Gesundheitspolitik

Ärzte fordern Machtwort von Lauterbach an die Gematik

BÄK-Präsident Reinhardt: Digitalisierung nicht an Interessen von Plattformanbietern orientieren

cha | Diese Woche – am 31. Mai – soll eine Gesellschafterversammlung der Gematik stattfinden, bei der das weitere Vorgehen bei der Einführung des E-Rezepts abgestimmt wird. Geplant war dies bereits für den 9. Mai, doch an diesem Termin konnte keine Einigung erzielt werden. 

Vorgesehen war, so eine an die Öffentlichkeit gelangte Beschlussvorlage des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), dass das E-Rezept ab 1. September für alle Apotheken sowie für sämtliche Ärzte in Schleswig-Holstein und Bayern verpflichtend eingeführt wird. Unter der Ärzteschaft sorgte diese nicht abgestimmte Vorgehens­weise des BMG für Entrüstung. Das zeigte sich auch beim Deutschen Ärztetag vergangene Woche in Bremen. Bereits im Vorfeld forderte KBV-Chef Andreas Gassen ein Machtwort des BMG gegenüber der Gematik. Auch BÄK-Präsident Klaus Reinhardt warnte in seiner Eröffnungsrede eindringlich davor, das E-Rezept einzuführen, bevor es fehlerfrei und nutzerfreundlich laufe.

Andreas Gassen, Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), hatte bereits bei der Vertreterversammlung am vergangenen Montag vorgelegt und an den Bundesgesundheitsminister appelliert: Wenn er es ernst meine „dass es bei der Digitalisierung erstens um Versorgungsverbesserungen gehen muss, zweitens, dass Funktionalität wichtiger ist als ein Stichtag und drittens, dass Betroffene zu Beteiligten gemacht werden sollen“, dann bedürfe es einer kompletten Neuausrichtung dieses Prozesses und eines Machtwortes des Bundesgesundheitsministeriums in Richtung Gematik, sagte Gassen. „Es darf hier nicht länger der Schwanz mit dem Hund wedeln!“

Foto: Die Hoffotografen

BÄK-Präsident Reinhardt warnt eindringlich vor dem Einfluss von Kapitalinvestoren.

Wenn auch moderater im Ton, doch genauso dezidiert äußerte sich der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) Klaus Reinhardt bei seiner Eröffnungsrede zum Deutschen Ärztetag. In Anwesenheit von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach betonte er, in der Ärzteschaft bestehe kein Zweifel darüber, dass die Digitalisierung ein enormes Potenzial habe, die Patientenversorgung zu verbessern. Doch nicht alle Ärzte seien IT-Experten, der Umgang mit digitalen Anwendungen müsse also intuitiv sein und die Anwendungen müssten dauerhaft störungsfrei und sicher im Praxis­alltag funktionieren.

Reinhardt befürchtet vor­gezogene Ruhestandswelle

Eindringlich warnte Reinhardt angesichts der bevorstehenden „enormen Ruhestandswelle“ im ärzt­lichen Bereich davor, dass „ältere Kolleginnen und Kollegen aus Frust wegen unausgereifter digitaler Technik noch früher als geplant aus der Versorgung aussteigen“.

In Bezug auf das E-Rezept erinnerte Reinhardt daran, dass die Ärzteschaft in den letzten Jahren immer wieder angemahnt habe, dass Geschwindigkeit nicht vor Gründlichkeit gehen dürfe. Auch hier betonte er: „Das E-Rezept hat aus unserer Sicht enormes Potenzial, die Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland weiter zu verbessern und die Abläufe in den Praxen sowie zwischen den Sektoren zu vereinfachen.“ Aber die Technik müsse funktionieren. Die Gesellschafterversammlung der Gematik habe sogenannte Quality-Gates beschlossen, bevor es zu einem bundesweiten Rollout mit verpflichtender Nutzung komme. Darin heiße es, dass alle technischen Dienste der Telematikinfrastruktur fehlerfrei zur Verfügung stehen müssten und dass die Nutzerfreundlichkeit der an den Tests beteiligten Leistungserbringer evaluiert werde. „Diese Voraussetzungen dürfen nicht aufgeweicht oder politisch instrumentalisiert werden!“, appellierte Reinhardt an Lauterbach.

Zudem warnte der BÄK-Präsident vor den Interessen der Kapitalgesellschaften. Es stehe völlig außer Frage, dass die Digitalisierung unser Gesundheitswesen verändern werde. Umso wichtiger sei es, dass Patienten und Ärzte Vertrauen in diese neuen Strukturen und Abläufe entwickeln könnten. „Dazu zählt zuallererst Vertrauen darauf, dass sich der Ausbau digitaler Strukturen in unserem Gesundheitswesen an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientiert und nicht an den Marktinteressen von Tech-Konzernen und sogenannten digitalen Plattformanbietern“, forderte Reinhardt. Und betonte: „Das gilt auch für alle anderen Bereiche unseres Gesundheitswesens.“ Unter Verweis auf die steigende Zahl fremdfinanzierter MVZ mahnte er: „Es kann nicht sein, dass die Versorgung mehr und mehr denjenigen überlassen wird, deren primäres Ziel es ist, für ihre Kapitalinvestoren möglichst hohe Renditen zu erwirtschaften.“

Inwieweit die Worte der Ärzteverteter beim Gesundheitsminister auf offene Ohren gestoßen sind, bleibt abzuwarten. Zumindest was das E-Rezept angeht, dürften in dieser Woche die wegweisenden Entscheidungen fallen. |

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