Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

10.01.2016, 07:00 Uhr

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: imagesab - Fotolia.com)

Rückblick auf die letzte Woche (Foto: imagesab - Fotolia.com)


Wenn’s um die Figur der Kleinen geht, kennen Apothekers kein Pardon. Und die ABDA zerbricht sich den Kopf über die Arzneiausgaben der Kassen. Aber nicht über deren 1-Cent-Einnahmen aus den Retaxen. Und wie schön, dass ausgerechnet CDUler glauben, die Apothekers stehen in der gesellschaftspolitischen Wertschätzung an oberster Stelle. Wo wir doch bald Drogenhändler werden dürfen.

4. Januar 2016

Das war ein kleiner Sturm im Wasserglas des Apotheken-Umschau-Verlags Wort&Bild, den zwei Apothekers mit ihren Posts auf Facebook in Bewegung gebracht hatten. Ann-Katrin Kossendey-Koch, Ammerland-Apotheke Wiefelstede, und Thomas Luft, Post-Apotheke Neckarhausen, monierten einen Beitrag in Medizini, der Kinder fragte, wie zufrieden sie mit ihrer Figur seien. Die Post-Apotheke beschloss sogar, das Heft nicht mehr abzugeben, andere Apotheken, die darauf aufmerksam wurden, entfernten die Seite mit dem Figurtest aus Medizini (und damit war auch das schöne Poster „Tiere in Ostafrika“ weg). Die kritischen Apothekers sind der Ansicht, dass sich Kinder nicht mit Ihrer Figur beschäftigen sollten, da diese durch verschiedene Wachstumsphasen geprägt seien – das könnte zu falschen Reaktionen führen. Die Posts schlugen Wellen bis in die großen Medien hinein. In einer Stellungnahme des Wort&Bild Verlags hieß es dazu: „Der Beitrag will damit das Bewusstsein dafür schaffen, dass zu viel Beschäftigung mit dem eigenen Körper schädlich sein und zum Beispiel Krankheiten wie Magersucht begünstigen kann.“ Hmm, mein liebes Tagebuch, gut gemeint, aber dass ein solcher Beitrag erst recht dazu anregen kann, sich mit der Figur zu beschäftigen, auf die Idee ist die Medizini-Redaktion nicht gekommen. Und dass die Zehn- bis Zwölfjährigen wohl nicht die größte Lesergruppe von Medizini darstellen dürften. Andererseits, man kann die Veröffentlichung eines solchen Beitrags auch nachvollziehen, wenn man auf Schulklassen von Zehn- bis 14-Jährigen trifft – da sieht man schon den einen oder anderen Teenager, dem es gut täte, sich ein bisschen mehr mit seiner Figur zu beschäftigen und z. B. weniger und gesünder zu essen und sich mehr zu bewegen. Nicht alles wächst sich mehr aus. Aber diese Zielgruppe liest kein Medizini mehr, die kaufen sich’ne „Bravo“ – wenn sie überhaupt noch Papierzeitschriften lesen.

5. Januar 2016

Jedes Jahr die gleiche Meldung, jedes Jahr der gleiche Nachgeschmack: Unsere ABDA spielt Pressestelle des GKV-Spitzenverbands. Sie posaunt die gestiegenen Arzneimittelausgaben der Krankenkassen in die Runde. BILD & Co. reicht das bildmäßig weiter unter Berufung auf den „Apothekerverband“. Was bleibt beim BILD & Co.-Leser hängen, mein liebes Tagebuch? Ja, genau: Mehr Ausgaben für Arzneimittel, mehr sauteure Arzneimittel – klar, die Apotheker haben schon wieder mehr Umsatz und Reibach gemacht, die sahnen ab. Na, ein „wunderschöner“ Beitrag zum Image der Apotheke. Denn: Ich glaube man liegt nicht falsch mit der Annahme, dass der durchschnittliche BILD-Leser nicht weiß, was eine Apotheke für die Abgabe eines Arzneimittels bekommt. Einfach immer wieder nett unsere eigene Öffentlichkeitsarbeit.

6. Januar 2016

Dreikönigstag. Comeback der FDP. Sie möchte wieder zurück in die große Politik. Am Einstieg in die Landesparlamente, den Sprung über die 5-Prozent-Hürde, wird hart gearbeitet. Beim traditionellen FDP-Treffen am Dreikönigstag in der Stuttgarter Oper legt Parteichef Christian Lindner einen eloquenten Monolog aufs Parkett. Er redet viel und über alles, nur nicht über gesundheitspolitische Themen. Mein liebes Tagebuch, die Ärzte- und Apothekerpartei wollen die Gelb-Blauen vermutlich nicht mehr sein. Und auch nicht mehr die Freunde der Hoteliers. Jetzt haben sie German Mut, haben Westerwelle und Rösler hinter sich gelassen und wollen wieder mit den Großen in der Wirtschaft anbandeln. Es gibt Chancen für Lindner – auch wenn seine Partei bei Apothekers nach Rösler und Bahr nicht die besten Erinnerungen hervorruft.

7. Januar 2016

Apotheker befinden sich in der gesellschaftspolitischen Wertschätzung an oberster Stelle – sagte der CDU-Abgeordnete Georg Kippels, Nachfolger von Jens Spahn im Gesundheitsausschuss. Ja, mein liebes Tagebuch, das hat er wirklich so gesagt, auf dem Neujahrsempfang des Apothekerverbands Köln. Ja, wie? War Herr Kippels eigentlich in den letzten Wochen vor Ort im Bundestag? Hat er denn nicht die Schreiben seiner Partei gelesen und die Presse verfolgt? Keine Honoraranpassung für Apotheker, aber dafür ein Gutachten in zwei Jahren, keine Erhöhung der BtM-Gebühr und der Rezepturpreise, ein antikes Apothekerberufsbild, das  Gröhe in EU-Richtlinien schreibt, und die Apotheker sind bei der Prävention und beim Medikationsplan außen vor – lieber Herr Kippels, wenn in den Augen der CDU so die „gesellschaftspolitische Wertschätzung“  aussieht, dann Gute Nacht.

 

Ja, ja, eine Meldung über Arzneimittelausgaben posaunt man nicht einfach mal so in die Welt, sie  kommt wie ein Bumerang zurück. Nach BILD hat die FAZ das Thema aufgegriffen und stellt die enorm gestiegenen Zuzahlungen für Kassenpatienten in den Mittelpunkt, vor allem die in der Apotheke. Über 1,6 Milliarden Euro mussten die Versicherten an Zuzahlungen leisten. Bei Arzneimitteln ab 100 Euro sind gleich mal zehn Euro fällig. Natürlich erwähnt die FAZ nicht, dass dieses von Apotheken einkassierte Geld nicht den Apotheken zugutekommt, sondern an die Kassen fließt. War’s die BILD-Meldung, war’s der FAZ-Bericht – wir wissen es nicht, aber irgendwie brachten die Meldungen  unsere ABDA dann doch auf Trab. In einer Pressemitteilung macht sie darauf aufmerksam, dass es an den Kassen liegt, ihre Versicherten zu entlasten und dass die Apotheken das Beste tun, ihren Patienten zuzahlungsfreie Alternativmedikamente zu empfehlen. Und dass Apotheker und Patient über das Arzneimittel, aber nicht über die Zuzahlung sprechen sollten. Oh, mein liebes Tagebuch, klar, übers Arzneimittel reden ist immer gut. Aber wieso sollten sie denn nicht über die Zuzahlung reden? Da geht es um das Geld des Versicherten, da muss er drüber reden dürfen. Mit seinem Apotheker. Ganz vertrauensvoll.

8. Januar 2016

Jetzt wird’s heiß: Wir Apothekers werden Drogenhändler, im wahrsten Sinn des Wortes. Wir dürfen bald Haschisch bunkern und dealen. Und das ist gut so. Ein Gesetz ist in der Mache, das für schwer chronisch Kranke den Zugang zu Medizinal-Cannabis erleichtern soll. Danach ist geplant, dass unser  Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine staatliche Cannabisagentur einrichtet, die den Anbau und die qualitätsgesicherte Versorgung mit Cannabis in Deutschland koordiniert und kontrolliert. Der Arzt darf dann getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte in pharmazeutischer Qualität verschreiben. Die Apotheke bezieht die Cannabis-Arzneimittel nach einem ähnlichen Verfahren wie die anderen Betäubungsmittel auch. 100 Gramm pro 30 Tage ist als Obergrenze vorgesehen, Ausnahmefälle sind möglich. Und die Kasse zahlt. Mein liebes Tagebuch, da hat ein Umdenken stattgefunden, das chronisch Kranken Linderung verschaffen kann. Profitieren sollen von Cannabis beispielsweise Patienten mit MS-bedingter Spastik und Schmerzen, Patienten mit bestimmten Krebsformen, Depressionen, Epilepsie oder Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn.

 

Und das Schmankerl der Woche: die 1 Cent-Retaxation der AOK Rheinland/Hamburg. Formal alles richtig, die Apotheke wurde zurecht retaxiert, weil sie einen Betrag falsch rundete. Trotzdem: Der Vorgang ist an Absurdität kaum zu überbieten. Mein liebes Tagebuch, da laufen Automatismen ab, Menschen schauen da wohl nicht mehr drauf, welche Schreiben rausgehen. Irgendwie irre, oder? Ganz zu schweigen, dass die Kasse damit wohl gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat: Allein die Ausdrucke, die Begleitbrieferstellung und das Porto waren wesentlich teuer als 1 Cent. Wie lange hält der Retaxirrsinn eigentlich noch an? In welcher Welt leben wir eigentlich?


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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3 Kommentare

Teufelskreis

von Bernd Jas am 10.01.2016 um 14:46 Uhr

Guten Morgen Herr Ditzel,

so manches Mal beschleicht mich das Gefühl, das Sie es schaffen so einiges heraufzubeschwören. So standen wir lange Zeit vor der Pille danach, Sie standen vorher schon dahinter und jetzt haben wir sie in der Hand und die Gynäkologen auf der Palme. Aber egal, ...gut is!
Dann schrieben Sie vor etwas mehr als zwei Jahren: "Advent, Advent ein Jointlein brennt".
Nun, ... nach zweiter, dritter und vierter Runde rauchender Köpfe in den Parlamenten, sieht man der Sache anscheinend schon ziemlich gelassen in die Augen.
Wahrscheinlich soll es dann so sein, wenn sich um den Advendskransgesang zum Spekulatius- und Zimtduft noch antidepressive Hascharomen mischen.

Denn wenn ich mir so die Indikationen betrachte, dann sticht eine besonders heraus; die Depression.
Im Mittel war 2013 rechnerisch jede Erwerbsperson innerhalb des Jahres gut einen Tag aufgrund von Depressionen arbeitsunfähig gemeldet. (Quelle: Depressionsatlas der TK)
Steht uns jetzt ein neuer Hype bevor? Vor allem wenn man bedenkt, dass man folgenden Teufelskreislauf durchbrechen könnte.

Ärzte Zeitung, 05.04.2004; "So sei inzwischen gesichert, dass während einer Depression die Sekretion von Stresshormonen und besonders die Freisetzung von Cortisol ins Blut zunehme."

Die Folgen sind, man sollte es nicht meinen, Diabetes T-II, Zunahme des Körpergewichtes und vor allem noch mehr Depressionen.

Das wäre doch mal ein Durchbruch. Die Jungs schlucken ihr Methylphenidat und die Mädels nach einschlägiger Literatur (siehe: „Medl Sieh Nie“ ...und glaub das nie!) ihr Canabinoid-Pillchen mit modulierter Fressattackenreduktion.

Die von unseren Gesund-Ernähre-Dich-Gurus schon im Kindesalter hervorgerufenen Essstörungen
mit Folgedepressionen würden endlich links liegen gelassen. Es würden nicht mehr unter Selbstkasteiung deren Diäten und zermürbenden Ratschläge, sondern ein ordentlicher Bissen vom Wurstbrot zum Frühstück geschluckt.


Eine weitere Indikation trifft auf unsere heißgeliebten Retaxeure zu, wenn sie wieder mal die Zuckungen bekommen und sich so die vermeintlich ungültigen Rezepte mit Formfehlern heraus zupfen. Die denken sich dann höchstens: "Ein Cent......blöde Dystaxie, ach sch... was drauf!" und gut is.

Und Herr Ditzel SIE fragen sich: „….das hat er wirklich so gesagt, auf dem Neujahrsempfang des Apothekerverbands Köln. Ja, wie? …..“
Kleiner Tipp, vielleicht hat er es ja schon?

Wie wir merken können Sie mit uns durch solche Heraufbeschwörungen an die Schwelle gesamtgesellschaftlicher Auswirkungen gelangen, die jedoch auch gewaltige Fehleinschätzungen mit sich bringen können. Absolute Kontraindikation ist bei einem Zustand gegeben, wie wir in vom unserer ABDA her kennen. Diese Organisation versinkt dann in absolute Regungslosigkeit...ähhh..,
haben die es schon länger?

In diesem Sinne: „Legelize Himbeereis“ für alle Diätknechte...und zwar eine richtig große Portion mit viel Sahne. Das ist echt antidepressiv.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Betreutes Denken für ApothekerInnen.

von Ch. Timme am 10.01.2016 um 11:52 Uhr

Zwei Worte die es Wert sind, im Zusammenhang mit dem o.g. Thema zu Zuzahlungen für Kassenpatienten, genannt zu werden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Lobpreisung

von Frank ebert am 10.01.2016 um 9:38 Uhr

Wir wurden in Köln von Herrn Kippels gelobt? ---- dann ist es nichts wert. Dort wird es im Moment mit der Wahrheit nicht sehr genau genommen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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