Hausarztapotheken in Österreich

Apotheke und Bürgerinitiative wollen Praxisapotheke helfen

Remagen - 14.09.2018, 13:15 Uhr

In Österreich gibt es immer wieder Streit wegen der in vielen Arztpraxen bestehenden Praxisapotheken. ( r / Foto: Imago)

In Österreich gibt es immer wieder Streit wegen der in vielen Arztpraxen bestehenden Praxisapotheken. ( r / Foto: Imago)


In Österreich rangeln Apotheker und Ärzte mit einer Hausapotheke seit vielen Jahren um Ihre Pfründe. Der Gesetzgeber versucht, es beiden Seiten irgendwie „recht zu machen“, auch im Sinne einer flächendeckenden Arzneimittel- und medizinischen Versorgung. In dieser schwierigen Gemengelage kommt es im Einzelfall immer wieder zu „unbilligen Härten“ für einzelne Betroffene und manchmal auch zu überraschenden Allianzen. So geschehen in Schwadorf bei Wien.

Es geht um die Hausärztin Claudia Ertl aus Schwadorf bei Wien. Bereits im Frühjahr 2018 hatte sie ihre Hausapotheke schließen müssen, weil im benachbarten Enzersdorf eine öffentliche Apotheke genehmigt und errichtet worden war. Der Bürgermeister der Ortschaft zeigte sich enttäuscht. „Eine jahrzehntelang bewährte und von der Bevölkerung geschätzte Einrichtung wird nun geschlossen“, bedauerte Jürgen Maschl. „Das entspricht einem Kahlschlag in unserer Gemeinde.“ Ertl kämpfte weiter, aber jetzt seien sämtliche Rechtsmittel ausgeschöpft, und zwar ohne Erfolg, schreibt das Portal „meinbezirk.at“ ein halbes Jahr später. Die Hausapotheke in Schwadorf bleibe geschlossen. Bereits seit dem Frühjahr darf die Hausärztin keine Medikamente mehr ausgeben.

Altes Recht als Pferdefuß

Die Crux bei dem Fall von Claudia Ertl ist eine undurchsichtige Rechts-Situation. Der Antrag für die öffentliche Apotheke, der die Schließung der Hausapotheke auslöste, war bereits 1999 gestellt worden. Tatsächlich kam die Apotheke aber erst fünfzehn Jahre später in den Nachbarort. Seit 2006 genießen ärztliche Hausapotheken in sogenannten Ein-Arzt-Gemeinden in Österreich zwar besonderen Schutz, aber auf den Fall wurde das damalige Recht aus den 1990er-Jahren angewendet. Ertl focht die Entscheidung an, musste aber in zweiter Instanz dennoch eine Niederlage einstecken.

Um ihr Überleben zu sichern, hatte sogar die Inhaberin der neuen Apotheke in Enzersdorf Monika Geyerhofer sich für die Hausärztin eingesetzt. Sie glaubte, dass Ertl nur mit ihrer eigenen Medikamenten-Ausgabe weiterhin bestehen kann und stellte deswegen selbst keinen Antrag auf Zurücknahme der Hausapotheke. Die Offzinapothekerin sorgte sich dabei auch um die Ertragslage ihrer eigenen Apotheke. „Wenn es in der Nachbarschaft keinen Arzt mehr gibt, sind auch unsere Einnahmen bedroht", erklärte sie schon Ende 2015.

Harter Verteilungskampf

So einvernehmlich geht es in ähnlich gelagerten Fällen meist nicht zu. Tatsächlich schwelt der Verteilungskampf in der Arzneimittelversorgung durch die Apotheken und die Landärzte in Österreich schon länger. Dort dürfen Ärzte unter bestimmten Bedingungen Hausapotheken führen, um die Arzneimittelversorgung auch in ländlichen Gebieten sicherzustellen. Nach Angaben der dortigen Ärztekammer haben derzeit rund 840 der etwa 1500 niedergelassenen Landärzte eine solche Bewilligung. Sie dürfen Arzneimittel nur an Patienten abgeben, die sie selbst behandeln. Im Jahr 2014 hatte die Österreichische Ärztekammer sogar das Dispensierrecht für alle Ärzte gefordert und hierfür die Schweiz als Vorbild hergenommen. Während die Apotheker anstreben, die ärztlichen Hausapotheken nach und nach abzubauen, hält der Gesetzgeber weiter dagegen.

Sechs Kilometer Abstand

Heute gelten folgende Regeln: Die Bewilligung zur Haltung einer Hausapotheke kann einem Arzt für Allgemeinmedizin erteilt werden, wenn er einen „großen“ Krankenkassenvertrag hat, in der Gemeinde keine öffentliche Apotheke vorhanden ist und die Praxis mehr als sechs Straßenkilometer von der Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke entfernt ist

Bei Praxisnachfolgern von Ärzten, die bereits über eine Hausapotheke verfügen, reicht schon eine Entfernung von mehr als vier Straßenkilometern. In sogenannten Ein-Arzt-Gemeinden, wie im Fall von Claudia Ertl, dürfen niedergelassene Allgemeinmediziner in ländlichen Gegenden auch innerhalb der sechs Kilometer-Zone eine Hausapotheke führen. Sie genießen demnach einen besonderen Schutz. Bei diesem Schutz geht es vornehmlich um die Sicherstellung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum insgesamt. Ohne Hausapotheke als zusätzliche Einnahmequelle wollen viele Mediziner nicht mehr so gerne aufs Land. Immer mehr Bürgermeister sollen in letzter Zeit geklagt haben, dass dort freiwerdende Praxen ohne die Möglichkeit, selbst zu dispensieren, nicht mehr nachbesetzt werden können. In der Presse wird darüber berichtet, dass Ärzte damit drohen, ihre Praxis zu schließen, wenn in ihrer Gemeinde eine Apotheke eröffnet wird.

Bürgerinitiative gestartet

Schwadorf wolle deshalb weiter für ärztliche Hausapotheken in allen Ein-Arzt-Gemeinden ohne Kilometergrenzen oder sonstige Einschränkungen kämpfen, schreibt „meinbezirk.at“ weiter. Bürgermeister Jürgen Maschl soll deswegen mit einer Abordnung bereits beim Gesundheitsministerium vorstellig geworden sein. Man strebe eine Gesetzesänderung an, um die rechtlichen Vorgaben zu optimieren. Dies soll durch eine überregionale Bürgerinitiative erreicht werden. Die Vorbereitungen dazu seien bereits überregional angelaufen. Inzwischen sollen rund zwanzig Gemeinden aus mehreren Bundesländern an der Initiative beteiligt sein, denn das Problem betreffe nicht nur Schwadorf. Etwa 300.000 Menschen hätten in Österreich aufgrund der Rechtslage in ihrer Gemeinde zwar einen Hausarzt, aber keinen Zugang zu Medikamenten.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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