KOSSENDEYS GEGENGEWICHT

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bloß nicht Ihren Apotheker!

13.01.2016, 17:10 Uhr


Es sind einzig Ärzte, die in einem neuen Modellprojekt Medikationsfehlern erfassen sollen. Apotheker sind nicht beteiligt. Protest etwa seitens der ABDA gibt es leider nicht, sagt Ann-Katrin Kossendey-Koch. Doch die Angst der Apotheker, sich unbeliebt zu machen, verhindert den Fortschritt. 

In einem Modellprojekt der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte (AkdÄ) sollen Ärzte zukünftig Medikationsfehler systematisch erfassen. An sich ein vernünftiges Projekt, da nur eine Verbesserung des Systems gelingen kann, wenn man weiß, wo es krankt. Die Ärzte sollen dokumentieren, wo der Medikationsfehler auftrat. Beim Arzt, in der Apotheke oder beim Patienten. 

Und da wundert es doch sicherlich nicht nur mich, dass allein die Ärzte an diesem Modellprojekt beteiligt werden. Kann so eine neutrale Erfassung von Medikationsfehlern garantiert werden? Nein, natürlich nicht!  

Jeden Tag werden wir mit fehlerhaft ausgefüllten Rezepten konfrontiert, und dies sind leider nicht nur Formfehler. Eine unserer Daseinsberechtigungen ist ganz klar das Vier-Augen-Prinzip der Kontrolle von ärztlichen Verordnungen. Nicht als besserwissender Pharmazeut, sondern eine gemeinsame optimale medikamentöse Versorgung der Patienten, zusammen mit dem Arzt. So weit die Theorie. 

In der Praxis kennt jeder Apotheker Ärzte, die alles, aber nur keinen Fehler zugeben würden und eher dem Patienten erzählen, die Apotheke habe mal wieder falsch geliefert, anstatt erst in der eigenen Praxis auf Fehlersuche zu gehen. Werden in solchen Praxen ehrliche Angaben zur Quelle des Medikationsfehlers gemacht? Wohl kaum.  

Selbstverständlich passieren uns in der Apotheke genauso Fehler, das ist menschlich. Wichtig ist, wie mit einem Fehler verfahren wird. Und das Übernehmen der Verantwortung. Ein System, das sich nur einseitig selbst kontrolliert, ist anfällig für Manipulation. Es sei denn, es handelt sich um die Revision in der Apotheke. Da überprüfen sich Kollegen gegenseitig und wachen mit Argusaugen darüber, dass auch jeder noch so sinnlose Gesetzestext möglichst penibel umgesetzt wird.  

Ich habe noch nie verstanden, warum es Arztpraxen gibt, in denen Hunde und Katzen durch das Behandlungszimmer tollen dürfen, aber bei uns offene Türen schon einen Hygienemangel bedeuten können. 

Die ABDA ist bestimmt heilfroh, dass wir Apotheker bei dem Modellprojekt zur Erfassung von Medikationsfehlern nicht dabei sind. Friedemann Schmidt hat ja mehrfach wiederholt geäußert, dass man auf gar keinen Fall die Ärzte brüskieren möchte, indem der Verdacht entstehen könnte, wir würden die Götter in Weiß kontrollieren. Tun wir aber, jeden Tag und zig Mal! 

Der DAK den Kampf angesagt

Und als Offizin-Apotheke entdecken wir auch falsche Verordnungen, weil wir unsere Patienten kennen und uns ihre Medikation bekannt ist. Ein ganz klarer Vorteil gegenüber der Internet-Apotheke, die das Rezept oftmals nicht in dem Kontext betrachten, wie wir vor Ort. Aber wichtiger als unsere Qualifikationen ist natürlich ein standesgemäßes Gebuckel vor dem Arzt. Wenn eine ehrliche Dokumentation der Medikationsfehler vorliegen würde, wäre der Bevölkerung und damit auch der Politik schlagartig klar, welche wichtige Aufgabe wir im Gesundheitssystem haben. Eine ideale Grundlage für weitere Honorarforderungen. 

Unser Kollege Johannes Wilmers aus Nordrhein-Westfalen hat der DAK den Kampf angesagt. Eine intelligente Antwort auf den Retax-Wahnsinn der Krankenkasse. Er legt seinen Patienten das Procedere des Wunscharzneimittels ans Herz und macht der DAK so einen Haufen Mehrarbeit. Auch hier wieder eine gelungene Demonstration, welche Macht wir als Apotheker hätten, wenn wir sie nutzen würden, indem wir solche Ideen mit vielen Kollegen gemeinsam umsetzen würden.  

Koordiniert von einer mutigen Standesvertretung und kommuniziert von einem eloquenten Pressesprecher. Aber stattdessen werden sofort Stimmen laut, dass so der Protest auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werde.  

Auch hier wieder die Angst erkennbar, sich unbeliebt zu machen.

Aber ist nicht genau das das Hauptproblem unseres Berufsstandes? Das mangelnde berufliche Selbstbewusstsein des Apothekers? Wer sich nur anpasst, hat kein Profil. Wer allen gefallen will, gefällt sich am Schluss selbst nicht mehr und ist unzufrieden. Unzufrieden, dass keiner die vielfältigen Leistungen der Apotheker selbst erkennt und würdigt, dass die Politik uns absichtlich übersieht, dass wir zum Goldesel der Krankenkassen degradiert werden - und dass wir ohnmächtig die Entwicklungen im Gesundheitssystem nur beobachten, anstatt aktiv die Zukunft zu gestalten. 

Es liegt einzig und allein an uns, wie uns die Politik in den nächsten Jahren wahrnehmen wird. An der einen oder anderen Stelle bringt uns ein klares Nein definitiv weiter als ewige falsche Rücksichtnahme, nur um niemandem auf die Füße zu treten. Um weiter erfolgreich zu sein, ist es wichtig, innovative Ideen zu entwickeln und gemeinsam umzusetzen. Nicht grollen und aus Angst vor Veränderungen immer das kleinere Übel wählen, sondern mit Vertrauen in die eigene Qualifikation unsere Leistungen klar kommunizieren. So ein Apotheker 2.0, das wäre doch mal ein Ziel für 2016!

 


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14 Kommentare

Kassendeys Gegengewicht

von Regina Wahl am 17.01.2016 um 21:58 Uhr

Endlich eine Kollegin, die den Mut hat, die Dinge beim Namen zu nennen. Solange kein partnerschaftliches Verhältnisse mit den Ärzten auch seitens der Politik angestrebt wird, werden die Apotheker immer den kürzeren ziehen und weiterhin Bücklinge vor den Ärzten machen. Mehr Selbstbewusstsein liebe Kolleginnen und Kollegen und der Politik die Stirn zeigen! Wir Apotheker sind nicht Menschen zweiter Klasse sondern verantwortungsvolle Partner im Gesundheitswesen.

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Guter Kommentar!

von Sven Larisch am 14.01.2016 um 11:09 Uhr

Sehe ich genau so - wir müssen als Apotheker selbstbewusst auftreten. Buckeln vor KK , Ärzteschaft und Politik( die keine Ahnung von Gesundheitsproblemen haben) steht uns schlecht zu Gesicht. WIR haben auch studiert! WIR haben auch etwas zu sagen! WIR können das auch! Warum sollte ich mein Licht unter den Scheffel stellen? Leider kann ich bei manchen Rezepturen die Ärzte nicht zwingen ihre Dummheit einzusehen- aber oft habe ich gute Rücksprachen mit Ärzten, die dann mich fragen, wenn Sie etwas wissen wollen.

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Lasst uns die Berichtsbögen der AKdÄ nutzen!

von R. Konrads am 14.01.2016 um 8:21 Uhr

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
was hindert uns daran, die Berichtsbögen der AKdÄ zu nutzen, und über diese Medikationsfehler an die AKdÄ zu melden! Unter Fachrichtung geben wir dann "Apotheker" an. Wer wirklich an einer Medikationsfehler-Statistik interessiert ist, kann die von Apothekern ausgefüllten Berichtsbögen ja nicht einfach wegwerfen. Und der Satz in den Erläuterungen zum Projekt "Erfasst werden primär ärztliche Spontanmeldungen zu Medikationsfehlern, die zu einem (schwerwiegenden) Schaden geführt haben oder hätten führen können." animiert mich schon, mich daran zu beteiligen. Also, im Internet www.akdae eingeben, auf der Startseite unter "Aktuelle Meldungen" den Beitrag "04.01.2016 - Drug Safety Mail 2016-01" anklicken, und den Berichtsbogen herunterladen und nutzen!

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Lasst uns die Berichtsbögen der AKdÄ nutzen!

von R. Konrads am 14.01.2016 um 8:15 Uhr

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
was hindert uns daran, die Berichtsbögen der AKdÄ zu nutzen, und über diese Medikationsfehler an die AKdÄ zu melden! Unter Fachrichtung geben wir dann "Apotheker" an. Wer wirklich an einer Medikationsfehler-Statistik interessiert ist, kann die von Apothekern ausgefüllten Berichtsbögen ja nicht einfach wegwerfen. Und der Satz in den Erläuterungen zum Projekt "Erfasst werden primär ärztliche Spontanmeldungen zu Medikationsfehlern, die zu einem (schwerwiegenden) Schaden geführt haben oder hätten führen können." animiert mich schon, mich daran zu beteiligen. Also, im Internet www.akdae eingeben, auf der Startseite unter "Aktuelle Meldungen" den Beitrag "04.01.2016 - Drug Safety Mail 2016-01" anklicken, und den Berichtsbogen herunterladen und nutzen!

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AW: Gute Idee...

von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 14.01.2016 um 9:07 Uhr

Das wäre doch mal erneut eine gute Idee, gemeinsam als Apotheker was zu erreichen! Und unserer Standesführung zu zeigen, dass es geht, wenn man einfach macht (wie das Gleichnis mit der Hummel- eigentlich kann eine Hummel nicht fliegen, sie tut es aber trotzdem). Ich bin dabei und werde das auch auf Facebook kommunizieren und versuchen, andere Kollegen zu motivieren.

Jeder Fehler zählt!

von Kerstin Kemmritz am 14.01.2016 um 7:41 Uhr

Es wäre toll, mehr über dieses Projekt zu erfahren und ob die Apotheker nicht ggf. doch mit aufgenommen werden können oder parallel ein eigene Untersuchung zum gleichen Thema machen können, mit deren Ergebnissen man sich dann gemeinsam an einen Tisch setzt, wenn dieses Projekt so hoch aufgehängt werden soll.

Denn natürlich gibt und gab es jede Menge AMTS. In Berlin z.B. vor 1-2 Jahren "jeder-fehler-zaehlt", bei dem Fehler in und von Hausarztpraxen (von Ärzten und Apothekern) gemeldet wurden. Habe auch mitgemacht, allerdings weiß ich nicht, was daraus geworden ist. Die Internetseite lebt jedenfalls noch...

Vielleicht kann die DAZ mal recherchieren, was daraus wurde und wie hoch wir das derzeitige Projekt hängen sollten (und warum die BAK das nicht hochhängt...)?

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Wir füttern

von Dr. C. Klotz am 13.01.2016 um 19:52 Uhr

Liebe Ann-Kathrin,
das ist doch schön: Nach dem Verursacherprinzip wollen die Ärzte mit einem modernen Fehlermanagement aufräumen.
Vielleicht hat der eine oder andere Funktionär ja schon einmal eine Andeutung von einer Statistik erhalten, aber ich wette, denen schwant nicht, was da auf sie zukommt.
Natürlich untestützen wir die Ärzte dabei nach besten Kräften und fluten die Datenbank mit den täglichen ärztlich ausgelösten Fallstricken der korrekten, retaxationsfreien Belieferung.
Wenn wir das mit "mütterlicher Liebe" tun, dann wird der von uns erwünschte pädagogische Ahaeffekt erfolgen.
Und zur Kontrolle haben wir unsere eigenen Datenbank als Backup. Da hat die ABDA dann schon einmal ein Ziel für ihre aufgemotzte IT-Struktur.
Sollten die Ärzte blöd oder pikiert reagieren, was ich zunächst einmal nicht annehme, dann kann man die Datenflut sicher medienwirksam verbraten. Da wird uns dann schon etwas einfallen.
In diesem Zusammenhang möchte ich die Verantwortlichen bei der DAZ loben, dass Sie Dich als Kolumnistin eingestellt haben. Das ist sehr schön.

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Die Kollegin Kossendey-Koch spricht mir aus der Seele

von Hummelmann am 13.01.2016 um 19:11 Uhr

Bitte machen Sie unbedingt weiter so!
Ihre Worte sprechen mir direkt aus der Seele.
Aber Sie sollten sich nicht zur Wahl stellen. Was Deutschland braucht ist nicht eine Präsidentin Kossendey, sondern 20.000 Kossendeys jeden Tag im Gespräch mit unseren Kunden und geschlossene Reihen, wenn es darum geht unsinnige Vorgaben zu boykottieren. Nur wenn der Bürger unsere Sorgen und Nöte versteht, können wir etwas zum Guten verändern. Es stehen immer irgendwo Wahlen an. Und das ist das Ende das Einzige, was unsere Politiker interessiert: Machterhalt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Keine Angst...

von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 14.01.2016 um 9:12 Uhr

...ich will und werde keine Präsidentin- weder vom Kaninchenzüchterverein noch von der ABDA. Dafür bin ich nicht genug selbstverliebt und machtgeil. Und ich bin zu unbequem und zu pragmatisch. Ich bleibe an der Basis, denke quer und mach mein Ding :)

AW: Ihr Kommentar

von Schmidl Peter am 20.01.2016 um 19:00 Uhr

Liebe Frau Hummelmann,
ein altes Sprichwort lautet: der Fisch fängt vom Kopf her zum stinken an!
d.h. im übertragenen Sinne wir können in der Praxis noch ca. 100 Jahre so "weiterwursteln", wir werden nie zum Erfolg kommen,wenn wir nicht " dem stinkenden Fisch den Kopf abschneiden!

Ann - KK-K

von Heiko Barz am 13.01.2016 um 18:45 Uhr

Warum behandeln uns die KKassen in den letzten 10 Jahren immer schlechter?
Weil sie es können!
Und nur deswegen, weil sie die Regierungsebene klar als Rückenstärkung hinter sich wissen.
Solange wir uns nicht stärker bemerkbar machen, wird nichts aber auch gar nichts zu unserem Vorteil geschehen.
Was sagte noch sehr gewichtig F.Schmidt am letzten Apotag: wir sollten die Politiker nicht verschrecken, wir brauchten sie vielleicht noch mal für unsere Angelegenheiten.
Ich lach mich kaputt!!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Ich lach mit!

von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 14.01.2016 um 9:17 Uhr

Schmidt und Co verschrecken die Politiker jedes Mal aufs Neue mit ihrem schwammigen, profillosen Nettsein gepaart mit Rumgeheule. Da fehlen klare Statements mit Ecken und Kanten, über die man kontrovers diskutieren kann. Das bleibt hängen, pures Gejammere, warum die Apotheker immer draußen bleiben, wohl kaum.

Ann-Katrin Kossendey-Koch for Präsident!

von AH am 13.01.2016 um 18:30 Uhr

Liebe Frau Kollegin. Manchmal frage ich mich wirklich, woher Sie nicht nur die Kraft sondern in Hinblick auf unseren alltäglichen Wahnsinn voarllem die Zeit nehmen - sich mit einer solchen Hingabe den wirklichen Themen unserer Zeit zu widmen. Wie immer verbeuge ich mich vor der Qualität Ihrer Beiträge. Hier, tagtäglich auf Facebook, überall ...

Ann-Katrin Kossendey-Koch for Präsident!

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AW: Vielen Dank...

von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 14.01.2016 um 9:21 Uhr

Woher ich die Kraft nehme? Gute Frage...zum einen treibt mich die Liebe zu unserem in meinen Augen wichtigen und wunderbaren Beruf voran und die Erkenntnis, dass nur Taten Veränderungen bringen. Und bitte nicht übel nehmen...ich bleibe lieber die Präsidentin meiner Familie ;)

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