Korrupt oder Legal?

Dürfen Apotheker in Arztpraxen investieren?

Berlin - 10.08.2016, 08:00 Uhr

Apotheker sollten Ärzte besser nicht bei Umbaukosten für die Arztpraxis im selben Haus unterstützen. (Foto: magdal3na / Fotolia)

Apotheker sollten Ärzte besser nicht bei Umbaukosten für die Arztpraxis im selben Haus unterstützen. (Foto: magdal3na / Fotolia)


Apotheker sollten vorsichtig sein, wenn sie in den Umbau einer Arztpraxis in unmittelbarer Nähe zu ihrer Apotheke investieren möchten. Auch wenn Arzt und Apotheker keine Rezept- oder Patientenzuweisung verabreden: Die Staatsanwaltschaft könnte hier Korruption wittern.

DAZ.online hat kürzlich dazu aufgerufen, Fragen zum neuen Korruptionsstrafrecht zu stellen. Wo und wann haben unsere Leser Zweifel, ob sie sich nach neuem Recht strafbar machen könnten?Der Berliner Fachanwalt für Strafrecht, Nikolai Venn, beantwortet heute die folgende Frage einer DAZ.online-Leserin:

Ein Facharzt hat Interesse, sich in Räumen, die sich im selben Haus wie meine Apotheke befinden, eine Praxis einzurichten. Der Vermieter dieser Praxisräume will die Investitionskosten für den notwendigen Umbau allerdings nicht in vollem Umfang tätigen. Ich wäre bereit, die Umbaukosten mit 50.000 Euro im Sinne eines Standortmarketings meiner Apotheke zu unterstützen. Darf ich dem Arzt beziehungsweise dem Vermieter der Praxisräume eine solche Investitionszusage machen, ohne gegen das neue Antikorruptionsgesetz zu verstoßen? Ich habe keine „Unrechtsvereinbarung“ (keine Rezeptzuweisung, keine Patientenzuweisung) mit dem Arzt getroffen, weder mündlich noch schriftlich. Besteht alternativ die Möglichkeit, über eine dritte Person die Zahlungen für die Bauinvestitionen zu machen, zum Beispiel einer Unternehmensberatung, um das Risiko zu lindern, den Straftatbestand zu erfüllen?

Die rechtliche Einschätzung des Fachanwaltes:

Der geschilderte Sachverhalt ist ein gutes Beispiel für die schwierigen Abgrenzungsfragen, mit denen Ärzte, Apotheker und andere Berufsgruppen aufgrund der neuen Straftatbestände der Bestechlichkeit bzw. Bestechung im Gesundheitswesen (§§ 299a und 299b StGB) konfrontiert sind. Einerseits sollen auch nach der neuen Rechtslage Kooperationen zwischen niedergelassenen Ärzten, Krankenhäusern oder Apotheken zulässig bleiben. In vielerlei Hinsicht ist die Zusammenarbeit der Akteure sogar, wie auch der Gesetzgeber betont, im Interesse der Patienten ausdrücklich erwünscht. Andererseits soll sozial- und berufsrechtlich unzulässig (vgl. etwa § 12 Berufsordnung Apothekerkammer Berlin) und nunmehr auch strafbewehrt sein, wenn die Verordnung von Medikamenten oder Zuführung von Patienten nicht auf medizinische Erwägungen gestützt wird, sondern aufgrund der Gewährung eines Vorteils erfolgt. Zentrales Abgrenzungskriterium zwischen strafbaren und straflosen Kooperationen ist die sogenannte „Unrechtsvereinbarung“. Strafbares Verhalten liegt – stark vereinfacht – vor, wenn die Verordnung von Medikamenten oder Zuführung von Patienten mit der Gewährung des Vorteils inhaltlich in Form von Leistung und Gegenleistung verknüpft ist. Naturgemäß wird in den seltensten Fällen eine schriftliche Abrede geschlossen, so dass aus den objektiven Umständen der Zusammenarbeit auf ihr Vorliegen oder Nichtvorliegen geschlossen werden muss.

Im vorliegenden Fall wäre es unzulässig und auch strafbar, wenn der Investitionszuschuss dafür gewährt würde, dass der niedergelassene Facharzt seinen Patienten im Gegenzug den Besuch der Apotheke an Herz legt. Denn auch die bloße mündliche und unverbindliche Empfehlung soll laut Gesetzesbegründung als „Zuführung“ von Patienten im Sinne der neuen Tatbestände gelten. Keine Strafbarkeit wäre demgegenüber gegeben, wenn – wie im vorliegenden Fall intendiert – der Zuschuss ohne die Erwartung einer solchen „Gegenleistung“ ausbezahlt würde. Zwar gibt es auch ohne die Vereinbarung einer solchen Gegenleistung wirtschaftlich unmittelbar einleuchtende Gründe für eine solche Investition. Denn einer Empfehlung des Arztes wird es im Regelfall gar nicht bedürfen, damit ein Patient nach dem Arztbesuch die ortsnächste Apotheke aufsucht, um die verschriebenen Medikamente zu besorgen. Gleichwohl würde  sich ein Apotheker, der Investitionskosten für die Praxis übernimmt, dem dringenden Verdacht aussetzen, dass ein gewisses „Wohlverhalten“ des Arztes zumindest unausgesprochen erwartet werde. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zur Untersuchung, welche Motive hinter der Investitionsvereinbarung stehen, wäre daher überaus wahrscheinlich, sobald der Sachverhalt den Ermittlungsbehörden zur Kenntnis gelangt. Ob der Anschein einer Unrechtsvereinbarung, die – wie erläutert – aus den äußeren Umständen geschlossen wird, im Rahmen des Ermittlungsverfahren ausgeräumt werden könnte, erscheint bei der vorgesehenen Konstellation äußerst fraglich. Das Risiko, dass die Justiz auch bei einer Beteuerung des Gegenteils von einer zumindest schlüssig getroffenen Abrede ausgehen wird, ist überaus hoch,  weshalb aus anwaltlicher Sicht von dem Vorhaben abzuraten ist.

An dieser Wertung ändert sich auch nichts bei der angedachten Variante, den Zuschuss über Dritte auszubezahlen, da auch dies als Vorteilszuwendung zu werten wäre. Im Gegenteil besteht die Gefahr, dass die Ermittlungsbehörden eine solche Verschleierung der Zahlung als ein Indiz für den Abschluss einer strafrechtlichen Unrechtsvereinbarung ansehen würden. Auch die Auszahlung des Betrags als Darlehen wäre im Übrigen keine Alternative, da dies als Vorteilsgewährung im Sinne des Gesetzes gilt.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Nikolai Venn

FREYSCHMIDT FRINGS PANANIS VENN Rechtsanwälte, Berlin


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