Management

Von alten Haudegen und jungen Hüpfern

Wie aus Führungsnachwuchs und erfahrenen Kräften ein gutes Team wird

Wenn ältere Mitarbeiter einen jungen Chef „vor die Nase gesetzt“ bekommen, verläuft die weitere Zusammenarbeit wahrscheinlich nicht ganz reibungslos. Zukunftsvisionen treffen auf valide Prozesse und Erfahrungswissen auf die neuesten Forschungsergebnisse. Allerdings hat die Führungskraft einen erheblichen Einfluss darauf, dass sich das vermeint­liche Konfliktpotenzial in eine konstruktive Ressource für das Unternehmen wandelt. Durch eine geschickte Herangehensweise und durch gutes Hintergrundwissen werden die zwei aufeinandertreffenden Welten zu einer. Von Anja Keck

Auch wenn Sie jetzt vielleicht sagen: „Das wird mir nie passieren!“ – nehmen Sie bitte für einen kurzen Moment an, Ihnen würde eine 25-jährige Approbierte als Führungskraft vorgesetzt. Meinem Kollegen ist das passiert. Gut, ich war schon 26, aber dafür war er auch über 65 und hatte keine Notwendigkeit mehr, überhaupt noch zu arbeiten. Ein Unterschied von über 40 Jahren Berufserfahrung. Würden Sie sich das „antun“?

Er tat es und nachdem wir in den ersten zwei Jahren kaum miteinander sprachen, stand er plötzlich in meinem Büro und meinte: „Sie machen Ihren Job wirklich gut, Frau Keck.“ Scheinbar dauerte der Beurteilungsprozess ein wenig länger. Kein Wunder. Er war zuerst skeptisch und dachte, ich würde als hochmotivierte Apothekerin in Rekordzeit die ganze Apotheke auf links krempeln. Damit ich das schaffe, erwartete er von mir übermäßiges „Führungsgebaren“ bei gleichzeitigen fachlichen Lücken. Nichts davon trat ein. Ich konzentrierte mich zunächst darauf, die Strukturen des Unternehmens zu verstehen, und setzte bei Veränderungen auf nachhaltige Lösungen und die Ideen der Mitarbeiter. Ein Verhalten, was auch mein Kollege gutheißen konnte.

Warum dieses Vorgehen so glücklich war, ist mir erst später während der Ausbildung zum systemischen Coach bewusst geworden.

Alles in bester Ordnung

Das systemische Coaching befasst sich unter anderem mit dem Zusammenspiel innerhalb fester Gruppen, genannt Systeme, wie z. B. ein Team in einem Unternehmen. Innerhalb solcher Systeme gibt es bestimmte Prinzipien, drei wichtige sind:

1. Die Zugehörigkeit zum System

2. Die Einhaltung der systemischen Rangfolgen

3. Der Ausgleich von Geben und Nehmen

Wenn diese Prinzipien eingehalten werden, wird das von den Teammitgliedern meist als wohl­tuend wahrgenommen.

Das erste Prinzip bedeutet, dass jeder, der im Team arbeitet, auch Teil des Teams ist. Was eigentlich logisch erscheint, wird im Alltag meist anders gelebt. Die Springerin aus der Hauptapotheke, die während der Urlaubszeit einen Vormittag in der Woche in die Filiale wechselt, gehört in dem Moment zum Filialteam. Niemand kann sich rausreden mit: „Die gehört ja zu den anderen.“ Sie sollte sich an die Spielregeln im Team halten und wird genauso respektvoll wie jedes andere Teammitglied behandelt.

Das zweite Prinzip beschreibt die verschiedenen systemischen Rangfolgen, wie z. B. die Rangfolge des Alters. Viele junge Führungsfrauen kennen das – die Kunden fragen nach dem Chef und erwarten einen Herrn, am besten in den Fünfzigern. Das war viele Jahre lang das vorherrschende Bild und ist immer noch gängig. Alter wird assoziiert mit Erfahrungswissen, wofür derjenige Anerkennung verdient hat.

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Wenn ein jüngerer Kollegen kommt, kann es durch gegenseitigen Respekt eine konstruktive Schnupperphase geben, die in ein gutes Teamgefühl übergeht.

Zudem gibt es die Rangfolge der Betriebszugehörigkeit: Wer am längsten im Unternehmen ist, dem gebührt – unabhängig von seiner sonstigen Stellung – eine entsprechende Achtung für die Loyalität und Treue oder die guten Kundenbeziehungen.

Und es gibt die Rangfolge der größeren Verantwortung (Hierarchie): In dieser Rangfolge stehen die Inhaber ganz oben und die Filialleiter direkt darunter. Sie tragen die pharmazeutische und wirtschaft­liche Verantwortung für die Apotheke, dem Filialteam ist das allerdings oft nicht bewusst.

Weitere Rangfolgen können die des Engagements oder der fachlichen Kompetenz sein. Einfach ist es bei Deckungsgleichheit, d. h. wenn ein und dieselbe Person bei allen Rangfolgen an der Spitze steht. Eine engagierte Führungskraft, die schon viele Jahre im Unternehmen und dementsprechend älter ist sowie einen großen Wissensschatz zu bieten hat, wird keine Akzeptanzprobleme haben. Wir haben ein Gespür dafür, ob Rangfolgen respektiert werden und dadurch alles in „bester Ordnung“ ist.

Bei jungen Führungskräften, die unter Umständen sogar neu im Unternehmen sind, fehlt diese Deckungsgleichheit. Wenn die Rangfolgen sich kreuzen, gilt es, die anderen Rangfolgen anzuerkennen. Als jüngere Führungskraft trägt man Verantwortung und hat aktuelles Fachwissen, steht anderen Kollegen aber in Berufserfahrung und vielleicht in den kommuni­kativen Fähigkeiten nach. Umso mehr diese höheren „Ränge“ der anderen Teammitglieder wertgeschätzt werden, umso eher werden diese den höheren Rang der Hie­rarchie respektieren.

Dem Führungsnachwuchs wird immer noch eingeimpft, dass er sich in der Führungsposition von Anfang an durchsetzen müsse, und das am besten mit der Faust auf dem Tisch. Vielleicht geht es aber eher darum, das Richtige zu tun. Klischeebilder halten sich lange, wie das Bild des durchsetzungsstarken Mannes in der Führungsposition. Allerdings kann die unreflektierte Übernahme so eines klischeehaften Verhaltens zu massiven Problemen führen, wenn damit andere System-Ordnungen missachtet werden. Durchsetzen geht auch auf anderen Wegen.

Heterogenität konstruktiv nutzen

Die logische Schlussfolgerung aus der Anerkennung der Rangfolgen ist eine Anpassung des Führungsverhaltens. Die unterschiedlichen Rangfolgen bedeuten gleichermaßen Ressourcen für das Unternehmen, die durch einen angepassten Führungsstil nutzbar gemacht werden können.

  • Bei Veränderungen:

Bei der Planung von Veränderungen kann das Team eingebunden werden. Aus den unterschiedlichen Perspektiven heraus können Vor- und Nachteile der geplanten Änderung diskutiert werden. Je nachdem, wie das Team vorher geführt wurde, kann dieser Führungsstil sehr ungewohnt sein. Aber der vielleicht etwas holprige Anfang lohnt sich, denn der Er­fahrungsschatz und die Netzwerkkontakte von Mitarbeitern bieten eine Fülle von Chancen.

  • In der Personalentwicklung:

Hier kommt das oben genannte dritte Prinzip des Gebens und Nehmens zum Einsatz. Mitarbeiter mit großer Berufserfahrung geben diese auch gerne weiter, wovon jüngere Mitarbeiter profitieren. Im Gegenzug haben jüngere Mitarbeiter u. a. einen guten Zugang zu modernen Medien, was wiederum den Älteren von Nutzen sein kann. Bildet die Führungskraft aktiv gemischte Tandems, profitiert das Unternehmen durch den Wissenszuwachs, das Prinzip des gegenseitigen Gebens und Nehmens wird gepflegt und trägt so zur Teamstabilität bei.

  • Bei der Kundenbindung:

Zwar haben unsere Kunden einen vergleichsweise hohen Altersdurchschnitt, aber es gehören auch Jugendliche, junge Eltern oder pflegende Angehörige dazu. Es gibt immer Themen, die wir lieber unter „Gleichen“ besprechen. Eine junge Führungskraft, die ggf. selbst Kinder hat und sich in der heißen Phase zwischen Vereinbarkeit von Familie und Beruf befindet, ist für junge Eltern hilfreich. Umso gemischter das Team ist, umso eher hält die Apotheke einen passenden Ansprechpartner für jede Lebenslage bereit.

Respekt will verdient sein

Viele junge Führungskräfte möchten gerne von Anfang an in ihrer Rolle respektiert werden. Der Frust ist groß, wenn das nicht der Fall zu sein scheint. Normal ist ­allerdings, dass Respekt verdient sein will. Wer sich das ins Bewusstsein ruft, ärgert sich nicht so schnell und der Geduldsfaden wird ein Stück länger.

Junge Filialleiter können ihren Inhaber darum bitten oder selbst die Initiative ergreifen und direkt zu Beginn ihrer Tätigkeit die Position des Filialleiters erläutern. Das Filialteam weiß unter Umständen gar nicht, welche recht­liche und wirtschaftliche Verantwortung dem Filialleiter über­tragen wurde und kann sie aus diesem Grund nicht anerkennen. Auch die Bitte um etwas Geduld mit der neuen Führungskraft, weil sie sich in die neue Rolle ­einfinden muss, wirkt Wunder.

Die junge Führungskraft – wertvoll oder nicht?

Machen Sie sich als junge Führungskraft bewusst, was Ihre Stärken sind. Was können Sie besonders gut? Was können Sie zum Unternehmenserfolg beisteuern? Was schätzen andere an Ihnen?

Wer sich seiner Stärken, seines Wissens und seiner Erfahrung bewusst ist, dem fällt es viel leichter, seinen Wert für das Unternehmen anzuerkennen und zu leben. Wieso sollten unsere Mitarbeiter unseren Wert und Rang anerkennen, wenn wir uns selbst nicht sicher sind? |

Anja Keck ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, Filialleiterin, Coach (DGfC) und Systemische Be­raterin, www.anjakeck.de

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