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Apothekenmarkt & Meinung
Die Apotheke – unter geänderten Rahmenbedingungen
Im Grunde könnte alles nach wie vor recht friedlich hergehen. Der Markt ist prinzipiell groß genug, um der heutigen Zahl an Apotheken ihr Auskommen zu sichern und der Bevölkerung die flächendeckende und zeitnahe Arzneimittelversorgung zu garantieren. Doch so soll es nicht sein.
Der entscheidende Faktor für das Entstehen oder Nicht-Entstehen von Wettbewerbsaktivitäten ist die Positionierung der einzelnen Teilnehmer im Markt und ihre Zufriedenheit mit ihrer jetzigen Situation. Unzufriedenheit freilich liegt dem Menschen nun einmal im Blut, und so bleibt es nicht aus, dass über kurz oder lang irgend jemand selbst aus einer noch so harmonischen Runde ausschert und eben mehr will als die anderen – wenn es nur der vorgegebene Ordnungsrahmen erlaubt. Die konkreten Motive sind dabei so vielfältig wie die einzelnen Lebenssituationen. Der eine muss eine Scheidung verkraften, der nächste hat hohe Schulden, wieder ein anderer ist einfach unterfordert und möchte sich schlicht stärker selbst verwirklichen. Kurzum – über kurz oder lang kommt es fast überall zu Spannungen, wo mehrere Betriebe aufeinander treffen. Doch sind Chancen und Risiken je nach Ausgangslage ungleich verteilt. Ganz grob lassen sich die Apotheken (wie andere Betriebe auch) in drei Kategorien einteilen:
• Die Nischen- oder Spezial-Apotheken,
• die "Sandwich-Apotheken",
• die Marktführer oder "lokalen Helden".
Nischen- oder Spezial-Apotheken sind solche, die aufgrund ihrer Lage oder Positionierung eine Sonderstellung einnehmen. Beispiele sind Landapotheken, vor allem solche, die alleine in einem auskömmlichen Einwohnerpotenzial agieren. Auch etliche Stadtteil-Apotheken, als einzige z. B. in Trabantenstädten oder wohngebietsorientierten, kleineren Einkaufszentren gelegen, gehören dazu. Etwas anders gelagert sind die gemessen an der Gesamtzahl der Apotheken recht seltenen "Labor-Apotheken", die bevorzugt im Bereich Zytostatika und parenteraler Ernährung tätig sind. Häufig handelt es sich hier von der Umsatzbedeutung eher um qualifizierte Speziallabore mit "angeschlossener Offizin". Teilweise agieren diese Betriebe kraft ihrer Spezialisierung recht exklusiv, teilweise herrscht vor allem in Großstädten aber auch hier ein beinharter Wettbewerb. Noch seltener sind Apotheken anzutreffen, die ihre Nische z. B. im Bereich der Nahrungsergänzung, Naturheilkunde oder Herstellung gewisser Spezialitäten gefunden haben, aber insoweit auf weiter Flur einzigartig sind. Allen Apotheken dieser Nischenkategorie sind Alleinstellungsmerkmale gemein, die sie im Wettbewerb herausheben und insoweit zumindest ein Stück weit immun gegenüber dem üblichen "Brot-und-Butter-Wettbewerb" machen.
Der größte Teil der Apotheken gehört jedoch zur Klasse der "Sandwich-Apotheken". Eingezwängt in einen drückenden Wettbewerb mit der dicht aufeinander sitzenden Konkurrenz, bekommen sie den Druck von unten und von oben zu spüren. Es handelt sich zudem bestenfalls um die zweite, meist aber die dritte, vierte oder fünfte Apotheke in einer Straße oder in einer Kleinstadt. Tatsächlich sind es diese Apotheken, welche die Politik vor Augen hat, wenn sie von zu vielen Apotheken spricht. Üblicherweise in 1B-Lage oder schlechter angesiedelt, von einigen Ärzten im Umfeld flankiert, deren Verbleib angesichts von Medizinischen Versorgungszentren möglicherweise fraglich ist, sind diese Betriebe mittelfristig in einer Zwangslage, möglicherweise gar existenziell gefährdet.
Wiederum selbstredend selten sind die Marktführer – die Krone im jeweiligen Einzugsgebiet kann eben nur einer aufhaben. Nicht selten findet sich im näheren Umfeld eine "Kronprinzen-Apotheke", die Nummer 2, die prinzipiell das Zeug zum Marktführer hätte, der aber doch das gewisse Etwas, einige Standortqualitäten oder schlicht die Durchsetzungsfähigkeit und Kapitalkraft des Marktführers fehlen.
Zukunftsaussichten
Während die Marktführer und auch die Nischen-Apotheken mehrheitlich eine ganz gute Zukunftsfähigkeit aufweisen, wird es für die "Sandwich-Apotheken" künftig immer enger. Zur signifikanten Verbesserung ihrer Marktstellung gibt es letztlich nur zwei Wege: Den der Spezialisierung und den zur Marktführerschaft. Die weiteren, prinzipiell möglichen Optionen einer Standortverlegung oder sogar Betriebsaufgabe sollen hier nicht weiter beleuchtet werden.
Eine Möglichkeit, die vorhandenen Schwächen zu kaschieren, besteht darin, unter dem Dach Gleichgesinnter Schutz zu suchen – die Stunde von Kooperationen und Zusammenschlüssen aller Art. Wenngleich dies im Einzelfall erhebliche Vorteile bringen kann (aber keinesfalls muss) – an der prinzipiell ungünstigen Sandwich-Ausgangslage ändert sich damit nichts.
Doch die Statistik ist gnadenlos: Es kann nur einer oben auf dem Siegertreppchen stehen. Mag Silber oder Bronze auch noch erstrebenswert sein – ein undankbarer vierter Platz oder ein noch schlechterer hilft nicht weiter. Leider gibt es in aller Regel weit mehr Kandidaten als Medaillen. Und nicht jeder hat das Kapital, die Kraft und die Standortvoraussetzungen für einen Medaillenplatz. Ist damit die Schließung die ultimative Antwort? Langfristig wird dieses Schicksal möglicherweise einer ganzen Reihe von Betrieben bevorstehen. Doch so schnell geht es dann doch nicht.
Ganz entscheidend ist erst einmal, sich ehrlich zu fragen, ob der Weg an die Spitze überhaupt möglich erscheint. Ansonsten bleibt die Spezialisierung, die aber ebenfalls einen hohen Aufwand erfordert. Sie müssen als erstes Themen erschließen, die sowohl ein ausreichendes Marktpotenzial versprechen als auch von Ihnen kompetent dargestellt werden können. Auf die großen Themen wie Diabetes, Naturheilkunde, Senioren-Apotheke oder allgemein Wellness haben sich in aller Regel bereits genügend Konkurrenten eingeschossen. Eine Spezialisierung auf Krankheiten, die beispielsweise nur 1 zu 10.000 vorkommen, verlangt hingegen ein enormes Einzugsgebiet. Die Chance liegt irgendwo dazwischen, oder aber im (zugegebenermaßen riskanten) Angebot von neuen Produktsegmenten und Dienstleistungen, die in der Apotheke noch Seltenheitswert haben. Letztlich bedeutet diese Strategie im Grunde ebenfalls das Erreichen einer gewissen Marktführerschaft – aber eben begrenzt auf das jeweilige Spezialsegment.
Der Mini-Max-Ansatz als Ausweg?
Und wenn beides nicht infrage kommt? Dann sei Ihnen der "Mini-Max-Ansatz" ans Herz gelegt: Minimaler Aufwand bei maximalem Ertrag. Hier regiert strikte Kostenkontrolle, Investitionen werden auf das unbedingt Notwendige beschränkt. Im Übrigen kann man mit etwas Phantasie selbst mit erstaunlich geringem Aufwand der Apotheke ein schöneres, moderneres Outfit verleihen. Es ist dies freilich ein Ansatz, mit dem Sie keine Marktanteile gewinnen können; vielmehr ist es eine Defensivstrategie, die darauf abzielt, zu ernten, solange es noch was zu ernten gibt, ansonsten aber Investitionen und Kapitalbindung auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken, um dann doch nicht zu schnell zu große Marktanteile zu verlieren. Auch die Defensive und der kontrollierte Abstieg wollen überlegt und gemanagt sein!
Sie müssen sich aber klar darüber sein, dass dieser Ansatz das absehbare Verfallsdatum Ihres Betriebes zum Prinzip erhebt. Irgendwann ist Schluss, lohnt selbst der geringe Aufwand (der aufgrund der heutigen Betriebsanforderungen eben gar nicht so gering ist) nicht mehr. Werte werden so nicht geschaffen. Allerdings werden auch keine Investitionsleichen produziert, die andernfalls zu befürchten wären, wenn Sie gegen eine übermächtige Konkurrenz auf verlorenem Posten kämpfen müssten. Für jüngere Kolleginnen und Kollegen kann so etwas bestenfalls Durchgangsstation sein, für die Älteren kann es den geregelten Übergang in die Rente bedeuten.
Die Erfolgsfaktoren der Marktführer
Was machen die Top-Apotheken besser oder schlicht anders, um an die Spitze zu gelangen?
An erster Stelle ist sicher die Auswahl eines geeigneten Standortes zu nennen. Wenn gewisse Voraussetzungen hier einfach nicht gegeben sind – wie eine gute Erreichbarkeit bzw. Anfahrbarkeit, eine gute Frequenzlage und/oder zumindest eine strategisch günstige Lage zu den maßgeblichen Ärzten sowie Betriebsräume, in denen es möglich ist, viele hundert Kunden pro Tag adäquat zu bedienen – wird es schwierig. Aber nicht unmöglich! Es gibt durchaus Beispiele, wo sogar an 1B-Standorten Marktführer herangewachsen sind. Dies erfordert dann aber weit überproportionale Anstrengungen.
Viele Top-Apotheken sind und waren schon früher überdurchschnittlich aktiv. Nur wer einen solchen Top-Standort besetzt, in den die Kunden zu Hunderten quasi automatisch hineingespült werden, konnte in der Vergangenheit etwas nachlässiger sein. Ansonsten heißt die Devise schlicht: Mit Speck fängt man Mäuse! Ob Taler mit einer ganzen Prämien-Sammlung (bis hin zu absolut hochwertigen Geräten), Pay-back-Punkte, Aktionen, ausgeprägte Preisaktivitäten, regelmäßige Handzettel und Anzeigen, die Einbeziehung von Partner-Geschäften am Ort und vieles mehr: Die Top-Player beherrschen den gesamten "Marketing-Mix" – und verbraten bisweilen abenteuerlich hohe Summen. 5% oder 6% vom Umsatz – der nicht selten in Regionen von 5 Mio. Euro aufwärts liegt – kommen durchaus vor. Da stellt sich schnell die Frage, was bei einer solchen Apotheke dann wirklich noch unter dem Strich übrig bleibt. Zumal mit diesem Marketing-Feuerwerk eine Erwartungshaltung bei den Kunden aufgebaut wird, die keinesfalls enttäuscht werden darf. Das bedeutet, dass sie Aktivitäten auf hohem Niveau beibehalten werden müssen.
Doch sind diese im Grunde recht primitiven Anreizsysteme schlicht der schnellste Weg, Kunden zu locken. Ob sie dann dauerhaft gehalten werden, oder aber nur Schnäppchenkäufer und "Smart-Shopper" kurzfristig gewonnen wurden, entscheidet sich neben intelligenteren Kundenbindungsprogrammen dann doch wieder am Service, der Freundlichkeit, der Kompetenz, der Lieferfähigkeit – den altbekannten Erfolgsfaktoren der Apotheke.
Andererseits: Wo viel ist, kommt noch mehr dazu. Ist eine solche Apotheke erst einmal auf dem Top-Level etabliert und befindet sich zudem kein zumindest halbwegs ernstzunehmender Konkurrent im Einzugsgebiet, wächst ein solcher Betrieb eine ganze Weile auf Kosten der kleineren Apotheken im Umfeld. Das hat durchaus etwas Prozesshaftes: Beim Gewinner beginnt sich eine Positivspirale zu drehen. Eine höhere Auslastung bedeutet spezifisch günstigere Kosten und weniger an teuren Totzeiten, dies eröffnet mehr Möglichkeiten der Kundenakquisition, damit kommen wiederum mehr Kunden, was die Einkaufsvolumina erhöht und die Bezugskonditionen verbessert. Anders dagegen bei den Umliegenden. Hier beginnt sich die Spirale in genau entgegengesetzter Richtung zu drehen. Schlussendlich tun sich die kleineren Konkurrenten immer schwerer, ihr Serviceniveau zu halten, was die Kunden wiederum in die Arme der starken Konkurrenz treibt, die zudem meist noch verkehrsgünstiger liegt.
Fazit
Es ist in der Tat nicht einfach, einen passenden Rat zu geben: Sollten Sie besser ausharren und das Schildkrötenprinzip beherzigen, sich in einen dicken Panzer zurückziehen und bloß keine großen Schritte wagen, oder ist vielmehr der raubkatzenhafte Sprung nach vorne angesagt? Letztlich kann dies nur im Einzelfall entschieden werden, und das entscheidet sich nicht zuletzt daran, welcher Typ Mensch Sie sind. Erfolg fußt auf mehreren Faktoren: Neben Ideen und Intelligenz sind dies Kapital und Durchsetzungskraft. Sie benötigen von allem ausreichende Mengen, sonst ist ein Scheitern wahrscheinlich. Die beste Idee nützt nichts, wenn Sie diese nicht an die Kunden herantragen und gegenüber der Konkurrenz verteidigen können (Durchsetzungskraft), und ohne Geld funktioniert es ebenfalls nicht. Gleichzeitig benötigen Sie den entsprechenden Resonanzboden für Ihre Aktivitäten, sprich, gewisse Standortvoraussetzungen und ein gegebenes Marktpotenzial. Bei sorgfältiger Abwägung aller dieser Faktoren bietet der Markt allerdings auch unter geänderten Bedingungen zukünftig noch gute Chancen – aber eben wohl nicht mehr für alle.
Anschrift des Verfassers:Dr. Reinhard Herzog, Apotheker Philosophenweg 81, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.deTeil 1 erschien in DAZ Nr. 4 vom 25. Januar 2007 auf Seite 70Im nächsten Teil: Preise, Preise – Sinn und Unsinn von Preisaktivitäten- > Was hebt Ihren Standort positiv von der Konkurrenz ab (i.e. Frequenz, Nähe zu relevanten Ärzten, Parkplätze, Erreichbarkeit, ansprechbares Einzugsgebiet)?
- > Gibt Ihr jetziger Betrieb überhaupt die Kapazitäten her, um die Kundenzahl um 30%, 50% oder mehr steigern zu können? Welche Investitionen wären ggf. für einen Kapazitätsausbau nötig?
- > Gibt es bereits in unmittelbarer Nähe wesentlich stärkere Konkurrenten, die kaum oder nur mit sehr hohem Aufwand einzuholen wären?
- > Haben Sie die Reserven, um höhere Anfangsinvestitionen (z. B. in Modernisierung, besseres/mehr Personal usw.) sowie höhere, laufende Ausgaben für Marketing und Aktionen (Größenordnung: 2% bis 3% vom Umsatz, anfangs u. U. auch deutlich mehr) zu verkraften? Haben Sie den Ideenreichtum und den laufenden Aktivitätspegel, dieses Marketing mit Leben, Witz und Verstand zu erfüllen (und eben nicht nur Standardwerbung von der Stange zu machen)?
- > Welche Gegenreaktionen werden Sie mutmaßlich wecken? Gibt es Konkurrenten mit einem wesentlich stärkeren Kapitalhintergrund und im Zweifelsfall "längerem Atem", die Ihre Aktivitäten rasch neutralisieren könnten?
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