Wegen Brexit-Umzug

EMA erwartet Verlust von 200 Mitarbeitern

London - 21.11.2017, 13:10 Uhr

Umzug mit Auswirkungen: Die EMA geht davon aus, dass sie im Laufe des Umzugs nach Amsterdam etwa 200 Mitarbeiter verlieren wird. (Foto: dpa)

Umzug mit Auswirkungen: Die EMA geht davon aus, dass sie im Laufe des Umzugs nach Amsterdam etwa 200 Mitarbeiter verlieren wird. (Foto: dpa)


Die erfolgreiche Bewerbung von Amsterdam als neuer Standort der Europäischen Arzneimittelagentur EMA war unter Mitarbeitern beliebt – dennoch wird nach optimistischen Schätzungen jeder fünfte Mitarbeiter die Behörde verlassen. EMA-Chef Guido Rasi erläuterte am heutigen Dienstag, wie die Behörde einen Kollaps verhindern möchte. Er warnte, es gebe kein Back-up.

Mit der Entscheidung der EU-Mitgliedstaaten von Montag, die Europäische Arzneimittelagentur EMA von London nach Amsterdam umzusiedeln, beginnt für die Behörde eine entscheidende Phase: Nachdem die britische Premierministerin Theresa May zum 29. März dieses Jahres den Austrittsprozess eingeleitet hat, bleiben der EMA nun 16 Monate für den Umzug, der bis Ende März 2019 vollzogen sein muss.

„Nun, wir haben eine Entscheidung“, sagte EMA-Chef Guido Rasi am Dienstag auf einer Pressekonferenz, bei der er die aktuelle Lage wie auch das weitere Vorgehen erläuterte. Dass die Wahl auf Amsterdam gefallen ist, sei „sehr willkommen“. In den vergangenen anderthalb Jahren seit dem britischen Austritts-Referendum „haben wir in einer Ungewissheit gelebt“, betonte Rasi. Nun ginge es darum, den Umzug konkret zu planen und durchzuführen. „Es ist eine wirklich herausfordernde Aufgabe“, sagte der EMA-Chef.

Es gibt „kein Back-up“

Er erinnerte an all die Aufgaben, die seine Behörde für die Arzneimittelsicherheit wie auch die Gesundheitsvorsorge in Europa hat. Es gibt „kein Back-up“ für die EMA, betonte Rasi, der zuvor schon vor Gesundheitsgefahren für die EU gewarnt hatte. Deshalb sei es so wichtig, dass der Umzugsprozess nur minimale Auswirkungen auf die Arbeit der EMA habe.

Obwohl bei einer Mitarbeiterbefragung Amsterdam als möglicher Behördensitz Top-Werte erhielt und die Stadt in vielerlei Hinsicht optimal wäre, würde laut einer optimistischen Vorhersage gut jeder fünfte der über 900 Mitarbeiter nicht mit nach Amsterdam ziehen, betonte Rasi. Er rechnet daher damit, dass die EMA gut 200 Mitarbeiter verlieren wird. „Es ist nicht vorhersagbar, wie die Verluste sich verteilen werden“, erklärte der Behördenchef: Wenn sie sich auf einen Aufgabenbereich konzentrieren würden, könnte es hier zu einem Kollaps kommen.

Heikel ist außerdem die 2015 verabschiedete neue EU-Verordnung für klinische Studien: Diese soll eigentlich 2019 in Kraft treten, wenn ein EU-Softwareportal zur Verfügung steht – doch gebe es „Risiken“, sagte Rasi am Dienstag. „Bisher künden wir jedoch noch keine Verzögerungen an“, betonte er. 

EMA will Ausnahmeregeln für Mitarbeiter durchsetzen

Doch der EU-Beamte gab sich dennoch optimistisch: Die EMA sei auf alle Szenarien vorbereitet, erklärte Rasi. Über einen Betriebsaufrechterhaltungsplan hat die Behörde ihre Aufgaben priorisiert und einige Zukunftsprojekte zurückgestuft, damit es bei den Kernaufgaben – der Aufrechterhaltung der Arzneimittelüberwachung sowie zeitnaher Arzneimittelzulassungen – keine Probleme gibt. Nun wird die Behörde konkrete Themen klären, die den neuen Standort betreffen.

Unterstützung vonseiten der Politik erhofft sich die EMA beim Umzugsbudget und bei der Erstellung einer ersten Vereinbarung, wie die Zusammenarbeit der EMA mit dem Vereinigten Königreich zukünftig aussehen soll, erklärte Rasi auf Nachfrage von DAZ.online. Außerdem will er erreichen, dass für die Arzneimittelbehörde für die Umzugsphase Ausnahmeregeln gelten: Mitarbeiter sollen teils beispielsweise von zu Hause aus arbeiten können oder andere Sondergenehmigungen erhalten, um ihnen die anstehende Zeit zu erleichtern.

Probleme mit dem neuen EMA-Zuhause

Eine „besondere Herausforderung“ betrifft das Gebäude, in das die EMA ziehen wird, betonte EMA-Vizechef Noel Wathion, der auch der „Brexit-Taskforce“ vorsteht. Denn ein permanentes neues Heim wird erst für April 2019 in Amsterdam zur Verfügung stehen – zwar wie bisher in London mit vollständigen Konferenz-Möglichkeiten, doch voraussichtlich noch nicht mit ausreichend Büroraum. Allerdings stünden ab Ende 2018 vorübergehende Räumlichkeiten in der Nähe des neuen EMA-Standorts bereit, erklärte Wathion. Den Zeitrahmen für den Umzug bezeichnete er als „extrem eng“.

Rasi zeigte sich bei der Pressekonferenz stolz darüber, wie seine Mitarbeiter in den letzten Monaten trotz der großen Unsicherheit ihre Arbeit fortgesetzt haben. Durch die Entscheidung habe sich die Stimmung verbessert. Doch jetzt kämen viele spezifische Aspekte auf den Tisch, die beantwortet werden müssten: So beispielsweise auch die Fragen, wo die Mitarbeiter zukünftig wohnen werden – und wo ihre Kinder zur Schule gehen sollen. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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