Rx-Abgabe ohne Rezept

Zustimmung irgendeines Arztes nicht ausreichend

Berlin - 20.07.2015, 11:05 Uhr

Rx-Abgabe ohne Rezept: nur, wenn der behandelnde Arzt zustimmt. (Foto: Alexander Raths/Fotolia)

Rx-Abgabe ohne Rezept: nur, wenn der behandelnde Arzt zustimmt. (Foto: Alexander Raths/Fotolia)


Wenn die Anwendung einen verschreibungspflichtigen Medikaments keinen Aufschub erlaubt, darf der Apotheker es nach Rücksprache mit dem Arzt ausnahmsweise ohne ein vorliegendes Rezept abgeben. Allerdings nur, wenn es sich dabei um den behandelnden Arzt handelt, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) bereits am 8. Januar (Az. I ZR 123/13) – die Zustimmung irgendeines Arztes, der den Patienten gar nicht kennt, reiche nicht aus. Inzwischen liegen die Urteilsgründe vor. Auslöser für die Entscheidung waren Meinungsverschiedenheiten zweier Apotheker im baden-württembergischen Aulendorf.

Matthias Stadler, Inhaber der Schloss-Apotheke, hatte beobachtet, dass eine Mitbewerberin eine „Notfallregelung“ pflegte. Ein exemplarisches Beispiel entfachte den gerichtlichen Streit: An einem Samstag im Februar 2011 lehnte seine Mitarbeiterin es ab, einer Kundin, die dort seit Jahren ihren verordneten Blutdrucksenker bezog, diesen ohne Rezept auszuhändigen. Stattdessen verwies sie sie auf den 15 Kilometer entfernten ärztlichen Notdienst in Bad Saulgau. Die Kundin versuchte es daraufhin in der nahegelegenen Apotheke am alten Rathausplatz von Gisela Möhringer – mit Erfolg: Dort erhielt sie die 100er-Packung Tri Normin 25, nachdem Möhringer Rücksprache mit einer befreundeten Ärztin gehalten hatte, die die Abgabe für unbedenklich erklärte.

Stadler mahnte Möhringer daraufhin ab und nahm sie auf Unterlassung in Anspruch. Zudem forderte er Auskunft über weitere kerngleiche Handlungen. Man stritt bis zum BGH. Der gab Stadler recht: Verstöße gegen die in § 48 AMG geregelte Verschreibungspflicht seien grundsätzlich als unlauter anzusehen. Ob ein solcher Verstoß für andere Marktteilnehmer spürbar sei (§ 3 Abs. 1 UWG), spiele dabei keine Rolle, befanden die Richter. Denn für einzelfallbezogene Abwägungen sei angesichts des hohen Schutzguts der menschlichen Gesundheit sowie der großen Gefahr, die mit einer Fehlmedikation verschreibungspflichtiger Medikamente verbunden sei, kein Raum.

Ausnahmeregelungen greifen nicht

Fazit: Durch die Abgabe ohne Rezept verstieß Möhringer gegen § 48 AMG. Zwar ist es der verschreibenden Person nach § 4 Abs. 1 AMVV ausnahmsweise erlaubt, den Apotheker über die Verschreibung und deren Inhalt zu unterrichten, wenn die Anwendung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels keinen Aufschub erlaubt. Das Rezept muss dann unverzüglich nachgereicht werden. Allerdings setze dies „eine eigene Therapieentscheidung des behandelnden Arztes auf der Grundlage einer vorherigen, regelgerechten eigenen Diagnose voraus“, heißt es im Urteil. An dieser fehle es aber bei der Zustimmung eines Arztes, der „den Patienten nicht kennt und deshalb zuvor nicht untersucht hat und nicht behandelnder Arzt des Patienten ist“.

Auch unter dem Aspekt eines rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB analog) hielten die Richter die Abgabe nicht für gerechtfertigt. Droht eine erhebliche, akute Gesundheitsgefährdung des Patienten, kann dieser in Betracht bekommen, auch wenn die Voraussetzungen des § § 4 Abs. 1 AMVV nicht erfüllt sind – etwa wenn der behandelnde Arzt nicht  erreicht werden kann. Doch Möhringer habe nicht dargelegt, erklären die Richter, dass der Gesundheitszustand der Patientin keinen Aufschub mehr erlaubt hätte. Zwar hätte noch am Wochenende ein lebensbedrohlicher Zustand eintreten können, allerdings hätte eine ärztliche Kontrolle mit anschließender Verschreibung durch den ärztlichen Notdienst in Bad Saulgau durchaus abgewartet werden können.


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