VENIApharm-Abmahnungen gegen Apotheker waren rechtsmissbräuchlich

Abmahnfalle fliegt auf

Düsseldorf - 08.02.2016, 15:51 Uhr

Der Geschäftsführer von VENIAPharm lockte Apotheker bewusst in die Falle, urteilte jetzt das Oberlandesgericht Düsseldorf. (Foto:  Zsolt Biczó / Fotolia)

Der Geschäftsführer von VENIAPharm lockte Apotheker bewusst in die Falle, urteilte jetzt das Oberlandesgericht Düsseldorf. (Foto: Zsolt Biczó / Fotolia)


VENIApharm hat es übertrieben: Mit seinen massenhaften Abmahnungen von Versandapotheken ist der Online-Händler von Nahrungsergänzungsmitteln nun vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf aufgelaufen.

Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen sind ein gängiges Mittel, um unlauter handelnde Mitbewerber in die Schranken zu weisen. Allerdings gibt es immer wieder Menschen, die Abmahnungen als Geschäftsmodell verstehen und versuchen, von zu Unrecht eingeschüchterten Mitbewerbern Abmahnkosten zu kassieren. Manche scheuen dabei nicht einmal den Klageweg. Mehrere Apotheker, die Ziel einer es solchen Angriffs wurden, haben nun vom Oberlandesgericht Düsseldorf einen Erfolg verbuchen können. (Urteile des OLG Düsseldorf vom 15. Dezember 2015, Az.: I - 20 U 24/15 sowie vom 26. Januar 2016, Az.: I - 20 U 22/15 und I - 20 U 25/15)

VENIApharm – ein Online-Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln – hat in der Vergangenheit eine Reihe von Apotheken und Herstellern von Nahrungsergänzungsmitteln Abmahnungen ins Haus geschickt. Die jüngst ergangenen Urteile des Oberlandesgerichts Düsseldorf sprechen von „mindestens 160“ in den Jahren 2013 und 2014.

In den drei jetzt entschiedenen Fällen ging es um „Migra 3“. Dieses Produkt, das laut innliegendem Doppelkammbeutel „zur diätetischen Behandlung der Migräne“ dient, hatte der VENIApharm-Geschäftsführer bei Versandapotheken bestellt. Die Apotheken beschafften ihm die gewünschten Packungen beim Großhandel. Doch VENIApharm ließ daraufhin einen Anwalt aktiv werden. Dieser teilte den Apotheken mit, sie vertrieben ein Produkt mit einer wissenschaftlich nicht nachgewiesenen Werbebehauptung. Dies sei wettbewerbswidrig. Der Anwalt verlangte im Auftrag von VENIApharm Unterlassung sowie die Erstattung von Abmahnkosten auf Basis eines Gegenstandswerts von 30.000 Euro. 

Apotheker nicht Normadressat

Gegen Apotheker, die nicht zahlten, zog das Unternehmen vor Gericht. In der ersten Instanz wurde den Klagen sogar stattgegeben. Doch nun entschied das Oberlandesgericht in der Berufungsinstanz anders: Auch wenn dem fraglichen Produkt eine Wirkung beigemessen wurde, die es nicht hat und es daher nicht verkehrsfähig gewesen sein mag, bestand schon kein Unterlassungsanspruch gegen den Apotheker, sondern bestenfalls gegen den Hersteller. Darüber hinaus habe VENIApharm rechtsmissbräuchlich gehandelt.

Ein Anspruch bestehe auch nicht nach dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFBG). Die in § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFBG  (in der Fassung vom 13. Dezember 2014) normierte Verpflichtung, Lebensmitteln keine Wirkung beizumessen, die sie nicht besitzen, richtet sich allein gegen den Lebensmittelunternehmer.

Auch wenn die Abmahnung 2013 erfolgte, sei hier die im Zeitpunkt der Entscheidung geltende Rechtslage maßgeblich. Der Apotheker könnte zwar grundsätzlich als Teilnehmer haften. Allerdings müsste er hierzu vorsätzlich gehandelt haben, wofür im vorliegenden Fall nichts spreche.

Auch ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch in Verbindung mit den Vorgaben der Diätverordnung liege nicht vor. Diese Verordnung diene der Umsetzung der EU-Richtlinie für diätische Lebensmittel und sei in ihrem Sinne auszulegen. Auch so kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass nur der Hersteller für die Information verantwortlich ist. Von einem Apotheker könne nicht erwartet werden, dass er von allen erhältlichen diätetischen Lebensmitteln die Wirksamkeit kenne. 

Provozierter Wettbewerbsverstoß

Ausführlich legt das Gericht zudem dar, warum der Apotheker dem klagenden Unternehmen den Missbrauchseinwand, den das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vorsieht (§ 8 Abs. 4 UWG), geltend machen kann. Grundsätzlich handelt der Abmahnende rechtsmissbräuchlich, wenn er sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt, und diese als die eigentliche Triebfeder  der Verfahrenseinleitung erscheinen. Für einen Rechtsmissbrauch spricht es zudem, wenn die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht. Weiterhin fällt es unter Rechtsmissbräuchlichkeit, wenn der Abmahnende auf unlautere Weise einen Wettbewerbsverstoß provoziert – dass kann auch ein Testkauf sein, der darauf abzielt, einen Mitbewerber „hereinzulegen“.

Das Gericht hat keine Mühe, das Verhalten des  VENIApharm-Geschäftsführers unter mehreren Aspekten als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Er wusste – anders als die Apotheker –, dass die Werbeaussage wettbewerbswidrig war und beauftragte die Apotheken bewusst mit der Beschaffung des Produktes. Dieses Wissen unterscheide ihn von einem normalen Kunden.

Überdies: VENIApharm hatte im Verfahren seine Umsätze ausweisen müssen. Dabei zeigte sich, dass die Rechts- und Gerichtskosten des Unternehmens mehr als die Hälfte des Umsatzes im Geschäftsjahr ausmachten. Dies täte kein anständiger Kaufmann ohne zwingenden Grund, zeigt sich das Gericht überzeugt. Er würde sich im Interesse einer Kostenminimierung auf ein Vorgehen gegen den Hersteller der rechtsverletzenden Ware beschränken.

Weitere Verfahren anhängig

Die Revision hat das Oberlandesgericht Düsseldorf nicht zugelassen. Die relevanten Rechtsfragen seien durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Nun stehen noch zwei weitere Urteile zum gleichen Sachverhalt aus. Auch in München sind noch Verfahren anhängig. Rechtsanwältin Dr. Bettina Elles von der Frankfurter Kanzlei Schadbach, die die Apotheker vertreten hat, ist nun zuversichtlich, dass diese Verfahren ebenfalls zugunsten ihrer Mandanten ausgehen werden.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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