Im Vorbeigehen analysiert

mp | Mitte Februar greift Kolumnist Adrian Lobe in Spektrum der Wissenschaft eine Meldung aus dem Jahr 2018 auf. „Chinesische Software identifiziert Menschen beim Gehen“, titelte damals die Associated Press. Es klingt wie Science-Fiction: Nach Fingerabdrücken und DNA-Spuren sind automatisierte Ganganalysen der neue Trumpf der Forensiker. „Watrix” heißt die Software, mit der die chinesische Regierung arbeitet. Aus Aufnahmen von Überwachungskameras leitet Watrix Daten zu Gehwinkel, Schrittlänge, Schrittfrequenz und viele weitere Werte ab. Mithilfe von künstlicher Intelligenz erstellt die Technologie ein individuelles Gangmuster und vergleicht dieses mit anderen Videoaufnahmen. Jede Person soll sich ein­deutig identifizieren lassen – das Verfahren soll genauer als die Gesichtserkennung sein. Der Nutzen der Ganganalyse geht aber über die Forensik hinaus. Sportwissenschaftler nutzen sie, um Bewegungsabläufe von Athleten zu optimieren. In der Medizin eignet sich die Methode, um Schlaganfälle zu diagnostizieren und das Stadium von Parkinson-Patienten zu beurteilen. Die guten Seiten der Ganganalyse möchte auch Software-Entwickler Apple unterstützen. Wie der Konzern 2021 bekannt gab, erfasst das iPhone ab Betriebssystem iOS 14 detailliert Metriken zur Mobilität, mit denen sich der Gang der Smartphone-Besitzer analysieren lässt. Dies soll z. B. bei der Einschätzung helfen, wie mobil geriatrische Patienten sind und mithilfe einer Benachrichtigung vor einem möglichen Sturzrisiko warnen. Zur Beurteilung gibt es verschiedene Indikatoren. So nimmt die Schrittlänge mit zunehmendem Alter ab und ist ein Anzeichen für eine eingeschränkte Beweglichkeit. Der Gang einer Person stellt also ein individuelles Erkennungsmerkmal dar und kann vielfältig genutzt werden. Es bleibt zu hoffen, dass die guten Seiten überwiegen. |