Management

Fehlerkultur in der Apotheke

Bei Kritik macht der Ton die Musik

Eine Bestellung wurde vergessen, etwas ist falsch einsortiert, ein Erledigungstermin wurde verschwitzt. Stress, Überlastung, mangelnde Konzentration können Ursachen für Fehler sein. Fehler sind nichts anderes als die Abweichung vom optimalen Zustand. Es ist dann eine Frage, wie Apothekenleiter und Mitarbeiter damit umgehen. Von Rolf Leicher

Auch wenn Fehler keine schwerwiegenden Konsequenzen haben, sollten sie nicht nur korrigiert, sondern an der Wurzel behandelt werden. Die Kunst besteht darin, die Schieflage schnell zu erkennen und Vorkehrungen zu treffen, damit sie sich nicht wiederholen.

„Wären wir fehlerfrei, würde es keinen Spaß machen, bei anderen Personen Fehler zu entdecken.“

Helmut Kohl

In einer konstruktiven Fehlerkultur steht die Analyse der Ursache an erster Stelle, Ziel ist nicht nur, den Fehler zu „beseitigen“, sondern ihn zukünftig zu vermeiden. Muss der Mitarbeiter keine Sanktionen von seinem Chef befürchten, ist er eher bereit, seinen Fehler einzugestehen und Abstellmaßnahmen zu überlegen. Eine Panne zeigt nicht nur Defizite auf, sondern bietet Grundlage für die Weiterentwicklung der eigenen Person, des Teams oder der Apotheke insgesamt.

Aus Fehlern lernen

Der Apothekenleiter weiß, dass der Mitarbeiter seinen Fehler als einen persönlichen Makel wahrnimmt und sein Selbstwertgefühl erschüttert wird. Deswegen wird ein Fehler gern verdrängt oder den besonderen Umständen bzw. dem Stress zugeschoben. Oder der Mitarbeiter stuft ihn als gering­fügig ein, als unbedeutend, und macht ihn nicht transparent. Vielfach bemerkt er kleinere Pannen gar nicht, sondern erst, wenn ­diese negative Folgen haben.

Zur Fehlerkultur gehört, die Abweichung vom Idealzustand frühzeitig wahrzunehmen. Die Sensibilität, ein Missgeschick schnell zu erkennen und zu handeln, ist sogar ein Zeichen für die gute Qualifikation eines Mitarbeiters.

Fehleroffenheit ist die Königsdisziplin, denn es ist kurzfristig gedacht, ein Missgeschick zu verschweigen. Jeder muss in seinem Arbeitsfeld einen scharfen Blick dafür haben, um ein Missgeschick bereits im Anfangsstadium zu entdecken. Wer sich rechtzeitig meldet, zeigt sich verantwortungsbewusst, durch das ­Verschweigen lädt man die Verantwortung auf die eigenen Schultern. Erkennen und schnelles Reagieren sind nötig, um die Folgen klein zu halten, zu beseitigen und die Kosten durch die sofortige Korrektur zu begrenzen.

Wer nur aus eigenem Schaden klug wird, schaut nicht über den Tellerrand. Wer aus Fehlern anderer lernt, kann sich selbst entwickeln. Doppelte Sorgfalt und die Reduzierung des Arbeitstempos sind geeignete Maßnahmen, die Fehlerquote zu senken. Typische Fehlerquellen lassen sich dokumentieren und werden bei der Einweisung neuer Mitarbeiter angesprochen.

Falsche Verhaltensmuster bei Fehlern

  • den Fehler verdrängen ­(Ausblendtaktik)
  • den Kritiker angreifen ­(Angriffstaktik)
  • nichts tun, um weitere ­Fehler zu vermeiden ­(Ausweichtaktik)
  • die Schuld anderen ­zuschieben (Verschiebung)
  • den Kritiker „erschießen“ (Hollywood-Technik)
  • sich nichts zutrauen, damit keine Fehler entstehen (Vogel-Strauß-Taktik)

Google hat in den USA für seine Mitarbeiter folgenden Grundsatz geschaffen: „Fehler dürfen sich nicht wiederholen, also nicht mehrfach vorkommen und sie müssen schnell erkannt werden, um sie sofort beseitigen zu ­können.“

Durch Eigenkontrolle werden Pannen schnell erkannt, man kann sich selbst korrigieren, ­damit Stärken entwickeln und ­Erfahrungen sammeln.

Vier Schritte zur systematischen Fehlerabstellung

1. Beschreibung des Fehlers: Wo und wann ist er aufgetreten? Wie oft kam er in der Vergangenheit vor? Welche Auswirkungen hat der Fehler?

2. Analyse der Ursache: Wieso ist der Fehler aufgetreten? Wie hätte man ihn im Vorfeld verhindern können? Was waren die Einflussfaktoren?

3. Sofortmaßnahmen: Wie kann man den augenblicklichen Fehler korrigieren? Welche Akutmaßnahmen sind zu treffen, damit eine Ausweitung des Problems verhindert werden kann?

4. Abstellmaßnahmen: Was muss getan werden, damit zukünftig ähnliche Pannen vermieden werden?

Perfektionisten leiden ­besonders

Perfektionisten haben es besonders schwer, für sie ist eine 100-prozentige Leistung nicht genug, sie streben 120 Prozent an, brauchen dafür doppelten Einsatz und setzen sich stark unter Druck. Aber muss das immer sein? Pünktlichkeit auf die Sekunde? Ordnung, als ginge es um die Weltmeisterschaft? Der Perfektionist leidet unter seinem Fehler, er fürchtet die Kritik. Der Druck der Fehlervermeidung ist belastend und führt gerade dann zu Fehlern. Hier hilft nur, die überhöhten Standards zu kappen und zu lernen, Fehler konstruktiv zu ver­arbeiten.

Schlimmstenfalls wird der Fehler als Beweis gedeutet, dass man nicht perfekt genug war. Mit dieser Einstellung ist man mit seinen Arbeitsergebnissen nie zufrieden. Man muss nach der Relevanz unterscheiden: An der richtigen Stelle ist Perfektion erforderlich, aber eben nicht immer und überall.

Foto: majonit – Fotolia.com, (Porträt eines Hahns des Afrikanischen Strauß – dass er den Kopf in den Sand steckt ist übrigens ein Märchen.)
Vogel-Strauß-Taktik – Kopf in den Sand – ist auch keine Lösung,um Fehler zu vermeiden. Nur ein gutes Fehlermanagement verspricht wirkliche Abhilfe.

Wie der Chef mit Fehlern des Mitarbeiters umgeht

Spricht der Apothekenleiter einen Mitarbeiter wegen eines Fehlers an, so wird das von diesem oft als „Angriff“ gesehen, gegen den er sich verteidigen muss. Kritik ist, sofern sie konstruktiv geäußert wird, keine Niederlage. Wer sich durch Kritik persönlich angegriffen fühlt, reagiert oft mit übermäßiger Sensibilität und traut sich schwierige Arbeiten mit hohem Anspruchsniveau nicht mehr zu. Mit Selbstvorwürfen wird man in Gedanken zum Versager. Die Bereitschaft eines Mitarbeiters, kritische Meinungen des Apothekerleiters anzunehmen und damit angemessen umzugehen, zeigt Größe und schafft Respekt bei den Kollegen.

Dabei macht auch der Ton die ­Musik. So besteht zwischen der Ich- und Sie-Botschaft des Apothekenleiters ein deutlicher Unterschied. Die Sie-Botschaft wirkt persönlich und vorwurfsvoll: „Sie sind zu langsam …, Sie müssen sich mal beeilen …, Sie haben das falsch gemacht ….“.

Arbeiten werden ­fehleranfällig bei

  • Stress und Hektik
  • schwacher Tagesform, ­Unwohlsein
  • Änderungen im Arbeits­ablauf
  • häufigen Arbeitsunter­brechungen
  • neuen, unerfahrenen ­Mitarbeitern
  • Missverständnissen bei ­Anweisungen
  • hoher Arbeitsanforderung
  • fehlender Routine

Die Ich-Botschaft wirkt vorwurfsfrei und wird eher angenommen: „Ich habe festgestellt …, Mir fällt auf  …, Ich sehe gerade …“. Auch die Erwartungen an den Kritisierten lassen sich in der Ich-Botschaft konstruktiv formulieren: „Ich wünsche mir …, Ich erwarte, dass …, Ich bitte Sie dringend …“ Mit den unterschiedlichen Formulierungen kann der Wirkungsgrad der Kritik gesteigert oder gesenkt werden. Zunächst formuliert man die Kritik „im ersten Gang“ und verzichtet auf „müssen“ und „dürfen nicht“. Gesprächstypisch sind Formulierungen wie „Ich empfehle Ihnen …, Ich möchte, dass Sie …, Ich bitte Sie, zukünftig auf … zu achten“. Ein weiteres ­Gespräch ­findet im zweiten Gang statt. ­Gesprächstypisch ist: „Ich ordne an …, Ich muss Sie auffordern …“ Bei mehrfachem Verstoß gegen ­Anweisungen führt kein Weg an diesen Formulierungen vorbei, auch wenn das nicht immer dem kooperativen Führungsstil entspricht. Wer den Mut ver­loren hat, einen Gang höherzuschalten, verhindert, dass der Mitarbeiter seine Leistung verbessert.

Kommunikationsmuster für ­unterschiedliche Formulierungen zeigt der Kasten „Beispiele für Formulierungen“.

Beispiele für ­Formulierungen

Stufe 1 - die Bitte:Bitte achten Sie zukünftig auf …

Stufe 2 - der Wunsch: Ich möchte, dass Sie auf … achten

Stufe 3 - die Erwartung:Ich erwarte, dass Sie ab ­sofort …

Stufe 4 - der Appell: Sie müssen unbedingt …

Stufe 5 - die Anordnung: Ich fordere Sie auf …, das ist eine Anordnung.

Kritik beginnt oft in der Stufe 3 und führt in der Stufe 5 zu Konsequenzen für den Mitarbeiter, falls keine Besserung eintritt. Im äußersten Fall muss Kritik auch ­Konsequenzen haben, damit sich etwas ändert. Kritik ohne Konsequenzen könnte der Mitarbeiter auf die leichte Schulter nehmen, ähnlich wie beim Parken. Wenn beim falschen Parken kein Bußgeld verhängt wird, parkt jeder, wo er will.

Kritik ist für den Mitarbeiter eine Chance, etwas über sich selbst zu erfahren, sich zu entwickeln. Der Apothekenleiter kann erwarten, dass der Mitarbeiter sich kritisch mit seinem Verhalten auseinandersetzt und auf eine Abwehrhaltung verzichtet. Dabei hängt die Annahme der Kritik wesentlich von der Gesprächsführung ab. Und auch davon, ob der Chef bei guter Leistung loben kann. Denn wer nicht lobt, wird bei Kritik auch nicht ernst genommen. |

Rolf Leicher, Kommunikationstrainer, Oberer Rainweg 67, 69118 Heidelberg, autor@deutsche-apotheker-zeitung.de

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