Wirtschaft

Homöopathie-Erstattung unter Beschuss

In Frankreich kein Kostenersatz mehr ab 2021 / Politiker von Union und SPD uneins über Streichung auch in Deutschland

cha | In Frankreich dürfen ab 2021 homöopathische Arzneimittel nicht mehr von den Krankenkassen erstattet werden. Neu befeuert hat dies nun auch die Debatte in Deutschland darüber, ob es gesetzlichen Krankenkassen weiterhin erlaubt sein soll, die Kosten für homöopathische Arzneimittel zu ersetzen.

Seit der vergangenen Woche ist es amtlich: In Frankreich müssen homöopathische Arzneimittel künftig aus eigener Tasche bezahlt werden, ab 2021 sollen sie nicht mehr von der Krankenkasse erstattet werden. Die homöopathischen Arzneien seien wissenschaftlich gesehen nicht ausreichend wirksam, erklärte das französische Gesundheitsministerium laut einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur, daher sei eine Erstattung nicht gerechtfertigt. Bereits ab Januar 2020 soll der Anteil, den Krankenkassen erstatten, von 30 auf 15 Prozent sinken.

Grundlage dieser Entscheidung ist die Einschätzung der Obersten Gesundheitsbehörde (HAS), die nach eigenen Angaben neun Monate lang fast 1200 homöopathische Arzneimittel untersucht und mehr als 1000 wissenschaftliche Publikationen analysiert hat. Am Ende stand das Ergebnis, dass eine Wirksamkeit nicht nachgewiesen werden könne. Zudem betonte die HAS, dass die Anwendung der Homöopathie bei schwerwiegenden fortschreitenden Krankheiten die medizinisch notwendige Behandlung nicht verzögern dürfe.

Ein Drittel des europäischen Markts entfiel auf Frankreich

Zuletzt hatte Präsident Macron gezögert, der Streichung zuzustimmen, da ihm klar war, dass seine Regierung damit eine unpopuläre Entscheidung trifft. Denn in Frankreich erfreut sich die Homöopathie großer Beliebtheit – wohl nicht zuletzt dank der Kassenerstattung. So berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter Berufung auf den europäischen Branchenverband Echamp, dass 2017 33 Prozent des europäischen Markts von 1,3 Mrd. Euro auf Frankreich entfielen, 27 Prozent auf Deutschland und 13 Prozent auf Italien. Großbritannien kommt dagegen so gut wie gar nicht vor, da dort die Homöopathie 2017 von der Erstattungsfähigkeit ausgeschlossen wurde.

Erwartungsgemäß ist das Thema nun auch auf Deutschland über­geschwappt und hat die immer wieder aufkommende Debatte neu befeuert. Hierzulande werden von vielen gesetz­lichen Krankenkassen homöopathische, anthroposophische und pflanzliche Arzneimittel oft bis zu einem Betrag von 100 Euro im Jahr, zum Teil auch deutlich mehr, als freiwillige Zusatzleistung erstattet, falls eine ärztliche Verordnung vorliegt. Ziel dieser Marketingmaßnahme dürfte vor allem sein, junge und gesunde Versicherte mit einem Faible für Komplemen­tärmedizin anzusprechen.

Gassen: nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft

Bereits Anfang Juli forderte SPD-Fraktionsvize und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach anlässlich des geplanten Verbots in Frankreich gegenüber dem Tagesspiegel: „Wir müssen in der Groko darüber reden.“ Er wolle zwar „keinen Glaubenskrieg“ anzetteln, doch auch für freiwillige Leistungen der Versicherer müsse das Kriterium gelten, dass sie wirtschaftlich und medizinisch sinnvoll zu sein hätten.

Nun legte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, nach und kritisierte in der Rheinischen Post den Umgang der Kassen mit der Homöopathie: „Es gibt keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit homöopathischer Verfahren.“ Vor diesem Hintergrund sollten die gesetzlichen Krankenkassen auch grundsätzlich keine Leistungen der Alternativmedizin finanzieren dürfen. „Wer homöopathische Mittel haben möchte, soll sie auch bekommen, aber bitte nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft“, betonte Gassen.

Unterstützung bekam Gassen von Fachpolitikern der großen Koalition. So sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Frak­tion Sabine Dittmar dem Redak­tionsnetzwerk Deutschland, sie sehe es kritisch, dass Krankenkassen und damit die Beitragszahler diese Mittel finanzieren, da deren Wirkung nicht nachgewiesen sei. Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestags Erwin Rüddel (CDU) äußerte: „Es ist schwer vermittelbar, dass Kosten für Homöopathie teilweise übernommen werden, während an anderer Stelle gespart werden muss.“ Deswegen könne er sich durchaus ein Ende der Erstattungsfähigkeit vorstellen.

In der CDU gibt es allerdings auch andere Stimmen: Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag sprach sich im Tagesspiegel dafür aus, dass Krankenkassen weiterhin homöopathische Arzneimittel ersetzen dürfen. Und auch das Bundesgesundheitsministerium äußerte gegenüber der Rheinischen Post, man wolle an der Erstattung festhalten. |

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