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Management

Tod und Trauer am Arbeitsplatz

Der Trauer Raum geben – und aushalten

Tod und Trauer gehören zum Leben. Dennoch ist der Umgang damit nicht leicht. Nicht zuletzt die damit verbundenen starken Emotionen führen zu einer gewissen Tabuisierung. Tod und Trauer können uns jedoch auch am Arbeitsplatz begegnen und viele Fragen aufwerfen. Wie geht man mit Trauernden um? Wie verarbeitet man den Tod eines Kollegen? Wie sollte man sich in dieser Ausnahmesitua­tion verhalten?

Jeder von uns wird früher oder später mit Tod und Trauer konfrontiert. Letztlich sind wir alle sterblich. So normal sowohl der Tod als auch die dazugehörige Trauer sein sollten, so sehr handelt es sich häufig um ein Tabuthema, das die meisten Menschen meiden. Der Tod ängstigt uns, es ist unangenehm und hoch emotional, sich mit dieser Ausnahmesituation zu beschäftigen. Dennoch begegnen uns im Alltag immer wieder trauernde Menschen. Auch wir selbst werden – meist mehrfach im Leben – um andere Menschen trauern. Es ist jedoch nicht einfach, mit Trauer beziehungsweise mit Trauernden richtig umzugehen, da es ein höchst privates Gefühl ist.

Es ist eine Binsenweisheit, dass auch jeder Betrieb irgendwann mit Tod und Trauer konfrontiert sein kann. Diese Ausnahmesituationen können sich auf das Team als Ganzes und jeden einzelnen Mitarbeiter auswirken. Der Betriebsablauf kann beeinträchtigt werden. Wie wirken sich Tod und die damit verbundene Trauer auf uns aus? Wie kann das Umfeld – und auch der Trauernde selbst – besser mit der belastenden Situation umgehen? In Apotheken kommt der Kontakt mit trauernden Kunden hinzu. Auch hier sollte angemessen reagiert werden.

Was ist Trauer?

Trauer gehört zum Leben. Doch was macht die Trauer eigentlich mit uns? Zunächst muss festgehalten werden, dass es sich bei der Trauer um einen normalen – und nicht krankhaften – Prozess handelt. Die körperlichen Symptome können allerdings so stark sein, dass der Betroffene sich krank fühlt. Zudem kann dieser Aus­nahmezustand gegebenenfalls auch krank machen. Normaler­weise passiert das aber nicht.

Trauer wird beschrieben als eine normale Reaktion bei bedeutsamen Verlusten wie beispielsweise dem Tod von nahestehenden und/oder geliebten Menschen. Die dadurch hervorgerufene Gemütsverstimmung dient normalerweise der Verarbeitung dieses Verlustes. Dennoch handelt es sich um eine extreme Stresssituation für Seele und Körper.

Der Trauernde leidet also ganzheitlich. Körperlich zeigen sich häufig eine schnellere Ermüdbarkeit und Konzentrationsschwächen. Manch einer reagiert mit Schmerzen im Magen, Kopf, Herz oder in der Muskulatur. Andere haben den Eindruck, nicht richtig atmen zu können. Appetitlosigkeit ist ebenfalls eine häufige Folge. Auch ein Gefühl von Kälteschauern oder Schüttelfrost kann den trauernden Körper erfassen. Das vegetative Nervensystem, der Stoffwechsel und das Immunsystem reagieren auf die extreme und ungewohnte Belastungssituation. Die betroffenen Menschen können zudem von ihren Gefühlen „überrannt“ werden. Diese Empfindungen können durchaus widersprüchlich sein. Gefühle von Einsamkeit, Verlassenheit und Hilflosigkeit wechseln sich beispielsweise ab mit Wut oder Zorn auf die Situation. Ein Gefühl von Sinnlosigkeit kann sich einstellen. Die Seele ist aus dem Gleichgewicht – und muss dieses erst wiederfinden.

Trauer ist ein Wandlungsprozess

Trauer ist nicht statisch, sondern im Gegenteil ein Wandlungsprozess, der auch den Trauernden verändern kann. Häufig werden in dieser intensiven Zeit verschiedene Phasen durchlaufen. Diese können wellenförmig verlaufen, sich in gewisser Weise auch überlappen. In jedem Fall handelt es sich um einen individuellen Prozess ohne Fahrplan oder festen zeitlichen Ablauf. Inwieweit tatsächlich von einem phasenhaften Prozess gesprochen werden kann, ist ebenfalls von Mensch zu Mensch und Fall zu Fall unterschiedlich.

In der psychologischen Forschung wird meist noch von den sogenannten Trauerphasen gesprochen. Gleichzeitig wird heutzu­tage die Trauer auch als eine Art von Aufgabe gesehen, die der Trauernde mit der Zeit bewältigen muss. Dazu gehört, sich der Realität zu stellen und den Verlust anzunehmen. Die Trauer muss ausgehalten werden. Eine weitere Herausforderung kann der Weg in ein neues Leben ohne den Verstorbenen darstellen.

Wenn überhaupt noch von Phasen der Trauer gesprochen wird, so wird beschrieben, dass viele Menschen sich zunächst in einer Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens befinden. Die Betroffenen fühlen sich wie betäubt. Je unerwarteter der Tod war, desto länger und intensiver kann diese Phase sein. Bei manchen Menschen kommt es danach zu einem Aufbrechen von intensiven Emotionen. Häufig suchen Trauernde auch Verbin­dendes zum Verstorbenen. Erinnerungen kommen hoch. Das kann bestenfalls tröstlich sein. Am Ende findet normalerweise ein „Loslösen“ vom Verstorbenen statt, verbunden mit einer Akzeptanz der neuen Situation.

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Gestörte Trauerverläufe

Nicht immer verläuft die Trauer „normal“ oder „problemlos“. Was ist damit gemeint? Immerhin lässt sich Trauer nicht in eine Norm pressen und ist zudem sehr individuell. Dennoch gibt es Fälle von nicht enden wollender Trauer, von Trauer, die in eine Depression mündet, sowie von besonders komplizierten oder traumatischen Trauerverläufen. In der Vergangenheit wurde meist von einem Jahr Trauer ausgegangen, dem sogenannten Trauerjahr. Dieser Zeitraum wurde akzeptiert – und sogar erwartet. Heutzutage gibt es keine solchen festen Normen. Dennoch kann von einem komplizierten beziehungsweise stark verlängerten Trauerverlauf ausgegangen werden, wenn auch nach einem Jahr die Trauer noch nicht nachgelassen oder sich gewandelt hat. Ein Trauerverlauf kann sich abhängig von dem Trauma des Todes verkomplizieren. Beispiele sind der Tod des eigenen Kindes, ein Suizid oder unerwartete Todesfälle etwa durch einen Verkehrsunfall.

Die Frage, ab wann von einer Depression und nicht mehr von einer Trauer gesprochen werden kann, ist nicht einfach zu beantworten. Bedauerlicherweise gibt es Tendenzen, schon recht frühzeitig ein gewisses „Funktionieren“ des Trauernden zu erwarten. Doch ist das gerechtfertigt? Trauer erfüllt immerhin eine wichtige Funktion. Verdrängte Trauer als Gegenstück zu überlanger Trauer kann ebenfalls krank machen – körperlich wie seelisch.

Trauer am Arbeitsplatz kann überfordern

In der Apotheke kann uns die Thematik gleich mehrfach begegnen. Gerade im eher sachlichen Umfeld des Arbeitsplatzes ist es dann besonders schwer, mit Tod und Trauer umzugehen. Es kann schnell zu einer Überforderung im Team führen. Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation. Wie jetzt reagieren? Eine gewisse Sprachlosigkeit und Unsicherheit im Umgang mit der Situation gehören meist dazu.

Tod und Trauer können in der Apotheke in verschiedenen Szenarien vorkommen. Wir müssen mit der Tatsache umgehen können, dass einer unserer Kollegen trauert. Gegebenenfalls noch schwieriger kann sich die Situation darstellen, wenn unser Team den Tod eines Kollegen verkraften muss. Ganz praktische Fragen können sich daraus ergeben. Wer kann die Arbeit des Kollegen übernehmen? Muss jemand neu eingestellt werden? Der Arbeitsplatz ist verwaist, der Kollege hat persönliche Dinge zurückgelassen. Wer übernimmt die traurige Aufgabe, nach den Sachen zu sehen? Viele Dinge müssen entschieden werden.

Ebenso begegnen uns immer wieder trauernde Kunden. Auch das gehört dazu. Nicht immer wissen wir um die Situation. Doch gerade bei langjährigen Stammkunden sind wir eventuell einer der Ansprechpartner, an die sich trau­ernde Menschen vertrauensvoll wenden. Dann ist es hilfreich, sich mit der Thematik vorher grundsätzlich einmal auseinandergesetzt zu haben. Was beinhaltet Trauer an unterschiedlichen Gefühlen und Reaktionen? Wie können wir am besten mit Trauernden umgehen? Trotz aller im Vorfeld gemachten Gedanken zum Thema: Jede Trauer ist individuell. Das gilt es zu berücksichtigen.

Privates Gefühl im beruf­lichen Umfeld

Stirbt ein Kollege, fehlt nicht nur in beruflicher Sicht jemand für immer. Teilweise haben sich durch das Zusammenarbeiten vertrauensvolle und enge Beziehungen herausgebildet. Der Umgang mit Trauer ist auch im beruflichen Umfeld individuell unterschiedlich und grundsätzlich ein hochgradig privates Gefühl. Daraus ergibt sich ein schwieriger Spagat für alle Beteiligten. Auf den Apothekenleiter kommt eine besondere Verantwortung zu. Das Informieren des Teams sollte durch ihn geschehen. Idealerweise sollte er empathisch und mit Fingerspitzengefühl mit der Situation um­gehen. Je nach Betroffenheit wird zunächst nicht alles wie normal funktionieren. Es braucht Zeit für die Verarbeitung des Schocks. Ebenso sollte eine Teilnahme an der Trauerfeier, soweit erwünscht, ermöglicht werden.

Wenn auch meist in verschiedene Phasen unterteilt, läuft Trauer nicht bei jedem Menschen gleich ab. Es hängt selbstverständlich auch von unterschiedlichen Faktoren ab wie den Umstände des Todes, der Nähe zum Verstorbenen und dem eigenen Umgang mit ungewohnten, schockierenden Situationen und belastenden Emotionen. Gerade auch die Umstände eines Todes können sehr belastend sein. Als Beispiele seien da der Unfalltod oder der gewaltsame Tod genannt. Eine besondere emotionale Herausforderung stellt zudem der Umgang mit einem Suizid dar. Da können zusätzlich zur Trauer auch gewisse Schuldgefühle eine Rolle spielen. Hätte das Team etwas bemerken müssen? Gab es Anzeichen? Dabei handelt es sich um eine Problematik, die den Umgang mit dem Tod erschweren kann.

Trauerrituale können hilfreich sein

Der Umgang mit Trauernden sollte einfühlsam erfolgen. Letztlich können wir nicht genau wissen, wie die Betroffenen mit der für sie einschneidenden Situation umgehen werden. Jeder trauert schließlich auf seine Weise. Zuhören können, ist sehr wichtig in dieser Situation. Seien Sie geduldig. Bieten Sie praktische Hilfen an. Zeigen Sie Mitgefühl. Erwarten Sie jedoch keine bestimmten Reaktionen. Wie gesagt: Jeder trauert anders.

Auch Trauerrituale können hilfreich sein. Rituale erfüllen verschiedenste Funktionen. Sie können beispielsweise spirituell begründet sein und Fragen nach dem Warum und einer Sinnhaftigkeit unterstützen. Trauerrituale bringen aber auch Menschen zusammen. Als soziale Wesen erleben wir dadurch eine Verbundenheit untereinander, die helfen kann, mit der Trauersituation besser umzugehen. Gedanken und Gefühle suchen nach einem Weg, ausgedrückt zu werden. Auch dieses leicht begreifliche Ansinnen kann durch Trauerrituale gefördert werden.

Trauerrituale im beruflichen Umfeld können beispielsweise das Auslegen eines Kondolenz­buches, das Aufstellen von Blumen und Fotos, das Anzünden einer Kerze genauso sein wie eine gemeinsame Schweigeminute. Denkbar wäre auch ein gemein­sames Abschiednehmen in Form einer Feier spe­ziell zum Andenken an den Verstorbenen.

El Día de Muertos

Zum Schluss etwas hoffentlich Tröstliches aus einem anderen Kulturkreis – aus Mexiko. Die Mexikaner haben einen ganz besonderen Umgang mit dem Tod. Sie feiern ihn. Jedes Jahr am ersten und zweiten November gedenken sie der Verstorbenen auf eine einmalige, fröhliche und trostspendende Art und Weise. Am Tag der Toten werden bunte Gaben­tische für die toten Angehörigen in den Häusern aufgebaut und mit allerlei Leckereien bestückt, die die Verstorbenen zu Lebzeiten besonders liebten. Auch die Gräber werden so geschmückt. Leuchtend gelbe Blumen sollen den Seelen der Verstorbenen den Weg weisen. Und dann feiern sie alle zusammen – das Leben und den Tod. Die Mexikaner gehen davon aus, dass sie an diesen Tagen die Seelen besuchen werden. Ein tröst­licher Gedanke.

Der mexikanische Literatur-Nobelpreisträger Octavio Paz beschrieb den mexikanischen Umgang mit dem Tod wie folgt: „Eine Kultur, die den Tod verleugnet, verleugnet das Leben.“ |

Inken Rutz, Apothekerin und freie Journalistin

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