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Wie werde ich kreativer?

Inspiration fällt nicht vom Himmel / Mit Walt Disney die Selbstsabotage bekämpfen

Im Allgemeinen wird Kreativität als eine Fähigkeit verstanden, etwas Neues oder Originelles zu erschaffen. Einigen steht der Sinn nach mehr. Sie haben es am liebsten, wenn sich mit dem Neuentstandenen auch etwas anfangen lässt. Es soll nicht nur hübsch, sondern zudem praktisch sein. Was ist für Sie Kreativität und wofür würden Sie ein „MEHR“ an Kreativität einsetzen?

Vielleicht hat Sie der Titel angesprochen, weil Ihnen ein über­zeugendes Konzept für die Neu­gestaltung Ihres Gartens fehlt. Oder im Beruf quält Sie dieses eine Problem, für das eine kreative Lösung her muss. Kreativität kann schöpferisch eingesetzt werden oder als Kompetenz zur Problemlösung. Dazu sollte klar sein: Kreativität ist weder der Kunst vorbehalten noch ist sie ein exklusives Handwerkszeug für Geniestreiche. Sie kommt ganz alltäglich vor und lässt sich selbst in Bereichen einsetzen, wo eher Struktur und Routine an der Tagesordnung sind.

Foto: bernardbodo/AdobeStock

Wer anders denken möchte, sollte mal anders handeln Versuchen Sie mal als Rechtshänder, die Zähne eine ­Woche lang mit der linken Hand zu putzen. Gehirnjogging der besonderen Art und ein Schritt zur Kreativität!

Die eigene Kreativität entdecken

Letztens stand ich in der Warte­schlage bei einer Floristin und bekam mit, wie sie auf die Frage antwortete, wie sie zu dem Geschäft gekommen sei. Wichtig: Es ist nicht irgendeine Floristin, sondern DIE Floristin. Bei ihr kaufen alle ein, die außergewöhnlichen Blumenschmuck oder Kunstwerke aus Naturmaterialien erwerben möchten. Ihre Antwort war schnörkellos: „Eigentlich wollte ich Krankenschwester werden, aber meine Freundin meinte, dass meine Gestecke etwas ganz Be­sonderes sind. Da bin ich Floristin geworden.“

Klingt vielleicht im ersten Moment etwas platt, die wenigsten von uns lassen sich bei der Berufswahl von einer einzigen Aussage beeinflussen. Aber wahrscheinlich war dieser Kommentar nur das letzte bisschen Rückhalt, den ihre kreative Ader brauchte, um sich durchzusetzen.

Die Wirkbereiche, in denen wir unsere Kreativität nutzen, fallen uns meist selbst gar nicht auf. Wo der eine ein Händchen für Gebäudebeleuchtung hat, findet der Nächste zielsicher Kompromisse für gegensätzliche Parteien. Es passiert selbstverständlich. Erst wenn uns jemand anders darauf aufmerksam macht, wird uns unsere eigene Fähigkeit bewusst. Mit dieser Bewusstheit können wir uns von dem ursprünglichen Wirkbereich lösen und unsere Kreativität für neue Wirkbereiche nutzen.

Welche Wirkbereiche fallen Ihnen ein, in denen Sie kreativ arbeiten und immer wieder neue Ideen ­haben? Es gibt unter Umständen einen besonderen Moment, der ­Ihnen einfällt, in dem Sie eine gute Lösung gefunden haben oder schöpferisch tätig waren. Um was ging es dabei? Wie im Beispiel der Floristin können Sie Hinweise von Freunden und Verwandten bekommen. Von diesem Ausgangpunkt ausgehend, kann kreatives Handeln in vielen Lebensbereichen etabliert werden.

Die „Spiegel“-Bestseller-Autorin Melanie Raabe beschreibt es in ihrem sehr lesenswerten Buch über Kreativität so: „Jede und jeder von uns ist kreativ. Wir sind es nur nicht alle auf dieselbe Art.“ Und sie weiß, wovon sie spricht, weil sie selbst lange auf der Suche nach ihrem kreativen Wirkbereich war.

Kreativität kanalisieren

Wenn jetzt ein prächtiges Problem daherkommt, das prädestiniert dafür wäre, kreativ gelöst zu werden, passiert in vielen Fällen Folgendes: Uns kommen zwei oder drei mögliche Lösungsansätze in den Sinn und quasi zeitgleich wird eine innere Stimme laut, warum das so auf gar keinen Fall funktionieren kann. Augenblicklich be­finden wir uns in einem Zustand innerer Zerrissenheit. Es ist ein kräftezehrender Prozess, der einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Ähnlich hemmend ist oftmals der eigene Anspruch, nach dem Motto: „Die Idee muss etwas Einzig­artiges sein und natürlich absolut überzeugend.“

Walter Elias „Walt“ Disney soll diese Selbstsabotage mit einem strukturierten Vorgehen umgangen haben. Für die drei wichtigen Phasen der Entwicklungsarbeit hatte er drei Stühle – später sogar drei separate Räume.

  • Auf dem ersten Stuhl sitzt der Visionär. Dieser Platz ist ausschließlich dazu da, um neue Ideen zu entwickeln, Abwegiges und Utopisches zu notieren. Alles ist möglich auf diesem Stuhl.
  • Auf dem zweiten Stuhl herrscht der Kritiker. Alles, was sich monieren lässt, kommt an dieser Stelle aufs Tapet. Es wird korrigiert, gestrichen und gemeckert.
  • Der dritte Stuhl gehört dem Realisten. Er bewertet die neuen Ideen des Visionärs nach Umsetzbarkeit und bezieht die Einwände des Kritikers mit ein.

Der Unterschied und damit ein wesentlicher Vorteil bei diesem Vorgehen ist, dass die Ideenentwicklung nicht durch kritische Stimmen unterbrochen wird, bevor sie richtig Fahrt aufnehmen kann. Die Kritik wird nicht raumgreifend und dadurch hemmend, sondern hat ihren Platz und kann eine positive, korrigierende Wirkung entfalten.

Alle drei Phasen werden mehrfach durchlaufen, bis das Ergebnis den nötigen Feinschliff hat und präsentabel ist. Diese Iterationsschleifen erlauben es einem, nicht direkt mit einer perfekten Idee aufwarten zu müssen, sondern sie darf reifen.

Die systematische Gestaltung des kreativen Prozesses hat sich etabliert und gehört mittlerweile zu einem professionellen Vorgehen. Bei umfangreichen Ansätzen zur Ideenentwicklung, wie dem Design Thinking, lassen sich unterschiedliche Entwicklungsphasen genauso finden wie bei der Kategorisierung von Kreativmethoden oder innerhalb der einzelnen Methoden z. B. im Coaching. Nur wenige Innovationen werden in grenzenloser (gedanklicher) Freiheit geboren und sind das Kind eines ge­legentlichen Geistesblitzes. Vielmehr braucht Kreativität einen soliden Rahmen.

Wer sein kreatives Potenzial entfalten möchte, arbeitet in Etappen:

  • aktivieren, entwickeln, aus­arbeiten
  • oder Informationen sammeln, Ideen entwickeln, Prototypen testen
  • oder wie im Fall von Disney Visionen entwickeln, kritisch beäugen und realistisch umsetzen.

„Der Zufall trifft nur einen vorbereiteten Geist“

Louis Pasteur sagt ganz zu Recht: „Der Zufall trifft nur einen vorbereiteten Geist.“ Geht es darum, etwas Neues zu entwickeln, werden wir lange warten müssen, wenn wir darauf hoffen, dass die Muse uns küsst oder die Inspiration vom Himmel fällt. Wir müssen selbst gute Bedingungen dafür schaffen, dass es vorangeht, und das bedeutet: Anfangen!

Es gibt unzählige Kreativmethoden, die Sie für den Start nutzen können. Eine wirklich gute Sammlung mit vielen zusätzlichen Informationen finden Sie in dem Buch „Creability“ von Eppler, Hoffmann und Pfister. Eine dieser Methoden ist der Kreativitätsblock, der von Martin J. Eppler und Raphaela Schilling entwickelt wurde. Es ist eine einfache Methode, die vor allem in Alltagssituationen zu mehr Kreativität verführen soll.

Bei der nächsten Fragestellung greifen Sie einfach zu einem Block und notieren die nachfolgenden Fragen. Lassen Sie nach jeder Frage Platz für die Antworten.

1) Wie lautet die Fragestellung, an der Sie arbeiten möchten?

2) Woran würden Sie erkennen, dass Sie Ihr Ziel erreicht haben?

3) Wie können Sie sicherstellen, dass Ihr Ziel garantiert nicht erreicht wird? (drei bis vier Ideen, ruhig extrem destruktiv)

4) Was wäre der positive Umkehrschluss aus Punkt 3?

5) Wie haben andere ihr Ziel erreicht? Denken Sie auch an andere Branchen, die Kunst etc. (zwei bis drei Ideen)

6) Wer sollte von diesen Ideen hören und sie weiterentwickeln? Es sollten Unbeteiligte sein, für ein unvoreingenommenes Feedback.

Beantworten Sie die Fragen und gönnen Sie sich ruhig einen „shitty first draft“, der erste Entwurf muss nicht perfekt sein. Wenn Sie die Methode Schritt für Schritt durchgehen, sind Sie sicher schon einen großen Schritt weiter. Die Methode vereint viele wichtige kreative Ansätze, wie den Perspektivwechsel, die paradoxe Herangehensweise, die Zieldefinition und den Austausch mit anderen. Ihr „Geist“ ist jetzt wach und auf die Lösung fokussiert, sodass beim weiter darüber Nachdenken und in den folgenden Gesprächen viele gute Ideen dazukommen oder die vorhandenen Ansätze feingeschliffen werden.

Literaturtipps

M. Raabe

Kreativität. Wie sie uns mutiger, glücklicher und stärker macht

btb Verlag, 2021

ISBN 978-3-442-77149-3

 

 

 

 

A. Igudesman & H. Joo

Rette die Welt. Wie Du Deine Kreativität weckst und damit alles veränderst

edition a, 2019

ISBN 978-3-99001-330-4

 

 

 

 

M. J. Eppler; F. Hoffmann; R. A. Pfister

Creability. Gemeinsam kreativ-Innovative Methoden für die Ideenentwicklung in Teams

Schäffer-Poeschel, 2017

ISBN 978-3-7910-3837-7

Zu beziehen über: Deutscher Apotheker Verlag, Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart, Tel. 0711 2582-341, service@deutscher-apotheker-verlag.de

Neues zu schaffen ist hart und darf humorvoll sein

Kreativität schenkt wundervolle Momente, aber es schmerzt geradezu, wenn sie fernbleibt. Ein Plädoyer dafür, auch bei diesem Hindernis den eigenen Weg einzuschlagen, findet sich im Buch „Rette die Welt“ von Igudesman & Joo. Die Musiker erlangten weltweite Bekanntheit durch ihre humoristischen Inszenierungen klassischer Musik.

Joo, der Pianist des Duos, hatte in seinen späten Zwanzigern das Gefühl, sich in einem Zustand von Chaos und Unordnung zu befinden. Seine Angst: „Ich verstand, dass, wenn es mir nicht gelingt, meinen Fokus und das Zentrum meiner Kreativität zu finden, ich mit leeren Händen dastehen würde: ohne Master-Abschluss, ohne Karriere, ohne Geld, ohne Heim, ohne Freunde, ohne Partner und definitiv ohne jedes Anzeichen von Kreativität.“

Solche Phasen durchleben selbst die kreativsten Köpfe. Therapeuten und Coaches konnte er sich in dem Moment nicht leisten und die Buchhandlung hielt keine passenden Ratgeber bereit. Er schaffte seinen Weg heraus aus der Misere, indem er einen kleinen Teil seines Lebens strukturierte, was sonst nicht seine Art war.

Wer anders denken möchte, sollte auch anders handeln. Versuchen Sie eine Woche lang, mit Ihren Gewohnheiten zu brechen und die Dinge anders anzugehen als sonst. Die Zähne mit einer anderen Hand putzen als gewöhnlich, eine alternative Route zur Arbeit wählen oder ein neues Hobby ausprobieren. Bringen Sie Abwechslung in Ihr Leben. Kreativität kann uns dazu dienen, Ideen für ein kreativeres Leben zu entwickeln. Jeder auf seine Art und Stück für Stück. |

Anja Keck

Anja Keck ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, Master-Coach der DGfC und Systemische Beraterin; www.anjakeck.de

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