Arzneimittel und Therapie

Mehr Schaden als Nutzen

Bardoxolon enttäuscht bei Diabetikern mit terminaler Nephropathie

Die diabetische Nephropathie ist eine progressive Nierenerkrankung, die häufig zu einem dialysepflichtigen Nierenversagen führt. Ursächlich kann eine langjährig schlechte Einstellung der Diabetiker sein. Daher fokussiert das Management einer diabetischen Nephropathie zunächst auf der Behandlung der Hyperglykämie. Da es Hinweise darauf gab, dass oxidativer Stress und Entzündungsprozesse wichtige Mediatoren sind, wurde in einer Studie der Einsatz von Bardoxolon untersucht, einem kleinen Molekül, das Einfluss auf antioxidative Gene hat. Das Ergebnis war enttäuschend: Wegen vermehrter kardiovaskulärer Ereignisse mit Todesfolge wurde die Studie abgebrochen.

Diabetes mellitus Typ 2 ist die wichtigste Ursache für progressive Nephropathien in den Industrieländern. In Deutschland war im Jahr 2005 die diabetische Nephropathie mit einem Anteil von 35% häufigste Ursache von neu aufgetretenen dialysepflichtigen Niereninsuffizienzen. Aber auch in Entwicklungsländern, und hier besonders in ärmeren Schichten, ist es in den letzten Jahren durch die Übernahme eines westlichen Lebensstils mit billiger, energiereicher Nahrung und Bewegungsmangel zu einem dramatischen Anstieg des Diabetes mellitus Typ 2 gekommen und folglich auch vermehrt zu diabetischer Nephropathie. In diesen Ländern kommt das oft einem Todesurteil gleich, da eine Dialysebehandlung nicht flächendeckend zur Verfügung steht.

Hoffnungsträger Bardoxolon?

In Bardoxolon wurden als antioxidativer Entzündungs-Modulator große Hoffnungen gesetzt. Das Derivat der Oleanolsäure, die in vielen Pflanzen vorkommt, aktiviert in der Zelle den Keap1-Nrf2-Stoffwechselweg, der eine wichtige Rolle beim Erhalt der Struktur und Funktion der Nieren spielen soll. So fördert Bardoxolon die Bildung von Nrf2, einer zytoplasmatischer Transkriptionsfaktor, die im Zellkern zytoprotektive Gene aktiviert. Struktur und Aktivität von Bardoxolon gleichen denen von endogenen Prostaglandinen, die Nrf2 aktivieren und inflammatorische Vorgänge beenden. In Phase-II-Studien konnte die tägliche orale Einnahme von Bardoxolon die glomeruläre Filtrationsrate bei Typ-2-Diabetikern steigern. Bardoxolon galt als Hoffnung für Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer mittelgradigen bis schweren chronischen Nierenerkrankung.

Verschiedene therapeutische Ansätze wie Kontrolle des Blutzuckers mit diätetischen Maßnahmen, Blutzucker-senkende Arzneimittel und Kontrolle des Bluthochdrucks haben zu unterschiedlichen Erfolgen geführt. In einigen Studien konnte gezeigt werden, dass ein Einsatz von Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems signifikant das Progressionsrisiko senkt, leider bleibt das Rückfallrisiko hoch. Strategien mit dualer Blockade (ACE-Hemmer + Angiotensin-Rezeptorblocker) haben zwar das Risiko einer Albuminurie gesenkt, führten aber zu anderen Nebenwirkungen, ohne das Risiko für ein dialysepflichtiges Nierenversagen (ESRD) zu senken. Insofern werden neue therapeutische Ansätze dringend gebraucht.

Bekannt ist, dass oxidativer Stress und verminderte antioxidative Kapazität die Progression der Erkrankung fördern. Tierversuche zeigten, dass oxidativer Stress und eine daraus folgende Entzündung mit einer eingeschränkten Aktivität des nuclear 1 factor (erythroid-derived 2)-related factor 2 (Nrf2) transcription factor einhergeht. Das synthetische Triterpenoid Methylbardoxolon und seine Analoga gelten als die potentesten Aktivatoren des Nrf2-Stoffwechselwegs. In Studien wurde schon gezeigt, dass Bardoxolon bei Typ-2-Diabetikern mit Nephropathie Grad 3 oder 4 die Serumkreatinin-Konzentration über bis zu 52 Wochen senken konnte. Das war die Rationale für die jetzt publizierte internationale Phase-III-Studie.

Mehr Todesfälle unter Bardoxolon

Von Juni 2011 bis September 2012 wurden 2185 Patienten mit Typ-2-Diabetes und einer chronischen Nephropathie im Stadium 4 (glomeruläre Filtrationsrate 15 bis < 30 ml/min) in die doppelblind randomisierte zweiarmige BEACON-Studie aufgenommen. Sie wurden entweder einmal täglich mit 20 mg Methylbardoxolon als amorphes Spray oder mit Placebo behandelt. Die gesamte übrige Begleitmedikation wie Renin-Angiotensin-Inhibitoren, Insulin, Blutzuckersenker und kardiovaskuläre Medikation war erlaubt und wurde weiter eingenommen. Als erster zusammengesetzter Endpunkt galt dialysepflichtiges Nierenversagen oder Tod aufgrund von kardiovaskulären Ereignissen. Ein dialysepflichtiges Nierenversagen war definiert als die Notwendigkeit für eine Hämodialyse als Erhaltungstherapie für mindestens zwölf Wochen oder Nierentransplantation. Als zweite Endpunkte wurden u.a. die Hospitalisierung, die glomeruläre Filtrationsrate, der Blutdruck und das Körpergewicht erfasst.

Nach einem medianen Follow-up von neun Monaten wurde die Studie vom Sponsor und vom unabhängigen Kontrollgremium aus ethischen Gründen abgebrochen. Zu dem Zeitpunkt hatten 69 von 1088 Patienten in der Verumgruppe und 69 von 1097 (6%) in der Placebo-Gruppe den zusammengesetzten Endpunkt erreicht. Im Einzelnen hatten in der Bardoxolon-Gruppe 43 Patienten eine ESRD entwickelt, und 27 waren aufgrund von kardiovaskulären Zwischenfällen gestorben. In der Placebo-Gruppe war es zwar bei 51 Patienten zu einem dialysepflichtigen Nierenversagen gekommen, aber nur 19 Patienten waren gestorben. Insgesamt mussten in der Beobachtungszeit 96 Patienten in der Methylbardoxolon-Gruppe aufgrund von Herzversagen hospitalisiert werden bzw. starben daran. In der Vergleichs-Gruppe waren es im gleichen Zeitraum nur 55 Patienten (HR, 1,83; 95% CI, 1,32 bis 2,55; p < 0,001). Die glomeruläre Filtrationsrate und der Blutdruck stiegen in der Verum-Gruppe im Vergleich zu Placebo signifikant an, dagegen sank das Körpergewicht.

Welche Konsequenzen sind aus dieser Studie zu ziehen?

Wenn dieser innovative Therapieansatz auch zunächst vielversprechend schien, so ist nach diesen enttäuschenden Ergebnissen zunächst festzuhalten, dass die hier durchgeführte Therapie leider keinen Vorteil für dieses Patientenkollektiv bringt. Generell sollte man allgemein aber auch in klinischen Studien zurückhaltender mit dem Einsatz von Substanzen ohne ausreichend gesicherte präklinische und klinische Datenlage umgehen. Keine Erklärung hatten die Forscher z.B. über die Mechanismen, die zur Erhöhung des Blutdrucks oder zur Gewichtsabnahme geführt haben. Auch bei der Konzeption dieser Studie wurden Fehler gemacht: So war die Gesamtbehandlungszeit zehnmal so lang wie in Vorgängerstudien mit Bardoxolon. Außerdem waren in die aktuelle Studie auch mehr Patienten aufgenommen worden, die schon unter schwerer chronischer Nephropathie litten und die schon per se oft starke kardiovaskuläre Einschränkungen hatten. Auch statt einer fixen Dosis von 20 mg hätte lieber eine adjustierte Dosis gewählt werden sollen. Und ob die neue amorphe Arzneimittel-Formulierung wirklich mit vorher verwendeten Arzneimittelformulierungen gleichzusetzen ist, war nicht ausreichend validiert.

Insofern bleibt festzuhalten, dass, abgesehen von der Enttäuschung für Diabetiker mit Nephropathie, bei der Planung von klinischen Studien eine noch größere Sorgfalt walten sollte. 

Quelle

De Zeeuw, D. et al: Bardoxolone Methyl in Type 2 Diabetes and Stage 4 Chronic Kidney Disease. N Engl J Med 2013; 369(26): 2492–2503.

Himmelfarb J, Tuttle KR: New Therapies for Diabetic Kidney Disease. N Engl J Med 2013; 369: 2549–2550.

 

Apothekerin Dr. Annette Junker

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