Wiedergewählt

5 Fragen an Kai-Peter Siemsen

Hamburg - 10.02.2016, 16:45 Uhr

(Foto: tmb/DAZ)

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Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit als Präsident der Apothekerkammer Hamburg spricht Kai-Peter Siemsen über seine Pläne, ein Angebot für den Berufsnachwuchs, die Zukunft an der Uni Hamburg und die Idee, die ganze Apothekenhonorierung zu überdenken.

DAZ.online: Sie wurden vor etwa zwei Wochen für eine neue Amtszeit als Präsident der Apothekerkammer Hamburg gewählt. Was sind die drei wichtigsten Aufgaben, die Sie sich für die nächsten vier Jahre in diesem Amt vorgenommen haben?

Siemsen: Für viele Mitglieder ist die Kammer eine Black-Box mit Fragezeichen. Diesen Mitgliedern ist nicht bewusst, was wir als Selbstverwaltung der Hamburger Apotheker tun und dass wir Aufgaben übernehmen, die sonst eine Behörde erledigen würde. Wir suchen nach einem Weg, diese Mitglieder aktiver an die Kammer zu bringen und mit ihnen zu kommunizieren.  

Die zweite Aufgabe ist die Nachwuchsgewinnung. Wir stehen in Hamburg vor dem besonderen Problem, dass in den nächsten 15 Jahren 66 Prozent der heutigen Apothekeninhaber im Rentenalter sein werden. Im Alter zwischen 30 und Mitte 40 haben wir eine große Delle. Wir werden daher eine ganze Reihe von Apotheken verlieren. Um Nachwuchs für die Apotheken zu gewinnen, müssen wir Schüler für die Pharmazie begeistern und PhiPs dichter an die Kammer holen. Wir möchten daher als Kammer zusätzlich zum Blockunterricht weitere Angebote für PhiPs machen. Das soll die Ausbildung in Klinischer Pharmazie erweitern und die Ausbildungsapotheken entlasten.

Drittens stellt sich für die Kammer die Frage, wie wir mit den zunehmenden Berufspflichtverletzungen umgehen, beispielsweise dem Ablehnen von Rezepturen. Wenn wir die Berufspflichten nicht erfüllen, haben wir keinen Anspruch an die Gesellschaft mehr, und wenn einige es nicht mehr tun, werden die anderen mehr gefordert, als es sonst nötig wäre. Diesem Thema müssen wir uns stellen.

DAZ.online: Wie beeinflusst das Perspektivpapier „Apotheke 2030“ der ABDA die Arbeit der Apothekerkammer Hamburg?

Siemsen: Das Perspektivpapier fasst theoretisch zusammen, was wir wollen. Das muss mit Leben gefüllt werden. Vieles geschieht in Berlin. Die Grundidee ist, ergänzend zum Arzneimittel den Blick mehr auf den Patienten zu richten. Für uns als Kammer heißt das, die Kollegen mit der Fortbildung entsprechend zu aktivieren. Außerdem wünsche ich mir, ähnlich wie in anderen Kammern eine Fortbildung zum zertifizierten AMTS-Manager anzubieten. Schön wäre, mit einer der großen Krankenkassen in Hamburg ein Modellprojekt ergänzend zu ARMIN zu etablieren. Doch eines ist klar: Ob in Modellprojekten oder außerhalb, ein Medikationsmanagement ohne Honorar kann es nicht geben. 

DAZ.online: Wie erklären Sie als Mitglied des Haushaltsausschusses der ABDA den Mitgliedern des Haushaltsausschusses der Apothekerkammer Hamburg, warum die ABDA immer wieder höhere Beiträge benötigt?

Siemsen: Viele Kosten steigen durch die normale Nutzung von Ressourcen. Außerdem geben die Mitgliederorganisationen gerne Aufgaben nach Berlin ab. Das verschiebt die Kosten, hat aber Synergieeffekte. Allerdings neigen Gremien auch dazu, Aufträge zu verteilen, ohne genaue Kenntnisse darüber zu haben, was diese kosten. Das wollen wir angehen. Dazu fehlt aber noch ein regelmäßiges Review. Wenn Aufträge nicht befristet sind, wird später nicht mehr geprüft, ob diese Arbeiten noch nötig sind. Da niemand gerne Ressourcen aus seinem Bereich freigibt, muss der Gesamtvorstand regelmäßig hinsehen und prüfen, ob die Aufgaben noch zeitgemäß sind. Allerdings kommt auch immer mehr Arbeit auf die Bundesebene zu. Den Haushalt einzufrieren, geht daher nicht. 

Hamburg ist von dieser Entwicklung besonders gebeutelt, weil die Beitragsverteilung nicht an die Stimmen, sondern an die Umsätze gekoppelt ist und wir hier einige umsatzstarke Spezialversorger haben. Eine Arbeitsgruppe der ABDA zur Beitragsgerechtigkeit hat leider nur zu einem ganz kleinen Strukturausgleich geführt. Hinzu kommt der historische Fehler, dass früher die Inhaber in manchen Kammern alle Beiträge übernommen haben. Damals konnte sich niemand vorstellen, dass manche Angestellte irgendwann mehr als viele Selbstständige verdienen würden. Daher bin ich für einkommensabhängige Kammerbeiträge, aber ich habe mich damit nicht durchsetzen können. Aus meinem Verständnis heraus hat man das in einer Demokratie zu akzeptieren.

DAZ.online: In der Hochschulpolitik ist die Kammer zwar nur Beobachter, aber in einem Stadtstaat sind sich viele Institutionen näher als anderswo. Daher frage ich Sie zur Hamburger Situation: Wie gut ist nach Ihrer Einschätzung die Zahl der Studienplätze am Pharmazeutischen Institut der Universität Hamburg langfristig gesichert?

Siemsen: Die Pharmazie wird als teurer Studiengang gerne klein gehalten. Doch wir müssen den Ausbildungsgang verändern und die alten Fächer entschlacken, um Zeit für die Klinische Pharmazie zu gewinnen. In Hamburg hatten wir schon immer ein kleineres Institut, als es der Bedeutung der Stadt entspricht. Jetzt haben wir fast keine Apotheker mehr unter den Hochschullehrern in Hamburg. Dennoch zeigt sich an der Universität ein ganz zartes Pflänzchen. Die Nicht-Apotheker sorgen sich dort um den Fortbestand der Pharmazie in Hamburg und haben Ideen entwickelt, die die Kammer mitträgt. Vielleicht können wir die Pharmazie mit der Apotheke am Uniklinikum Eppendorf kombinieren. Denn dort gibt es Apotheker mit Lehrbefähigung. Allerdings haben wir noch immer keinen klinischen Pharmazeuten an der Universität. Die Stelle wurde noch nicht wieder besetzt. Das alles ist das lange Bohren dicker Bretter, aber wir als Kammer versuchen, das zu unterstützen.

DAZ.online: Die Zahl der Apotheken in Deutschland ging im Jahr 2009 erstmals zurück. Sie sank von 21.602 Ende 2008 auf 20.441 Ende 2014, also in sechs Jahren um 1.161. Denken wir von diesem Datum aus nochmals sechs Jahre weiter! Wie viele Apotheken wird es nach Ihrer Einschätzung Ende 2020 in Deutschland geben?

Siemsen: Es werden deutlich unter 20.000 Apotheken sein, voraussichtlich 19.000 plus irgendwas, wenn bis dahin keine großen Gesetzesänderungen kommen. Die Frage wird sein, wo wir die Apotheken verlieren. In ländlichen Regionen kann das zu Versorgungsproblemen führen. Da nichts dazu im Koalitionsvertrag steht, ist bis 2017 wohl nicht mehr als ein Wahlgeschenk beim Rezepturhonorar zu erwarten. Die Apotheker müssten die Öffentlichkeit mehr für ihre Interessen mobilisieren, damit die Politik tätig wird. Dies betrifft die Honorierung genauso wie die jüngste Debatte über das Berufsbild. Das heißt nicht zu bollern, aber zugespitzt zu formulieren. Die Aussage, dass die Forschung keine Tätigkeit mehr für Apotheker sein soll, hätte eine Schlagzeile werden können. 

Für die Zahl der Apotheken ist die Honorarentwicklung wichtig, aber die Politiker wollen keine Erhöhung mit der Gießkanne. Darum bin ich für eine Gebührenordnung, wie sie für andere freie Berufe selbstverständlich ist. Denn die Gemeinwohlpflichten müssen auskömmlich honoriert werden. Die Apotheker scheuen sich, alles auf den Prüfstand zu stellen, weil die Politik so wenig über die Zusammenhänge in der Apotheke weiß oder wissen will. Trotzdem sollten wir als Apotheker überlegen, wie wir alles neu regeln wollen. Wir können uns in dieser Frage nicht zurück lehnen, sondern müssen dieses Thema als Berufsstand jetzt aktiv angehen. 

DAZ.online: Vielen Dank für das Gespräch. 


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Kommentar + Fragen

von Dr. christoph Klotz am 11.02.2016 um 0:28 Uhr

Lieber Kollege Siemsen,
schön, dass Sie den Terminus black box über die Lippen bekommen. Darf ich daran erinnern, dass der ABDA Verein noch weiter weg ist und deshalb die Black box tiefschwarz ist. Darf ich Sie deshalb bitten, wenn Sie sich schon ernsthaft an das Thema trauen wollen, dass Sie dann auch für mehr Transparenz zur ABDA aufraffen. Ich darf an die von FS beschworene Arbeitsteilung erinnern. Und bitte berichten Sie von den Mitgliederbeschlüssen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Berufspflichtverletzungen … Das Sie da ausgerechnet die Rezepturverweiger anführen, ist das nicht zu billig und bequem? Sie als Berufspolitiker, der seit Jahrzenten tätig ist, muss isch hier doch selbst an die Nase fassen. Rezepturverweigerer sind das Ergebnis einer verfehlten Berufspolitik und einem fehlenden Standig zum Thema. Nehmen Sie sich ein Beispiel an WL.

Beiträge an die ABDA und der berufspolitische Gegenwert.
Da gibt es doch den Passus, dass wenn ein Problem in mehreren Kammerbezirken vorhanden ist, dann sei es Job der ABDA, sich darum zu kümmern. Und wird das umgesetzt?
Wird in der Kammerversammlung in HH der ABDA-Haushalt mit seinen Wünschen überhaupt diskutiert? Wird darüber diskutiert, was die ABDA will und ob das basiskonform ist? Oder halten Sie es da wie die anderen Kammerfürsten mit der berufspolitischen Beinfreiheit. Das ist Ihre Sache und da hat das Volk kein Mitspracherecht.
Eben typisch die Arroganz der Macht.

Ihre Argumentation ist doch hohl. Die Beitragssteigerungen der letzten Jahre – so mein Kenntnisstand – sind im wesentlichen doch mit verabschiedeten Projekten zu begründen und nicht mit der Ausweitung des Ressourcenverbrauchs. Das klingt sehr nach berufspolitischem Bla Bla Bla.
Wo Sie natürlich Recht haben, die ABDA muss einer viel strengeren Kontrolle unterliegen. Aber Sie sehen ja selbst , was es für ein beschämendes Gezerre auf dem DAT gegeben hat, nur weil man wünscht, dass der Bearbeitungsstand der DAT-Anträge verfolgt werden kann.

Und ihre Kernaussage ist falsch. Auch Sie haben auf dem WLAT den richtungsweisenden Vortrag von Kaapke gehört. Alles schon wieder vergessen? Es gibt Alternativen, die es ermöglichen, dass der ABDA-Beitrag eingefroren oder gesenkt werden kann, ohne dass deswegen auf Kammerebene Gelder verschwendet werden.

Beitragsgerechtigkeit. Die Debatte zu den Hochpreisern zeigt, dass der Umsatz als Bemessungsgrundlage überholt ist. Wenn jetzt die 3% in dieser Warengruppe, wie von Korf angekündigt, gedeckelt werden, dann wird die Umsatzgröße noch obsoleter.
Ich verstehe nicht, dass bei angeblich so viel mentaler Kapazität in der ABDA , die das Thema eigentlich vorwärte und rückwärts herunterbeten können sollten, die Ideen immer von den Außenstehenden kommen müssen. Das spricht für eine Megabetriebsblindheit.
Die Lösung ist doch ganz einfach.
Die Krankenkassen erhalten von der Apothekenhonorierung 1,77 Euro je Packung, was wir als zu hoch empfinden. Die Packungszahl ist definiert und nicht manipulierbar.
Also erhalten die Apothekerkammern ebenfalls ihren Anteil aus diesem Vergütungsblock. Vielleicht reichen ja 10 Cent.
Und schon ist die Beitragsgerechtigkeit für die inhabergeführte Apotheke hergestellt. Richtig, der OTC Umsatz fällt raus, bzw wird über einen prozentualen Aufschlag auf die beispielhaften 10 Cent berücksichtig (z.B. +20%).
Über eine Lex Versandhandel werden die rund 100 großen Versandapotheken an den Kammerkosten beteiligt.

Das Problem für die Kammern besteht doch darin, dass eine neue Beitragsbemessung auch dazu führen kann, dass sich Kammern bescheiden müssen und der Kammerhaushalt nicht ungebremst jedes Jahr weiter wächst.

Apothekenzahl und Honorierung
Ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie formulieren, welche Stadtteile von Hamburg bei Apothekenschließung drohen in die Unterversorgung abzurutschen. Das haben Sie wahrscheinlich nicht auf dem Schirm.

Gebührenordnung für Apotheken wie für die Ärzte. Als Heilberufler und freier Beruf naheliegend.
Was die Scheu zur Aufaddierung der Werte der pharmazeutischen Dienstleistung, wie von Kollegin Aures und anderen gefordert, betrifft, sind Sie da jetzt Teil einer oppositionellen Fraktion in der ABDA. Die möchte ja gerade die differenziert Betrachtung nicht, weil sie sich fürchtet.
Mit kollegialen Gruß DrCK

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Ein richtiges Signal??

von Reinhard Rodiger am 10.02.2016 um 23:38 Uhr

Vorweg: es ist gut, wenn sich eine Kammer um das bemüht, was eigentlich ihre Aufgabe ist. Das Black-box-Phänomen ist auch nicht auf Hamburg beschränkt. Vielmehr sind es die Auswirkungen einer zunehmenden Zusammenlegung von Executive und Legislative, die Fragen in den Vordergrund rücken, die dort nicht hingehören.
Rezepturverweigerung (Surrogat für Berufsverletzung) ist nicht wünschenswert, aber selbst erzeugt. Das bedeutet die Priorität einer Kammer für mindestens kostendeckende Bezahlung. Eigentlich selbstverständlich ausser für Selbstmörder. Und dieser vermeintliche Handlungszwang erzeugt natürlich das, was den Nachwuchs am Glauben an den gesunden Menschenverstand und damit Berufsinteresse hindert. Es gehört wirklich eine gehörige Portion Enstirnigkeit dazu, sich in einem Beruf zu engagieren, der von den eigenen Leuten dermassen fehlgewichtet wird. Nachwuchsmangel ist nicht das Ergebnis von zu wenig klinischer Pharmazie, sondern von einem Missverhältnis zum tragenden Kern des Berufs. Der besteht nach meinem Verständnis in einer breit gefächerten sozialen Verantwortung und menschengemässer
Umsicht, die den Menschen hilft und Schaden verhindert. Der Weg führt nur über substantielle Unterstützung durch die, die durch ihre Konzentration auf Sondertätigkeiten die Akzeptanz für das "allgemeine Wohl" eben die Banalität des Alltags damit entwerten und sturmreif schiessen.

Es ist Heuchelei, über Nachwuchsmangel zu
stöhnen und ihn gleichzeitig zu fördern.

Es sind die falschen Prioritäten, die einen Beruf, der wie wenige über direkten Menschenbezug
innere Sinngebung gab, systematisch zu demontieren. Es ist genau dieser Sinnzusammenhang, der sich aus den genannten Prioritäten ergibt.

ES GIBT EINE KLARE PRIORITÄT: DAS IST DIE AKZEPTANZ DES " BANALEN" ALLTAGS: HIER WERDEN laufend KOSTEN GESPART UND SONDERAUFGABEN ERMÖGLICHT. Nur, das beziffert niemand.

Wann werden endlich die richtigen Fragen gestellt? Wann hört die Schuldsuche bei den eigenen Leuten als Lebenselixier auf?

Wann gibt es die einfache Erkenntnis, dass das grösste Problem der Apotheker ist, ihren Nutzen
heute nicht transparent machen zu können. Und-wie hier gesagt auch nicht wollen.

SCHADE UM EINEN SINNVOLLEN BERUF:



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