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Arzneimittel und Therapie
Wirkt Oseltamivir doch?
Aktuelle Metaanalyse sieht leichten Nutzen
Die Wirksamkeit des Grippemittels Oseltamivir (Tamiflu®) wurde in den vergangenen Jahren unterschiedlich beurteilt. Einer Cochrane-Analyse von 2014 zufolge überzeugt die Wirksamkeit des Neuraminidase-Inhibitors nicht, da ein geringfügiger Benefit – Verkürzung der Krankheitsdauer um rund einen halben Tag – mit einem erhöhten Nebenwirkungsrisiko einhergeht (siehe DAZ 2014, Nr. 16, S. 32 und S. 33). In der Kritik stand ferner das Verhalten des Herstellers Roche, dem vorgeworfen wurde, die vollständige Einsicht in unveröffentlichte Studienergebnisse erschwert und so die Datentransparenz verhindert zu haben. Nun liegt eine neue Metaanalyse vor, in der sämtliche publizierte und nicht publizierte Studien ausgewertet wurden. Die Analyse erfolgte von einer mehrköpfigen Expertengruppe im Auftrag von Roche. Ausgewertet wurden Daten aus neun Studien mit 4328 Erwachsenen, die zwischen 1997 und 2001 aufgrund einer saisonalen Influenza mit Oseltamivir (zweimal täglich 75 mg während fünf Tagen) oder mit einem Placebo behandelt worden waren. Der primäre Studienendpunkt war die Zeit bis zur Abschwächung der Grippe-Symptome. Bei der Auswertung wurde berücksichtigt, ob die Patienten an einer nachgewiesenen Influenza-Infektion oder an einer nicht nachgewiesenen Infektion mit Grippe-ähnlicher Symptomatik erkrankt waren.
Krankheitsdauer um einen Tag verkürzt
Bei nachgewiesener Grippe (Labornachweis) konnte in der Oseltamivir-Gruppe die Krankheitsdauer um rund einen Tag (von 122,7 auf 97,5 Stunden; das entspricht einer Abnahme um 25,2 Stunden) verkürzt werden, das heißt von fünf auf vier Tage. Bei den Patienten, bei denen keine Grippe nachgewiesen werden konnte, wurde durch Oseltamivir die Krankheitsdauer auf 99,4 Stunden reduziert, das entspricht einer Verkürzung um 17,8 Stunden gegenüber Placebo (117,2 Stunden).
Unerwünschte Wirkungen wurden in der Oseltamivir-Gruppe häufiger registriert als in der Placebo-Gruppe. So trat Übelkeit in der Verum-Gruppe bei 9,9%, in der Placebo-Gruppe bei 6,2% auf, und 8% der Verum-Gruppe vs. 3,3% der Placebo-Gruppe klagten über Erbrechen. Im Hinblick auf neurologische oder psychiatrische Nebenwirkungen wurde zwischen den Gruppen kein Unterschied festgestellt.
US-Empfehlungen zum Einsatz antiviraler Wirkstoffe
Folgende Empfehlungen wurden im Dezember 2014 von einer amerikanischen, firmenunabhängigen Zeitschrift (The Medical Letter on Drugs and Therapeutics) für die Influenza-Therapie 2014/2015 ausgesprochen und im Januar 2015 im Journal of American Medical Association (JAMA) abgedruckt.
Zur Therapie und Prophylaxe einer Influenza können Neuraminidasehemmer eingesetzt werden. Allerdings wird bei Gesunden (bis auf wenige Sonderfälle) von einer Chemoprävention mit Neuraminidasehemmern abgeraten. Diese sollten der Therapie vorbehalten werden. Bei Einnahme innerhalb von 48 Stunden nach dem Auftreten der Symptome kann die Krankheitsdauer verkürzt und die Komplikationsrate gesenkt werden. Bei Schwangeren und Patienten mit Atemwegserkrankungen ist Oseltamivir Mittel der Wahl.
Quelle: Antiviral drugs for seasonal influenza 2014-2015. JAMA 2015;313:413-414
Wirkstoff | Stärken und galenische Formulierungen | Dosierung bei Erwachsenen | Dosierung bei Kindern |
---|---|---|---|
Oseltamivir(Tamiflu®) | Kapseln mit 30 mg, 45 mg, 75 mg; Suspension mit 6 mg/ml | Prophylaxe: 75 mg einmal täglich (Dauer variiert; Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz, siehe Fachinformation)Therapie: 2 x 75 mg pro Tag fünf Tage lang (Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz; siehe Fachinformation) | Prophylaxe: abhängig vom Gewicht 30 bis 75 mg einmal täglich (Dauer variiert)Therapie: abhängig vom Gewicht 30 bis 75 mg zweimal täglich fünf Tage lang |
Zanamivir(Relenza®) | 5 mg/Blister zur Inhalation | Prophylaxe: zwei Inhalationen einmal täglich (Dauer variiert)Therapie: zwei Inhalationen zweimal täglich fünf Tage lang | Prophylaxe: > 5 Jahre: zwei Inhalationen einmal täglich (Dauer variiert)Therapie: > 7 Jahre: zwei Inhalationen zweimal täglich fünf Tage lang |
Peramivir(Rapivab®)* | 200 mg/20 ml zur i.v.-Gabe | Prophylaxe: keine ZulassungTherapie: einmal 600 mg i.v. (Anpassung bei Niereninsuffizienz) | Prophylaxe: keine ZulassungTherapie: keine Zulassung |
* in USA von FDA zugelassen |
Bei Patienten mit einer bestätigten Influenza konnten durch Oseltamivir die Komplikationsraten gesenkt werden. Infektionen der unteren Atemwege, die eine Antibiotika-Gabe erforderlich machten, gingen um knapp die Hälfte zurück (von 8,7% unter Placebo auf 4,9% unter Oseltamivir). Allerdings wurde nur die Menge der verordneten Antibiotika als Maß für die Häufigkeit der Pneumonien genommen, diese bekannte Komplikation wurde nicht röntgendiagnostisch abgeklärt. Ebenfalls rückläufig war die Zahl der Krankenhauseinweisungen (0,6% unter Oseltamivir versus 1,7% unter Placebo). Bei Patienten, die unter Grippe-artigen Symptomen litten, war der Unterschied nicht mehr so groß: Infektionen der unteren Atemwege wurden hier unter einer Oseltamivir-Gabe bei 4,5%, unter Placebo-Therapie bei 7,9% der Probanden registriert. Bei den Krankenhauseinweisungen waren die Werte etwa gleich.
Benefit nur bei bestätigter Influenza
Ein Kommentator der Studie fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen und kommt zum Schluss, dass nur Patienten mit einer echten Influenza von einer Oseltamivir-Therapie profitieren. Der Benefit zeigt sich in einer verkürzten Krankheitsdauer und durch verringerte Komplikationsraten. Das Risiko, eine unerwünschte Wirkung zu erfahren, ist für alle Patienten gleich, unabhängig davon, ob ein Erregernachweis vorliegt oder nicht. Sinnvoll ist demzufolge nur ein rationaler Einsatz von Oseltamivir, am besten erst nach einem Virus-Nachweis im Schnelltest, der allerdings in der täglichen Praxis nicht üblich ist. |
Quelle
Dobson J et al. Oseltamivir treatment for influenza in adults: a meta-analysis of randomised controlled trials. Lancet online 30. Januar 2015; DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(14)62449-1
Kelly H et al. Influenza: the rational use of oseltamivir. Lancet online 30. Januar 2015; DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(15)60074-5
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